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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AlVG 1977 §24 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des FP in St. P, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 6. Juli 1999, Zl. LGS600/RALV/1218/1999-Mag.Ed/S, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Vorgeschichte ist dem hg. Erkenntnis vom 13. April 1999, Zl. 99/08/0005, zu entnehmen, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Davon ist für den vorliegenden Beschwerdefall noch Folgendes wesentlich:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. November 1998 wurde ausgesprochen, dass der Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers mit 16. September 1998 eingestellt werde, weil er "einer Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung" stehe (§ 7 Abs. 1-3 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 AlVG).
Dieser Bescheid wurde mit dem genannten Erkenntnis vom 13. April 1999 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Einstellung der Leistung wegen des Wegfalls der in § 7 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 erster Fall und Abs. 3 Z. 1 AlVG normierten Anspruchsvoraussetzung ausgeführt, dass die Verfügbarkeit des Arbeitslosen im Sinne der erwähnten Bestimmungen nicht dessen Vermittelbarkeit für eine "Vollbeschäftigung" erfordere. Die Bereitschaft des Arbeitslosen, nicht nur eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung, sondern im Falle einer entsprechenden Vermittlung auch eine "Vollbeschäftigung" anzunehmen, sei erst im Zusammenhang mit der Voraussetzung der Arbeitswilligkeit im Sinne des § 9 AlVG, nicht aber schon bei der Prüfung der Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu beurteilen. Dass die belangte Behörde den Sachverhalt nicht nur unter Zugrundelegung der für wahr gehaltenen Erklärung des Beschwerdeführers bei der Beurteilung seiner (tatsächlichen) Verfügbarkeit, sondern darüber hinaus auch unter dem Gesichtspunkt seiner Arbeitswilligkeit beurteilt und seine Antwort auf die Frage nach seiner Verfügbarkeit als Vorwegnahme seiner Reaktion auf die allfällige Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung in dem erwähnten Ausmaß gewertet hätte, sei der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof sei auch nicht der Ansicht, dass die Ergebnisse einer auf die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG abstellenden, insoweit aber durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Zusatzerfordernis ("im Ausmaß von 35- 40 Wochenstunden") angereicherten Befragung des Arbeitslosen - völlig losgelöst von seinem sonstigen Verhalten und im Besonderen auch von den in § 10 Abs. 1 AlVG vorgesehenen konkreten, jeweils nur zum befristeten Ausschluss von der Leistung führenden Anknüpfungspunkten - als Grundlage für eine generelle Verneinung der Arbeitswilligkeit des Arbeitslosen nicht heranzuziehen wären. In diesem Zusammenhang sei ergänzend darauf hinzuweisen, dass die zeitliche Beurteilungsperspektive insoweit nicht die gleiche wäre, als im Zusammenhang mit der Beurteilung der Arbeitswilligkeit auch die Bereitschaft des Arbeitslosen, seine die Verfügbarkeit einschränkenden anderweitigen Inanspruchnahmen im Falle einer Vermittlung erforderlichenfalls zu beenden, zu berücksichtigen wäre, wohingegen es im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG auf das Ausmaß der anderweitigen Inanspruchnahmen schon während des Zeitraumes, für den die Geldleistung beansprucht werde, ankomme.
