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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §1 Z3 idF 1999/I/004;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des K in Wien, vertreten durch Dr. Karl Schirl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Krugerstraße 17/3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 20. September 2000, Zl. E 013/02/2000.010/020, betreffend Zurückschiebung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2. (Zurückschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der unstrittigen Aktenlage reiste der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, am 15. Juni 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am folgenden Tag die Gewährung von Asyl. Mit Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 99/01/0233, hob der Verwaltungsgerichtshof den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, mit dem der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 4 AsylG als unzulässig zurückgewiesen worden ist, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Das danach wieder anhängige Berufungsverfahren stellte der unabhängige Bundesasylsenat am 10. April 2000 nach § 4 Abs. 5 AsylG mit Aktenvermerk ein (vgl. das den Verfahrensgang des Asylantrages des Beschwerdeführers darstellende Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/01/0175).
Am 16. Februar 2000 überschritt der Beschwerdeführer - nach vorheriger Ausreise aus dem Bundesgebiet - die Staatsgrenze von Ungarn nach Österreich, wurde im Bundesgebiet von Soldaten des Bundesheeres aufgegriffen und in der Folge von Gendarmeriebeamten festgenommen. Daran anschließend wurde der Beschwerdeführer bis 18. Februar 2000 angehalten, an diesem Tag den ungarischen Grenzbehörden übergeben und in Ungarn in Haft genommen.
Die belangte Behörde hat der an sie gerichteten Beschwerde hinsichtlich der am 18. Februar 2000 durch Organe der Bundesgendarmerie erfolgten Festnahme des Beschwerdeführers (Spruchpunkt 1.) und "seiner Übergabe am 18.02.2000 um 11.45 an die ungarischen Grenzorgane durch die vorgenannten Organe" (Spruchpunkt 2.) keine Folge gegeben und die Beschwerde hinsichtlich der Anhaltung des Beschwerdeführers in einem ungarischen Lager (Spruchpunkt 3.) wegen Unzuständigkeit und hinsichtlich der Verweigerung der vom Beschwerdeführer gewünschten Kontaktaufnahme mit einem Rechtsanwalt während seiner Haft (Spruchpunkt 4.) wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen. Die - hier allein interessierende - Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zurückschiebung des Beschwerdeführers (Spruchpunkt 2.) begründete die belangte Behörde unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1998, 98/02/0044, mit dem Umstand, dass eine "Zurückschiebung" oder "Abschiebung" eines Asylwerbers in einen anderen Staat als den Heimatstaat, der nicht als Herkunftsstaat anzusehen sei, zulässig sei. Deshalb stelle sich die Zurückschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn, von wo er nach Österreich eingereist und nicht verfolgt worden sei, als rechtmäßig dar. Zudem sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber einen "Schutz vor Aufenthaltsbeendigung" gemäß § 21 AsylG auch dann bieten wolle, wenn der Beschwerdeführer, obwohl er in Österreich bereits Schutz und eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung erlangt habe, freiwillig ausgereist und dann illegal wieder nach Österreich zurückgekehrt sei. Es sei kein Grund ersichtlich, dass er bei seiner Wiedereinreise nicht den Vorschriften des Fremdengesetzes unterlegen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Vorschriften des Asylgesetzes 1997 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 4/1999 lauten:
Schutz vor Aufenthaltsbeendigung
§ 21. (1) Auf Asylwerber findet - soweit im folgenden nicht anderes festgelegt wird - das Fremdengesetz insgesamt Anwendung, die §§ 33 Abs. 2, 36 Abs. 2 Z 7, 55 und 61 bis 63 FrG jedoch nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie
1. den Antrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben;
2. den Antrag anlässlich der Grenzkontrolle oder anlässlich eines
von ihnen sonst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt haben.
(2) Ein Asylwerber darf nicht in den Herkunftsstaat zurückgewiesen und überhaupt nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden; die Übermittlung personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat, ist nicht zulässig; Daten, die erforderlich sind, um die zur Einreise notwendigen Bewilligungen zu beschaffen, dürfen jedoch übermittelt werden, wenn der Antrag - wenn auch nicht rechtskräftig - abgewiesen oder zurückgewiesen worden ist und das Ergebnis der non-refoulement-Prüfung dem nicht entgegensteht und die Identität des Asylwerbers nicht geklärt ist.
(3) Fremde, deren Asylantrag rechtskräftig abgewiesen wurde, dürfen in den Herkunftsstaat nur zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden, wenn die Asylbehörde rechtskräftig festgestellt hat, dass dies nach § 57 FrG zulässig ist.
Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 20. Oktober 2000, Zl. 99/20/0406, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof zu den im vorliegenden Fall wesentlichen Rechtsfragen zusammengefasst ausgesprochen, dass § 21 Abs. 2 erster Satz AsylG die Zurück- und Abschiebung von Asylwerbern aus Österreich uneingeschränkt und bedingungslos verbiete, im Besonderen also auch in Bezug auf Drittstaaten nicht nur unter der Voraussetzung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 AsylG oder unter anderen in § 21 Abs. 1 AsylG normierten Voraussetzungen. Das Verbot gilt - heißt es im zitierten Erkenntnis weiter -, so lange die Fremden die Stellung von Asylwerbern innehaben, gemäß § 1 Z 3 AsylG also von der Einbringung eines Asylantrages bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens oder bis zu dessen Einstellung. Im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG gilt es aber etwa auch während der Dauer eines an das Asylverfahren anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Nach dieser Rechtsprechung kommt es für die Gewährung von Zurückschiebungs- und Abschiebungsschutz somit allein darauf an, ob der Fremde die Stellung eines Asylwerbers innehat. Dieser Status geht nach geltender Rechtslage auch dann nicht verloren, wenn der Asylwerber nach einem Auslandsaufenthalt wieder in das Bundesgebiet eingereist ist und keine Einstellung des Asylverfahrens gemäß § 30 Abs. 1 AsylG erfolgt ist.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Zurückschiebung des Beschwerdeführers rechtmäßig gewesen ist. Der Beschwerdeführer hat den im § 21 Abs. 2 AsylG geregelten Schutz weder wegen seiner Ausreise verloren noch ist seine Zurückschiebung nach dem erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates - wie die belangte Behörde unter Berufung auf das genannte (ältere) Erkenntnis vom 29. Mai 1998 meint - "in einen anderen Staat als den Heimatstaat, der nicht Herkunftsstaat ist" zulässig.
Im Hinblick auf das zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates hat die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung den angefochtenen Bescheid im Spruchpunkt 2. mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Soweit sich die Beschwerde gegen die Spruchpunkte 1., 3. und 4. des angefochtenen Bescheides richtet, wird darüber der nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes für diese Materien zuständige Senat entscheiden.
Wien, am 15. Mai 2003
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete PolizeirechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001010222.X00Im RIS seit
25.06.2003