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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/02/0056Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König,
1.) über den Antrag des AK in M, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller und Dr. Markus Orgler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 29, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 25. November 2002, Zl. uvs-2002/K5/004-8, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Führerscheingesetzes, und
2.) in dieser Beschwerdesache, den Beschluss gefasst:
Spruch
1.) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
1.) Der angefochtene Bescheid wurde dem Antragsteller am 19. Dezember 2002 zugestellt. Die Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof endete am 30. Jänner 2003. Die Beschwerde wurde erst am 31. Jänner 2003 zur Post gegeben.
Über Vorhalt der Verspätung begehrt der Antragsteller mit dem vorliegenden, am 5. März 2003 zur Post gegebenen Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der genannten Frist mit folgender Begründung:
"Wie zwischenzeitliche Erhebungen ergeben haben, liegt der Grund dafür in einer Fehlkalendierung durch die Kanzleileiterin der rechtsfreundlichen Vertreter des BF, Frau SM. Diese hat offensichtlich bei der Berechnung der sechswöchigen Frist zum Zweck des Vormerks im Hauptkalender der Kanzlei einen Rechenfehler begangen und dadurch sowohl im Hauptkalender der Kanzlei den 31.01.2003 anstelle des 30.01.2003 als Endtermin der Frist notiert als auch auf dem Bescheid der belangten Behörde dieses Fristenddatum am Eingangsstempel eingetragen. Infolgedessen wurde die Beschwerde erst am 31.03." (Anmerkung: richtig 31.1.) "2003 zur Post gegeben."
§ 46 Abs. 1 VwGG lautet:
"Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden einer Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht diesem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.
In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die Organisation des Kanzleibetriebes eines Rechtsanwaltes so einzurichten ist, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird, wobei durch ein entsprechendes Kontrollsystem dafür vorzusorgen ist, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. zum Ganzen z.B. den hg. Beschluss vom 11. Mai 1998, Zlen. 97/10/0236, 98/10/0067).
Von einem einen minderen Grad des Versehens nicht übersteigenden Verschulden kann dann keine Rede sein, wenn die zur Einhaltung von Fristen erforderliche Sorgfalt gröblich verletzt wird (vgl. zum Erfordernis größtmöglicher Sorgfalt bei der Einhaltung von Rechtsmittelfristen etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0141).
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2003, Zl. 2003/02/0006) ist für die richtige Beachtung (Berechnung) der Rechtsmittelfristen in einer Rechtsanwaltskanzlei allerdings stets der Rechtsanwalt verantwortlich, sodass er selbst die Fristen zu setzen hat.
Somit durften die den Beschwerdeführer vertretenden Rechtsanwälte die Berechnung der Beschwerdefrist keinesfalls der Kanzleileiterin in deren eigene Verantwortung übertragen. Sie haben daher im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung die zur Einhaltung von Fristen erforderliche Sorgfalt gröblich verletzt.
2.) Bei diesem Ergebnis war die am 31. Jänner 2003 zur Post gegebene Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 20. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003020028.X00Im RIS seit
15.09.2003