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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
StVO 1960 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des CL in L, vertreten durch Dr. Gottfried Lindner und Mag. Thomas Fragner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 35/B, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wr. Neustadt, vom 3. Februar 2003, Zl. Senat-NK-01- 1090, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Februar 2003 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 1. Juli 2001 um 04.30 Uhr im Gemeindegebiet von K, "am Veranstaltungsgelände beim Treffen" neben einem näher genannten Gasthof auf einer näher bestimmen Parzelle ein dem behördlichen Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt und die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl er das Fahrzeug um 03.30 Uhr an dem vorhin näher beschriebenen Ort gelenkt habe und vermutet habe werden können, dass er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe daher die §§ 5 Abs. 2, 5 Abs. 4 und 99 Abs. 1 lit. b StVO übertreten, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Beschwerdeverfahren entscheidend ist die Frage, ob der Beschwerdeführer vor der Aufforderung zum Alkotest ein Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt hat oder nicht. Der Beschwerdeführer bestreitet in diesem Zusammenhang vor dem Verwaltungsgerichtshof weder, dass er zur fraglichen Zeit ein Kraftfahrzeug gelenkt habe noch, dass angenommen habe werden können, dass er dies in alkoholisiertem Zustand getan habe. Das "Treffen" habe jedoch auf einer Wiese stattgefunden, die auch während der Veranstaltung nicht für Verkehrszwecke, sondern ausschließlich für "verkehrsfremde Zwecke" bestimmt gewesen sei. So sei dort das Festzelt ebenso wie andere von den Teilnehmern mitgebrachten Zelte aufgestellt gewesen; es hätten verschiedene Geschicklichkeitsspiele und das Aufstellen und Betreiben von Fahrzeugen im Sinne eines Präsentierens dieser Fahrzeuge stattgefunden. Darunter hätten sich auch solche Kraftfahrzeuge befunden, die nicht zum öffentlichen Verkehr zugelassen gewesen seien. Selbst wenn die Wiese als "Straße" zu qualifizieren gewesen wäre, hätte darauf jedenfalls kein öffentlicher Verkehr stattgefunden, da die Wiese nicht von jedermann unter den gleichen Bedingungen hätte benutzt werden können. Der für die Veranstaltung genützte Teil der Wiese sei schon aus Gründen des Verkaufs von Eintrittskarten von der vorbeiführenden Landesstraße und der übrigen Umgebung ausreichend und zumindest tagsüber sichtbar abgegrenzt gewesen. Die Begrenzung habe sich zum Teil aus dem natürlichen Gelände in Form einer steilen Böschung, die weder befahren noch ohne weiteres hätte begangen werden können, ergeben sowie zum Teil durch ein Absperrband und durch Hilfskräfte des Veranstalters, die dafür gesorgt hätten, dass nur solche Personen auf das Veranstaltungsgelände gelangen hätten können, denen nach Erwerb einer Eintrittskarte die Teilnahme ermöglicht worden sei. Dass zum Tatzeitpunkt das Absperrband möglicherweise teilweise entfernt gewesen sei, hätte nichts daran geändert, da es der Erfahrung entspreche, dass zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Personen mehr zu Veranstaltungen kämen.
Nach § 1 StVO gilt dieses Bundesgesetz für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können (Abs. 1).
Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 1 StVO ist die Straße eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen.
Straßen sind demnach Landflächen, die dem Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr dienen, also der räumlichen Fortbewegung von einem Ort zu einem anderen Ort durch Personen oder Fahrzeuge (aus den vielfältigsten Motiven), wobei als Zweck der Fortbewegung die Raumüberwindung im Vordergrund stehen muss. Steht ein anderer Zweck als der der Raumüberwindung im Vordergrund und ist die Raumüberwindung lediglich Nebenzweck, dann kann eine Landfläche, die einem solchen "anderen Zweck" dient, nicht als Straße im Sinne der Straßenverkehrsordnung qualifiziert werden (vgl. zutreffend Dittrich/Stolzlechner, Österreichisches Straßenverkehrsrecht I, Rz 7 zu § 2 StVO).
Im hier zu beurteilenden Beschwerdefall ergibt sich jedoch aus den Feststellungen der belangten Behörde im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer angefertigten Skizze, deren Richtigkeit vom einschreitenden Gendarmeriebeamten hinsichtlich der örtlichen Gegebenheiten ausdrücklich bestätigt wurde, eindeutig, dass der Beschwerdeführer abseits der offenbar von den Veranstaltern für das Abstellen von Fahrzeugen (und das Campieren) vorgesehenen Fläche sein Kraftfahrzeug über die Wiese gelenkt hat. Damit kann aber - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht angenommen werden, dass er sein Fahrzeug überhaupt auf einer "Straße" gelenkt hat. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass diese Wiese eine Landfläche war, die der räumlichen Fortbewegung, insbesondere der Raumüberwindung, im oben genannten Sinne diente.
Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift davon ausgeht, der Beschwerdeführer habe die Fahrt "unbestritten von diesem Parkplatz aus unternommen", stimmt dies nicht mit den sonstigen Feststellungen der belangten Behörde und insbesondere mit der von ihr nicht als unzutreffend angesehenen Skizze überein.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren für eine "Beilage" wird mangels gesetzlicher Grundlage abgewiesen.
Wien, am 20. Mai 2003
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003020073.X00Im RIS seit
03.07.2003Zuletzt aktualisiert am
15.09.2014