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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §69 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 2. April 1998, Zl. 0/92-7859/43-1998, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte unter dem Namen KH am 11. Juni 1989 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Mit seinem Gesuch legte der Beschwerdeführer eine Meldebestätigung vor, aus der hervorgeht, dass "KH, geboren 1938", seit 3. Jänner 1970 in Österreich einen ordentlichen Wohnsitz hat. Weiters legte er unter anderem folgende Urkunden vor: einen im November 1984 vom türkischen Generalkonsulat in Salzburg ausgestellten türkischen Reisepass TR-F Nr. 855216 und die beglaubigte Übersetzung eines türkischen "Personenidentitätsausweises" vom 2. September 1988, in denen seine Identität jeweils mit "HK, geboren 1938 in Biyac" angegeben ist, sowie eine Bestätigung des jugoslawischen Generalkonsulates in Salzburg vom 8. Juni 1989, aus der hervorgeht, dass "Herr HC" um Ausstellung einer Bestätigung über seine 1965 in Jugoslawien erfolgte Ehescheidung von PM angesucht habe. Die Eltern des Beschwerdeführers werden im erwähnten "Personenidentitätsausweis" mit A und N, in dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Lebenslauf mit A und Na bezeichnet. Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung (der belangten Behörde) vom 6. August 1990 wurde "Herrn KH, geboren 1938 in Biyac, Jugoslawien" die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG 1985 verliehen.
Mit Schreiben vom 7. September 1990 teilte das türkische Generalkonsulat in Salzburg der belangten Behörde mit, dass eine kürzlich bekannt gewordene Erhebung ergeben habe, dass "KH, geb. 1938, Sohn von A und N, seinen eigenen Reisepass TR-C Nr. 270251 (...) dadurch verfälscht habe, indem er sein eigenes Lichtbild gegen das seines Bruders, Herrn A H, geb. 1936, aus unbekannten Gründen austauschte". Herr K H habe diesen Reisepass für die Einreise nach Österreich verwendet "und er sollte ihn noch immer besitzen, obwohl er anscheinend bei Ihrer Behörde unter Vorlage seines türkischen Reisepasses TR-F Nr. 855216 der alten Ausführung ansuchte, welcher nicht mehr gültig ist (...)." Das vom Beschwerdeführer mittlerweile gestellte Ansuchen um Entlassung aus dem türkischen Staatsverband habe wegen des noch nicht abgeleisteten Militärdienstes und des fehlenden gültigen Reisepasses noch nicht erledigt werden können.
Mit Schreiben vom 8. Juni 1994 teilte das türkische Generalkonsulat in Salzburg schließlich mit, dass "Herrn K H, geb. 1938" mit Ministerratsbeschluss vom 6. Dezember 1993 die türkische Staatsbürgerschaft aberkannt worden sei.
Mit einem Schreiben vom 12. Oktober 1994 teilte die türkische Rechtsanwältin A dem Bundesminister für Inneres mit, "Herr H" habe die österreichische Staatsbürgerschaft mit einem "gefälschten Pass und Personalausweis erhalten". Die von ihm verwendeten Unterlagen gehörten eigentlich seinem Bruder "K H, geboren 1938". Die eingebürgerte Person heiße "A H, geboren 1935". Dem richtigen K H sei "wegen dieses Verfahrens (...) in der Türkei seine Staatsangehörigkeit am 06/12/1993 abhandegenommen" (gemeint: abhanden gekommen). K H sei am 25. Februar 1994 verstorben, seine Witwe M H sei wegen der nunmehr fehlenden türkischen Staatsangehörigkeit "in einer sehr schweren Situation". Mit diesem Schreiben übermittelte die Rechtsanwältin unter anderem die Kopien zweier türkischer Reisepässe, und zwar des Reisepasses TR-B Nr. 602805 des "K H, geboren 1938 in Biyac" (die darin abgebildete Person zeigt nicht den Beschwerdeführer) und des Reisepasses TR-C Nr. 341131 des "A H, geboren 1935 in Manastir" (dieser Reisepass enthält das selbe Foto des Beschwerdeführers, wie der mit dem Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft vorgelegte, auf den Namen "K H" ausgestellte Reisepass TR-F Nr. 855216).