Die belangte Behörde erließ sodann im fortgesetzten Verfahren - ohne weitere Ermittlungen durchzuführen - den angefochtenen Bescheid vom 6. Juli 1999, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und ausgesprochen wurde, dass dessen Notstandshilfebezug gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, § 9 Abs. 1 und § 38 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (in der Folge: AlVG) mit 16. September 1998 eingestellt werde, weil der Beschwerdeführer auf Grund mangelnder Arbeitswilligkeit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. Dazu führte die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsverfahrens und der maßgebenden Rechtslage im Wesentlichen begründend aus, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem oben zitierten Erkenntnis ausgesprochen, dass die Ergebnisse einer auf die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG abstellenden Befragung des Arbeitslosen als Grundlage für eine generelle Verneinung seiner Arbeitswilligkeit nicht heranzuziehen wären. Neben seiner in der Niederschrift vom 16. September 1998 wiedergegebenen Aussage habe der Beschwerdeführer jedoch in seiner Berufung vom 27. Oktober 1998 angegeben, auf Grund diverser gesundheitlicher Probleme (Leistenbruch, Stauballergie, Wirbelsäulenabnützung, starke Hämorriden, 15 % Invalidität der rechten Hand, etc.) nur für leichte Arbeiten (Portier, Aktenträger) oder für Halbtagsarbeit geeignet zu sein und außerdem seine damals 87-jährige Mutter betreuen zu müssen. Laut ärztlicher Bestätigung vom 15. September 1998 sei seine Mutter im Ausmaß von 60 Stunden im Monat pflegebedürftig. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Zusammenhang mit der Arbeitswilligkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 9 ausgesprochen, dass ein Arbeitsloser zur Annahme einer (die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden und Arbeitslosigkeit daher ausschließenden) Teilzeitbeschäftigung, aber auch zur Annahme einer Vollbeschäftigung bereit sein müsse, um das Erfordernis der Arbeitswilligkeit zu erfüllen. Da der Beschwerdeführer auf Grund seiner gesundheitlichen Probleme und der Pflegebedürftigkeit seiner Mutter "unmöglich" zur Annahme einer Vollbeschäftigung bereit sein habe können, habe seiner Berufung wegen mangelnder Arbeitswilligkeit nicht stattgegeben werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die auf den Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des AlVG lauten:
§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer
1.
der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,
2.
.....
(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.
(3) Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf, wer
1. sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt
üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und
kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren
versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält und
2. wem die Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung auf
Grund der gesetzlichen Vorschriften nicht verwehrt ist. ......
§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist,
- eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte
zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder
- sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- und umschulen
zu lassen oder
- an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den
Arbeitsmarkt teilzunehmen oder
- von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch
zu machen und
- auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus
unternimmt, eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach
seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist. ........
§ 24. (1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen.
§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung liegt es im Wesen der freien Beweiswürdigung, dass weitere Beweisaufnahmen dann unterbleiben können, wenn sich die Verwaltungsbehörde auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen konnte. Das Recht auf freie Beweiswürdigung enthebt die Behörde aber weder ihrer Ermittlungspflicht noch ihrer Begründungspflicht (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 19. März 1992, Zl. 91/09/0187).
Die Beschwerde ist schon deshalb begründet, weil sich die belangte Behörde mit der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits mehrfach zitierten Erkenntnis vom 13. April 1999, Zl. 99/08/0005, im Zusammenhang mit der Beurteilung der Arbeitswilligkeit als klärungsbedürftig erachteten Frage, ob die Bereitschaft bestehe, seine die Verfügbarkeit einschränkenden anderweitigen Inanspruchnahmen im Falle einer Vermittlung erforderlichenfalls zu beenden, nicht auseinander gesetzt hat. Allein das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, dass er aus gesundheitlichen Gründen nur zu leichten Arbeiten fähig sei und zudem seine Mutter pflegen müsse, in Verbindung mit der ärztlichen Bestätigung, wonach die Mutter des Beschwerdeführers Betreuung im Ausmaß von 60 Stunden im Monat bedürfe, vermag den angefochtenen Bescheid nicht zu stützen. Nach verständiger Lesart sind diese Aussagen des Beschwerdeführers vielmehr dahin zu verstehen, dass er damit der belangten Behörde lediglich im Hinblick auf ihm zukünftig zugewiesene Beschäftigungen zusätzliche Informationen zu seiner Person zur Verfügung stellen wollte. Damit brachte er jedoch keinesfalls seine generelle Arbeitsunwilligkeit zum Ausdruck. Somit hätte es zur Begründung der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen unter Beachtung der oben dargestellten Grundsätze weiter gehender behördlicher Ermittlungen und Feststellungen betreffend die Arbeitswilligkeit des Beschwerdeführers bedurft.
Da die belangte Behörde sich über dieses Erfordernis ohne weitere Begründung hinwegsetzte und nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels, dessen Wesentlichkeit aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde zu entnehmen ist, zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangte wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. Mai 2003
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Besondere Rechtsgebiete freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1999020244.X00Im RIS seit
16.06.2003