Index
82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien mit E v 04.03.00, V84/99 ua.Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Der Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ist schuldig, der Beschwerdeführerin die mit S 29.500,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zuhanden seines Rechtsvertreters zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Beschwerdeführerin war als Ärztin Angehörige der Ärztekammer für Wien und nach §6 iVm §4 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien zu diesem Wohlfahrtsfonds beitragspflichtig.
1.2. Mit Bescheid vom 27. Juni 1997 entsprach der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien dem Antrag der Beschwerdeführerin, gemäß §78 ÄrzteG 1984 und §7 Abs1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds von der Beitragspflicht zum Versorgungssystem dieses Fonds mit Wirkung ab 1. Mai 1997 befreit zu werden.
1.3. Mit Bescheid vom 17. März 1998 verfügte der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds die Rückerstattung von öS 78.856,24 an die Beschwerdeführerin, wobei verschiedene, in der Folge von der Beschwerdeführerin bestrittene Forderungen des Wohlfahrtsfonds in Abzug gebracht wurden.
1.4. Der gegen diesen Bescheid an den Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds erhobenen Berufung blieb der Erfolg versagt; der Beschwerdeausschuß wies die Berufung mit Bescheid vom 14. Mai 1998 ab und bestätigte den Bescheid des Verwaltungsausschusses.
1.5. Diesen Bescheid hob der Verfassungsgerichtshof über Beschwerde der (auch hier) beschwerdeführenden Ärztin mit E v. 24.6.1999, B1472/98 auf. Einerseits habe die Behörde bei der Festsetzung des bescheidgegenständlichen Rückerstattungsbetrages Willkür geübt, insbesondere habe sie offene Forderungen an Fondsbeiträgen nicht satzungsgemäß mit 50 vH, sondern in voller Höhe von diesem Betrag in Abzug gebracht. Andererseits sei der Beschwerdefall einem Anlaßfall zum Erkenntnis vom 24.6.1999, V15/99, V16/99 und V22/99 gleichzuhalten, mit dem der Verfassungsgerichtshof die Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für die Beitragsjahre 1996 und 1997 aufgehoben und ausgesprochen hat, daß die Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien bis zum Inkrafttreten der Fassung der Kundmachung vom "Wiener Arzt" 2b/99 jedenfalls gesetzwidrig war; dem Bescheid fehle es insofern an den Rechtsgrundlagen, weshalb die Beschwerdeführerin wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt worden sei.
1.6. In der Folge hob der Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds mit (Ersatz)Bescheid vom 21. Oktober 1999 den erstinstanzlichen Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien "vom 14.5.1998" (ersichtlich gemeint: vom 17.3.1998) ersatzlos auf und führte begründend aus, daß, wie der Verfassungsgerichtshof in seinem E v. 24.6.1999, B1472/98 ausgesprochen habe, der gegenständliche Fall einem Anlaßfall gleichzuhalten sei, weshalb jene Bestimmungen der Satzung, auf die sich der Rückzahlungsanspruch allein stützten könnte, auf die beschwerdeführende Ärztin nicht anzuwenden seien und für die Rückzahlung daher keine Rechtsgrundlage bestehe.
1.7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die beschwerdeführende Ärztin die Verletzung in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletztlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt.
1.8. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie ihren Bescheid verteidigt und u.a. ausführt, daß es ihr aufgrund des im Jahre 1997 verwirklichten entscheidungsgegenständlichen Sachverhaltes verwehrt gewesen sei, eine allfällige nach diesem Zeitpunkt in Kraft gesetzte Satzung anzuwenden.
2.1. Ob der belangten Behörde neuerlich Willkür zur Last zu legen ist, weil sie die Rechtswirkung der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes in seinem EV 15/99, V16/99 und V22/99, wonach die Satzung bis zum Inkrafttreten der durch Kundmachung im "Wiener Arzt" 2b/99 erlassenen Fassung gesetzwidrig war, insofern (grob) verkannt hat, als diese Feststellung der Anwendung der Satzung in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung der Kundmachung in den Mitteilungen der Wiener Ärztekammer, Heft 2b/1999, nicht entgegenstand und die Satzung in dieser Fassung in §11 Abs3 eine Rechtsgrundlage für die sich aus der Bindung an das vorgenannte Erkenntnis ergebende Rückzahlungsverpflichtung enthalten hat, kann aus folgenden Gründen auf sich beruhen:
2.2. Aus Anlaß eines anderen Beschwerdefalles hat der Verfassungsgerichtshof nämlich nach Durchführung eines Verordnungsprüfungsverfahrens mit Erkenntnis V84, 85/99 vom 4. März 2000 die Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (auch) in der Fassung der Kundmachung in den Mitteilungen der Wiener Ärztekammer, Heft 2b/1999 als gesetzwidrig aufgehoben.
2.2.1. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
2.2.2. Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986).
2.2.3. Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren V84, 85/99 fand am 4. März 2000 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 7. Dezember 1999 eingelangt, war also zum Zeitpunkt dieser Beratung schon anhängig; der der vorliegenden Beschwerde zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
2.3. §43 der Satzung in der Fassung der Kundmachung in den Mitteilungen der Wiener Ärztekammer, Heft 2b/1999, enthält - in Übereinstimmung mit §113 Abs5 u. 6 ÄrzteG 1998 - u.a. nähere Regelungen über Zusammensetzung und Willensbildung des Beschwerdeausschusses; darüber hinaus normiert §43 Abs3 der Satzung, daß die Sitzungen vom Vorsitzenden (Stellvertreter) einberufen werden und über die Sitzung ein Beschlußprotokoll zu führen ist. Der Bescheid des belangten Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ist daher (auch) auf diese, schon für die Einberufung der Beschwerdeausschusses relevanten Regeln der Satzung in der mit Erkenntnis V84, 85/99 als gesetzwidrig aufgehobenen Fassung gestützt. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.
3. Die Beschwerdeführerin wurde daher durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (VfSlg. 10.303/1984; 10.515/1985).
4. Der Bescheid war daher aufzuheben.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B1954.1999Dokumentnummer
JFT_09999692_99B01954_00