Am 16. Februar 1995 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde zu den in diesem Schreiben geschilderten Umständen einvernommen. Er gab an, er habe einen "Zwillingsbruder" namens C H; dieser sei in dem von der Rechtsanwältin A übermittelten, auf den Namen "K H" ausgestellten Reisedokument abgebildet; warum in diesem der Vorname "K" stehe, wisse der Beschwerdeführer nicht. Er selbst sei am 10. Februar 1938 geboren. Er wisse auch nicht, warum in dem auf "A H" ausgestellten Reisepass mit seinem Foto das Geburtsdatum 7. März 1935 stehe. Einen "A H" gebe es nicht, er habe allerdings einen Kosenamen "A". 1966 sei er von Jugoslawien, wo er "K H" geheißen habe, in die Türkei gekommen. Dort habe er, weil es so üblich gewesen sei, seinen Namen in K H geändert. Sein Bruder habe in Jugoslawien "C H" geheißen. Zum Schreiben der Rechtsanwältin A befragt, gab der Beschwerdeführer an, vermutlich wolle die Frau seines verstorbenen Bruders sein Geld haben und habe deswegen die betreffenden, unrichtigen Behauptungen aufgestellt. Der Beschwerdeführer bestritt, den auf den Namen "A H" ausgestellten Pass besessen zu haben und sein Foto in den Pass seines Bruders geklebt zu haben.
Die belangte Behörde ersuchte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg um Klärung der Identität der eingebürgerten Person. Die Sicherheitsdirektion teilte der belangten Behörde mit Schreiben vom 2. Juni 1997 nach Einvernahme des Beschwerdeführers, Durchführung einer Hausdurchsuchung bei diesem und einer Anfrage an Interpol mit, sie gehe davon aus, "dass es sich bei der eingebürgerten Person um A H, geboren 1935, handelt".
Daraufhin erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 11. Juni 1997, mit dem das Verfahren über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft betreffend "H A alias H K, geboren 1935 in Manastir, Jugoslawien, alias 1938 in Biyac, Jugoslawien" gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG wieder aufgenommen und der Bescheid vom 6. August 1990 über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an K H gemäß §§ 69 und 70 AVG aufgehoben wurde.
Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer sich als "K" H, geboren 1938 in Biyac, Jugoslawien, ausgegeben und eine Vielzahl von Urkunden vorgelegt habe, welche auf K H ausgestellt gewesen seien. Der Beschwerdeführer sei jedoch A H, geboren 1935. Der Beschwerdeführer habe den Bescheid über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 6. August 1990 daher durch die Vorspiegelung einer falschen Identität erschlichen, sodass dieser Bescheid aufzuheben gewesen sei.
Nach der mit diesem Bescheid verfügten Wiederaufnahme des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer in einem gegen ihn wegen des Vorwurfes der Fälschung besonders geschützter Urkunden (§ 223 Abs. 2, § 224 StGB) sowie der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung (§ 228 Abs. 2 StGB) eingeleiteten Strafverfahren vom Landesgericht Salzburg mit Urteil vom 10. September 1997 mangels eines Schuldbeweises freigesprochen.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers legte der belangten Behörde in der Folge den Protokolls- und Urteilsvermerk über dieses Urteil sowie ein Urteil des türkischen Amtsgerichtes Gaziosmanpasa vom 25. Jänner 1995 vor. Aus dem zuletzt genannten Urteil ergibt sich, dass K H, geboren 1938, am 25. Februar 1994 verstorben ist und dessen Witwe die Ausstellung einer "Erbschaftsurkunde" begehrt hatte. In der Begründung dieser Entscheidung wird unter anderem festgehalten, dass türkische Staatsangehörige in Österreich Eigentümer unbeweglicher Güter werden können; es bestehe kein gesetzliches Hindernis gegen die Ausstellung einer Erbschaftsurkunde. Der Beschwerdeführer brachte vor, das Landesgericht Salzburg habe in der Begründung seines oben erwähnten Urteils darauf hingewiesen, dass ein Motiv für die Anzeige der M H darin begründet sein könne, dass diese durch ihr Vorgehen das Vermögen des K H erwerben wolle, während bei K H keinerlei nachvollziehbares Motiv für das ihm zur Last gelegte Verhalten erkennbar gewesen sei, geschweige denn ein Schuldbeweis habe erbracht werden können.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg teilte der belangten Behörde mit Schreiben vom 22. Oktober 1997 mit, sie gehe nach wie vor davon aus, dass es sich bei der von der Salzburger Landesregierung am 6. August 1990 eingebürgerten Person um "A H, geb. 1953" handle. Die Ergebnisse der von ihr in dieser Angelegenheit durchgeführten Ermittlungen erschienen schlüssig, während die Überlegungen im gekürzten Protokolls- und Urteilsvermerk des Landesgerichtes Salzburg über die zum Freispruch des Beschwerdeführers führende Hauptverhandlung nicht nachvollziehbar seien.
