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L46103 Tierhaltung Niederösterreich;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des F B in K, vertreten durch Dr. F W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 7. November 2000, Zl. Senat-GD-00-985, betreffend eine Übertretung des Niederösterreichischen Tierschutzgesetzes (weitere Partei des Verfahrens: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis der BH Gmünd vom 20. September 2000 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe auf einem näher bezeichneten Bauernhof seiner Ehefrau P. B. 27 Rinder überlassen, obwohl er hätte erkennen müssen, dass diese so gehalten (untergebracht, gefüttert und gepflegt) worden seien, dass diese Schäden erlitten und Schmerzen und Leiden hätten erdulden müssen. (Was näher beschrieben wurde; als Tatzeit ist angeführt "jedenfalls am 3.7.2000, jedoch längstens bis 30.7.2000"). Hiedurch habe der Beschwerdeführer gegen § 13 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 2 Z 2 des Niederösterreichischen Tierschutzgesetzes 1985, LGBl. 4610-0, iVm § 17 Abs. 1 VStG verstoßen, weshalb über ihn gemäß § 13 Abs. 1 des Niederösterreichischen Tierschutzgesetzes 1985 eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden) verhängt werde. Darüber hinaus habe er die Kosten des Strafverfahrens im Betrag von S 100,-- zu ersetzen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge gegeben, als der Tatzeitpunkt "3.7.2000" und die Übertretungsnorm "§ 2 Abs. 1 NÖ Tierschutzgesetz 1985" zu lauten hätten.
Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, führte die belangte Behörde begründend aus, Täter eines unechten Unterlassungsdeliktes könne nur sein, wer von Rechts wegen zur Erfolgsabwendung verpflichtet sei. Nach traditioneller Lehre und strafgerichtlicher Judikatur ergebe sich die Garantenstellung entweder aus dem Gesetz, aus freiwilliger Pflichtenübernahme oder aus Gefahr begründendem Vorverhalten. Die Rechtspflicht ergebe sich im konkreten Fall aus dem Gesetz, nämlich aus § 4 Abs. 1 des Niederösterreichischen Tierschutzgesetzes 1985 (kurz: NÖ TSchG 1985), demzufolge der Besitzer von Tieren dafür zu sorgen habe, dass die Haltung derselben dem Gesetz entspreche. Besitzer sei auch der Eigentümer von verpachteten Tieren (der Besitz im Sinne der genannten Gesetzesstelle erschöpfe sich daher nicht in der faktischen unmittelbaren Innehabung, wie sich auch aus der Nennung jener Personen ergebe, die Tiere in Verwahrung hätten, also faktisch inne hätten). Nicht zuletzt ergebe sich die Verpflichtung auch des Bestandgebers aus § 4 Abs. 3 leg. cit. Im Beschwerdefall bestreite der Beschwerdeführer seine Verantwortlichkeit, weil er seinen Anteil an den Tieren an seine Ehefrau verpachtet habe. Halte man sich freilich vor Augen, dass die Tathandlung des § 2 Abs. 1 NÖ TSchG 1985 nicht notwendig erfordere, dass der Täter unmittelbar an die Tiere Hand anlege, sondern jede objektiv sorgfaltswidrige, letztlich zum Erfolg führende Handlung als Tathandlung in Betracht komme, so sei aus der Tatsache der Verpachtung der Tiere für sich allein für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Betrachte man den Sinn des Gesetzes, so habe der Bestandgeber (hier: der Beschwerdeführer als Verpächter) dafür Sorge zu tragen, dass er Tiere nur solchen Personen (Pächtern) zur Nutzung überlasse, welche die Tiere in einer dem Gesetz entsprechenden Weise hielten. Dies habe er zunächst bei Abschluss des Pachtvertrages zu prüfen; kämen derartige Umstände erst danach hervor, so habe er nach seinen Möglichkeiten auf seinen Pächter einzuwirken bzw. erforderlichenfalls die sofortige vorzeitige Auflösung des Pachtvertrages aus dem Grund des erheblichen nachteiligen Gebrauches (§ 1118 ABGB) zu betreiben. Ein solcher liege etwa vor, wenn die Bestandsache grob vernachlässigt werde, also in ihrer Substanz gefährdet wäre. Einen solchen erheblichen nachteiligen Gebrauch stelle etwa eine den Gesundheitszustand (dem Zusammenhang nach gemeint bzw. zu ergänzen: beeinträchtigende Haltung) der vom Bestandvertrag erfassten Tiere dar (Hinweis auf Lehrmeinungen).
