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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VStG §51e idF 2002/I/065;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des GF in L, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 24. August 2002, Zl. VwSen-280609/5/Ga/Pe, betreffend Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. August 2002 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ und damit als gemäß § 9 VStG strafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der F Ges.m.b.H. mit Sitz in L zu verantworten, dass bei einer am 20. November 2000 durchgeführten Kontrolle der Baustelle W in L festgestellt worden sei, dass die bei obiger Gesellschaft beschäftigen Arbeitnehmer PP, HB, BJ und HM Dacharbeiten, nämlich die Verlegung von Welleternitplatten an der Westseite des Gebäudes, völlig ungesichert gegen Absturz durchgeführt hätten.
Die Dienstnehmer hätten keine Sicherheitsgeschirre getragen und seien nicht angeseilt gewesen. Die Traufenhöhe habe ca. 5 m, die Dachneigung 17 Grad betragen.
An beiden Traufenseiten des Wohnobjektes, an dem die Arbeitnehmer beschäftigt worden seien, seien weder ein Dachfanggerüst, noch Dachschutzblenden oder Absturzsicherungen angebracht gewesen.
Er habe dadurch eine Übertretung nach § 130 Abs. 5 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz i.V.m. § 87 Abs. 2 und Abs. 5 Bauarbeiterverordnung begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.160,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 200 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Abs. 1 bis 5 des § 51e VStG, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 65/2002, lauten:
"(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn
1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3.
im angefochtenen Bescheid eine 500,-- EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen.
Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."
Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, er habe "in seiner Berufungsschrift von 18.12.2001 ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung vor dem UVS beantragt". Er rügt die Unterlassung der Durchführung dieser Verhandlung.
In den von der belangten Behörde vorgelegten Akten findet sich lediglich eine unvollständige Kopie der Berufung vom 18. Dezember 2001.
Die belangte Behörde tritt in ihrer Gegenschrift der gegenständlichen Rüge des Beschwerdeführers nicht entgegen, weshalb der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung sieht, die Behauptung des Beschwerdeführers anzuzweifeln, er habe "in der Berufung" die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Sohin war die belangte Behörde im Beschwerdefall - da kein Fall des § 51e Abs. 4 oder 5 VStG vorliegt - schon deshalb verpflichtet, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, was der Beschwerdeführer zu Recht rügt.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne dass beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. Mai 2003
Schlagworte
"zu einem anderen Bescheid" Verfahrensbestimmungen BerufungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002020247.X00Im RIS seit
15.07.2003