Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des ID in W, geboren 1964, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Adalbert-Stifter-Straße 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. März 2002, Zl. 226.126/0-VIII/23/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsbürger von Mazedonien, reiste gemäß seinen Behauptungen am 25. April 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Diesen Antrag begründete er im Zuge seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 4. September 2001 im Wesentlichen damit, dass er nichtuniformiertes Mitglied der UCK gewesen sei; er habe als "Initiator in Zivil" mit der UCK zusammengearbeitet und die Aufgabe gehabt, die Jugend zu informieren und "zur UCK zu bringen". Deswegen - irgendjemand müsse ihn verraten haben - werde er von der mazedonischen Polizei gesucht, es sei ihm jedoch bislang immer gelungen, einer befürchteten Festnahme durch rechtzeitige Flucht zu entgehen. Auf die Frage, was er für den Fall seiner Rückkehr erwarte, antwortete der Beschwerdeführer: "Mein Ende wäre im Gefängnis. Dies glaube ich zumindest."
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 22. Dezember 2001 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Außerdem sprach es aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Nach Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers traf es Feststellungen zu Mazedonien, insbesondere "zur gegenwärtigen Situation" und zur "Chronologie der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Mazedonienkonflikt". Im Anschluss daran hielt es fest, dass UCK-Rebellenführer Ali Ahmeti am 27. September 2001 die UCK als aufgelöst erklärt habe, und führte schließlich - unter der Rubrik "Regierung ordnet Amnestie für UCK-Kämpfer an" - aus, dass die mazedonische Regierung am 9. Oktober 2001 eine Amnestie für die entwaffneten Kämpfer der UCK angeordnet und damit einen wesentlichen Teil des Mitte August (2001) in Ohrid vereinbarten Friedensabkommens erfüllt habe. (Auch) die Verfassungsänderung hin zu mehr Rechten für die albanische Bevölkerungsminderheit, der zweite notwendige Schritt zur Umsetzung des Friedensvertrages, sei bereits durchgeführt worden. Resümierend stellte das Bundesasylamt fest, dass auf Grund der von der mazedonischen Regierung angeordneten Amnestie für UCK-Kämpfer "aus dieser Sicht" keine Verfolgungshandlung erblickbar sei; mit der Umsetzung der Amnestie (Enthaftung von UCK-Kämpfern) sei bereits begonnen worden. Im Hinblick darauf habe der Beschwerdeführer, dessen Vorbringen glaubwürdig sei, keine Verfolgung im Sinn des AsylG glaubhaft zu machen vermocht. Der als Fluchtgrund vorgebrachte Sachverhalt - so das Bundesasylamt in seiner rechtlichen Beurteilung - stehe mit keinem Konventionsgrund im Zusammenhang, da nach beschlossener Amnestiegesetzgebung eine asylrelevante Verfolgung ausgeschlossen werden könne.
Zum Ausspruch nach § 8 AsylG führte das Bundesasylamt - in offensichtlichem Widerspruch zu seinen Überlegungen betreffend die Entscheidung über die Gewährung von Asyl - aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei, weshalb die schlüssige, stimmige und konkrete Schilderung einer Gefahr im Sinn des § 57 FrG von vornherein ausscheide.
Die gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. März 2002 gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Sie erklärte, hinsichtlich Sachverhalt, Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung vollinhaltlich auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesasylamtes zu verweisen und fügte dem im Wesentlichen rechtlich betrachtet nur hinzu, dass in concreto die Bestimmung "des Art. 1 lit. D Ziffer 5 Genfer Flüchtlingskonvention" (gemeint: Art. 1 Abschnitt C Z 5 Flkonv) verwirklicht sei, weil sich die Umstände im Herkunftsland des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Selbstauflösung und Entwaffnung der UCK und die daran anschließende Amnestierung der entwaffneten Kämpfer derart geändert hätten, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Mazedonien möglich sei.
Über die gegen den Berufungsbescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Das Bundesasylamt (und mit ihm die belangte Behörde) haben den Asylantrag des Beschwerdeführers im Ergebnis deshalb abgewiesen, weil im Hinblick auf das beschlossene Amnestiegesetz nunmehr eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers ausgeschlossen werden könne. Dem hält die Beschwerde zu Recht entgegen, dass jegliche Feststellungen zum näheren Inhalt der Amnestieregelungen fehlten, sodass nicht beurteilt werden könne, ob auch der Beschwerdeführer in den Genuss dieser Regelungen gelangen könne. Eine "Präzisierung" haben die Asylbehörden bloß dahin vorgenommen, dass die Amnestie "für die entwaffneten Kämpfer der UCK" angeordnet worden sei, doch gehört(e) der Beschwerdeführer als "Initiator in Zivil" bzw. als "einfacher Organisator" gerade nicht diesem Personenkreis an. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass dem Beschwerdeführer dann, wenn er nicht dem Amnestiegesetz unterfällt (oder dieses auf ihn nicht angewendet wird) asylrelevante Verfolgung droht - weder die belangte Behörde noch das Bundesasylamt haben dazu Überlegungen angestellt -, war der bekämpfte Bescheid schon angesichts des aufgezeigten Feststellungsmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 15. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002010159.X00Im RIS seit
25.06.2003