Die belangte Behörde vernahm in der Folge den 1959 geborenen Sohn des Beschwerdeführers, M H, als Zeugen. Dieser gab bei seiner Einvernahme am 14. Jänner 1998 u.a. an, dass in seiner Geburtsurkunde und in seinem Reisepass als seine Eltern A und H H verzeichnet seien, sein Vater heiße jedoch K H. Er sei nicht bei seinem Vater aufgewachsen; 1978 sei er zu seinem Vater nach Österreich gekommen. Sein Vater habe einen Zwillingsbruder, welcher C H genannt wurde, er habe es zumindest so gehört. Er habe seinen Onkel C H auch persönlich gekannt. Dieser sei angeblich 1994 verstorben. Seine Mutter heiße H P. Die von der Interpol aus der Türkei übermittelten Kopien des Reisepasses seines Vaters, bzw. seines Onkels seien offenbar nicht richtig. Der Reisepass seines Vaters sei vom Konsulat in München ausgestellt worden. Er kenne keine Personen, die A H bzw. H H hießen. Er selbst habe in seinen eigenen Sichtvermerksanträgen in den Jahren 1985, 1986 und 1987 seinen Vater wiederholt als A H bezeichnet, da dieser in seinen Dokumenten so aufgeschienen sei. Sein Vater hätte gegen diese Bezeichnung keinen Einwand geäußert. Er selbst habe im Jahr 1997 vor einem türkischen Gericht die Leitung des Einwohnerregisteramtes Dömirkoy auf Berichtigung der standesamtlichen Eintragung geklagt. Mit Urteil vom 26.05.1997 sei sein Geburtsdatum auf 01.07.1959 berichtigt worden. Er habe dies deshalb gemacht, da in seinen Unterlagen teilweise kein Geburtsdatum eingetragen gewesen sei. Die Berichtigung des Geburtsdatums sei an einem Tag möglich gewesen, die Korrektur der Namen der Eltern in der Geburtsurkunde wäre jedoch sicher aufwendiger gewesen.
In seiner Stellungnahme vom 16. Februar 1998 zur Einvernahme des M H führte der Beschwerdeführer u.a. aus, diese Zeugeneinvernahme bestätige, "dass man dem Inhalt von aus der Türkei stammenden bzw. ausgestellten Dokumenten nicht jene Beweiskraft zumessen kann, wie dies in Österreich bei derartigen Dokumenten der Fall ist" und wies nochmals darauf hin, dass er im Strafverfahren freigesprochen worden sei; der anlässlich der gerichtlichen Hauptverhandlung zugezogene Dolmetscher habe bestätigt, dass es in der Türkei wiederholt bei der Ausstellung von Dokumenten zu Verwechslungen oder zu unrichtigen Eintragungen kommen könne, deren Berichtigung kaum möglich sei. Im Hinblick auf die Aussage seines Sohnes und den rechtskräftigen Freispruch im Strafverfahren, in dem die Identität des Beschwerdeführers auch durch die Aussage seines Zahnarztes bestätigt worden sei, habe sich die Richtigkeit seiner Identität "als K H, geboren 1938, herausgestellt". Er wiederhole daher den Antrag "auf umgehende Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an K H, geboren 1938".
In der Folge wies die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid den "Antrag des K H vom 11.06.1989 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (...) gemäß § 39 iVm § 10 (1) Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 ab". Begründend führte die belangte Behörde aus, die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität im Zuge des Verfahrens seien in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich bzw. unrichtig gewesen. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens traf die belangte Behörde folgende - mit beweiswürdigenden Elementen vermengte - Feststellungen:
Die belangte Behörde könne zwar "nicht abschließend beweisen", welcher Name dem Beschwerdeführer zukomme. Es könne jedoch als erwiesen angenommen werden, dass ein eindeutiger Beweis, dass es sich beim Antragsteller um eine Person namens K H handle, nicht erbracht worden sei. Vielmehr gebe es "sehr viele Hinweise dafür", dass der Antragsteller nicht K H sei. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer seit vielen Jahren in Österreich als K H aufgetreten sei, die Aussage eines Salzburger Zahnarztes sowie der Freispruch des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Salzburg änderten nichts daran, dass die belangte Behörde nicht als erwiesen annehmen könne, dass der Beschwerdeführer den Namen K H rechtmäßig führe. Vielmehr nehme sie auf Grund des vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers vorgelegten Urteils des türkischen Amtsgerichtes Gaziosmanpasa sowie auf Grund der Mitteilungen der Interpol Ankara und der Stellungnahmen der Sicherheitsdirektion Salzburg als erwiesen an, dass der Bruder des Beschwerdeführers, der der Ehemann der M H gewesen und am 25. Februar 1994 in der Türkei verstorben sei, den Namen K H geführt habe. Weiters nahm die belangte Behörde als erwiesen an, "dass der Antragsteller entweder Unterlagen, die seinen Bruder betreffen, vorgelegt hat oder dass er vor