Da der Beschwerdeführer von der nicht dem Gesetz entsprechenden Haltung der Tiere und der dadurch durch seine Ehefrau als Pächterin bewirkten Übertretung des NÖ TSchG 1985 seit mehreren Jahren gewusst habe, bzw. wissen habe müssen, wäre es seine Sache gewesen, erforderlichenfalls das Bestandsverhältnis gemäß § 1118 ABGB aufzulösen. Die Unterlassung dieser Möglichkeit sei als objektiv sorgfaltswidrig und somit als fahrlässig zu betrachten. Da der Beschwerdeführer dennoch keinerlei Anstrengungen oder Versuche unternommen habe, eine Auflösung des Pachtverhältnisses zu bewirken und selbst für eine ordnungsgemäße Haltung der Tiere zu sorgen, sei er in einer objektiv zurechenbaren Weise für die inkriminierten Erfolge mitursächlich; auch er komme somit als Täter in Betracht.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Ablehnung der Beschwerde (§ 33a VwGG), hilfsweise deren kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Niederösterreichische Tierschutzgesetz 1985, LGBl. 4610, in der Fassung der ersten Novelle (LGBl. 4610-1) anzuwenden.
Nach § 2 Abs. 1 leg. cit. darf niemand einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
§ 4 leg. cit. - überschrieben mit "Sorgepflicht" lautet auszugsweise:
"(1) Wer ein Tier besitzt oder in Verwahrung hat, muss dafür sorgen, dass die Haltung den Zielen dieses Gesetzes entspricht.
...
(3) Ist jemand nicht in der Lage, für Tiere selbst zu sorgen, so muss er vorsorgen, dass die ordnungsgemäße Haltung durch eine Person oder Vereinigung gewährleistet wird. Ist dies nicht möglich, so muss er für eine schmerzfreie und fachgerechte Tötung sorgen.
..."
Nach § 13 Abs. 1 leg. cit. begeht derjenige, der entgegen (unter anderem) den Bestimmungen des § 2 handelt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis S 50.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen.
Der Beschwerdeführer führt unter anderem aus, er habe die Tiere seiner Ehefrau keineswegs am 3. Juli 2000 überlassen, sondern diese Verpachtung liege bereits Jahre zurück. Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, dass die Wendung "überlassen" nicht notwendig mit dem Zeitpunkt der Übergabe oder Übertragung von Sachen ident sei, sondern sich auf den gesamten Zeitraum des Bestandverhältnisses erstrecke.
Dem ist Folgendes zu entgegnen:
Der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge (und auch in Übereinstimmung mit den zuvor angeführten Ausführungen in der Gegenschrift) wirft die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in Wahrheit vor, nichts gegen die schlechte Haltung der Tiere durch seine Ehefrau unternommen zu haben; das Überlassen der Tiere einerseits und das unterlassene Einschreiten bei schlechter Haltung der Tiere andererseits sind aber zweierlei. Letzteres wird dem Beschwerdeführer aber - nach dem maßgeblichen Spruch des angefochtenen Bescheides - nicht vorgeworfen. Beim Vorwurf hingegen, der Beschwerdeführer habe die Tiere seiner Frau überlassen, obwohl er hätte erkennen müssen, dass diese so gehalten würden, dass sie Schäden erlitten und Schmerzen und Leiden erdulden müssten, ist entgegen der Auffassung der belangten Behörde, wie der Beschwerdeführer zutreffend hervorhebt, auf den Zeitpunkt der (seinerzeitigen) Überlassung abzustellen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid (schon damit) mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen, insbesondere mit der Frage, ob aus § 4 Abs. 1 NÖ TSchG 1985 die von der belangten Behörde angenommene Garantenstellung des Verpächters abzuleiten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. Mai 2003
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung) Widerspruch Spruch der Berufungsbehörde Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001050178.X00Im RIS seit
19.06.2003