der Behörde unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat". Der Freispruch des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Salzburg mangels Schuldbeweises könne "nicht die Zweifel der Behörde bezüglich des Namens bzw. der Identität zerstreuen". Der Beschwerdeführer habe bis zuletzt keine eindeutigen Nachweise für seine Identität vorgelegt. Auf Grund der der Behörde vorliegenden Unterlagen könne nicht "als erwiesen angenommen werden, dass der Antragsteller den Namen K H rechtmäßig führt". Da der Beschwerdeführer betreffend den Namen seines Bruders im Laufe des Verfahrens verschiedene Varianten vorgelegt habe, seine Angaben von jenen seines Sohnes teilweise abwichen und kein konkreter Hinweis darauf, dass das Gerichtsurteil des türkischen Amtsgerichtes Gaziosmanpasa unrichtig oder gefälscht sei, hervorgekommen sei, gehe die belangte Behörde davon aus,
"dass der Inhalt des vom Antragsteller vorgelegten Urteiles richtig ist und die Angaben des Antragstellers betreffend den Namen seines Bruders falsch sind. Der Umstand, dass der Antragsteller in Österreich erwiesenermaßen lange Jahre den Namen seines Bruders geführt hat und auch derzeit noch führt, stört nach Ansicht der unterfertigenden Behörde die öffentliche Ordnung."
Obwohl der Beschwerdeführer spätestens seit dem 16. Februar 1995 von dem Umstand, dass sein Bruder in der Türkei als K H bezeichnet wurde, gewusst habe, sei der Behörde nicht bekannt, dass er seither irgendwelche Schritte zur Aufklärung dieser Unklarheiten unternommen hätte. Auf Grund der angeführten Umstände bestehe keine Gewähr, dass der Antragsteller keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Der Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei demgemäß abzuweisen gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Der Beschwerdeführer hat den Bescheid vom 11. Juni 1997, mit dem die belangte Behörde die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 69 Abs. 3 iVm Abs. 1 Z 1 AVG verfügt hat, nicht vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft; die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den das wieder aufgenommene Verfahren abschließenden Bescheid vom 2. April 1998. Die Bestimmung des § 70 Abs. 3 zweiter Satz AVG, wonach gegen die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme "eine abgesonderte Berufung" nicht zulässig ist, hätte die Erhebung einer Beschwerde gegen den im Administrativverfahren nicht anfechtbaren Wiederaufnahmebescheid nicht ausgeschlossen; im vorliegenden Fall liegt nämlich ein letztinstanzlicher Bescheid vor, der auf Grund des Zutreffens der Voraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzuges gemäß § 131 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1977, Zl. 1341/75, Slg. Nr. 9277/A). Der Verwaltungsgerichtshof ist daher im gegenständlichen Verfahren - da der Beschwerdeführer den die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid ("iudicium rescindens") unbekämpft gelassen und nur gegen die im wieder aufgenommenen Verfahren ergangene Entscheidung ("iudicium rescissorium") Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hat - der Untersuchung der Frage enthoben, ob die mit dem Bescheid vom 11. Juni 1997 verfügte Wiederaufnahme zurecht erfolgt ist (vgl. in diesem Sinne - betreffend eine Wiederaufnahme über Antrag - das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1952, Zl. 606/51, Slg. Nr. 2455/A). Der Beschwerdeführer setzt sich in der vorliegenden Beschwerde auch nicht mit der Frage auseinander, ob bei Erlassung des Bescheides vom 11. Juni 1997 ein Wiederaufnahmegrund vorgelegen habe, sondern führt mit Bezugnahme auf seinen Freispruch vom Vorwurf der Vergehen nach § 223 Abs. 2, § 224 und § 228 Abs. 2 StGB durch das Landesgericht Salzburg aus, auf Grund dieses Freispruches sei der Wiederaufnahmegrund "weggefallen", sodass die belangte Behörde ihm neuerlich "die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verleihen müssen".
2. Damit ist vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem in seiner Beschwerde geltend gemachten Recht auf Verleihung der Staatsbürgerschaft verletzt ist.
2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 StbG kann einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hat und kein Einbürgerungshindernis nach den Z 2 bis 8 dieses Absatzes vorliegt. Gemäß Z 6 dieser Bestimmung (in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung des Staatsbürgerschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 311/1985 idF der Novelle BGBl. Nr. 505/1994) kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet. Dabei handelt es sich um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung.
2.2. Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verleihungsantrages darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung gemäß dem im angefochtenen Bescheid zitierten § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht erfülle, weil der Umstand, dass der Antragsteller in Österreich "erwiesenermaßen lange Jahre den Namen seines Bruders geführt hat und auch derzeit noch führt", die öffentliche Ordnung störe.
Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang im angefochtenen Bescheid allerdings nur festgestellt, dass der Beschwerdeführer entweder Unterlagen, die seinen Bruder betreffen, vorgelegt habe oder vor der Behörde unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht habe, und dass auf Grund der der Behörde vorliegenden Unterlagen nicht als erwiesen angenommen werden könne, dass der Beschwerdeführer den Namen K H rechtmäßig führe. Daraus schloss die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer "erwiesenermaßen" den (von ihr mit "K H" festgestellten) Namen seines Bruders geführt habe. Zum Freispruch des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Salzburg mit Urteil vom 10. September 1997 führte die belangte Behörde aus, dieser Umstand könne die Zweifel der Behörde bezüglich des Namens bzw. der Identität des Beschwerdeführers nicht zerstreuen, ohne sich näher mit diesem Urteil auseinander zu setzen.
Indem die belangte Behörde selbst offen gelassen hat, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Urkunden, die für seinen Bruder ausgestellt waren, vorgelegt hat oder ob er lediglich unzutreffende oder unvollständige Angaben gemacht hat, hat sie es für möglich gehalten, dass dem Beschwerdeführer lediglich zur Last gelegt werden könnte, "unvollständige Angaben" gemacht zu haben, wobei sie auch nicht klargestellt hat, welche Angaben des Beschwerdeführers sie im Einzelnen für unrichtig oder unvollständig hält. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides letztlich auch offen gelassen, ob der Beschwerdeführer den Namen "K H" rechtmäßig führt oder nicht. Im Besonderen hat sie nicht begründet, ob bzw. warum der Umstand, dass der Bruder des Beschwerdeführers diesen Namen in der Türkei geführt habe, zwingend ausschließe, dass der Beschwerdeführer im Zuge der von ihm behaupteten Namensänderung bei seiner Übersiedlung aus Jugoslawien in die Türkei diesen Namen ebenfalls führen durfte.
In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass sich die belangte Behörde nicht mit der hinsichtlich des Geburtsdatums bestehenden Divergenz zwischen den Unterlagen, die der Beschwerdeführer zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat, und den für seinen Bruder ausgestellten Urkunden auseinander gesetzt hat. Sowohl der im November 1984 ausgestellte Reisepass des Beschwerdeführers als auch dessen "Personenidentitätsausweis" vom 2. September 1988 führen als Geburtsdatum den 10. Februar 1938 an, während das Geburtsdatum seines Bruders durchgehend mit 22. März 1938 angegeben wird. Schließlich bleibt auch, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, gänzlich offen, welches Motiv der Beschwerdeführer, der offenbar seit 1970 unter dem Namen K H in Österreich seinen Hauptwohnsitz hatte, dafür gehabt haben könnte, in Österreich unter dem Namen seines Bruders aufzutreten.
2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat bei der Beurteilung des vorliegenden Falles davon auszugehen, dass die belangte Behörde es auch für möglich gehalten hat, dass dem Beschwerdeführer bloß "unvollständige Angaben" im Verfahren zur Last zu legen seien, und dass nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer die ihm bei Einleitung des Wiederaufnahmeverfahrens zur Last gelegten Straftaten tatsächlich begangen hat. Da auch nicht nachvollzogen werden kann, inwiefern den nicht näher spezifizierten "unvollständigen Angaben" des Beschwerdeführers solches Gewicht zukommen soll, dass bei Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers eine negative Prognose über dessen künftiges Verhalten in Bezug auf Verletzungen der öffentlichen Ordnung anzustellen wäre, erachtet der Verwaltungsgerichtshof die von der belangten Behörde zur Begründung der Abweisung des Verleihungsantrages herangezogene Gefahr einer Störung der öffentlichen Ordnung durch den Beschwerdeführer als nicht tragfähig. Dies trifft auch auf den von der belangten Behörde ergänzend ins Treffen geführten Umstand zu, der Behörde sei nicht bekannt, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Kenntnis, dass sein Bruder in der Türkei als K H bezeichnet wurde, irgendwelche Schritte zur Aufklärung dieser Unklarheiten unternommen hätte. Die belangte Behörde ist auf Grund der von ihr getroffenen Feststellungen somit unzutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG darstelle.
3. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am 15. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1998010241.X00Im RIS seit
21.07.2003Zuletzt aktualisiert am
14.08.2012