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77 Kunst Kultur;Norm
DMSG 1923 §1 Abs10 idF 1999/I/170;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des F in H, vertreten durch Dr. Hubert F. Kinz, Rechtsanwalt in 6901 Bregenz, Kirchstraße 10, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 27. September 2002, Zl. 17.312/13-IV/3/2002, betreffend Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Hinsichtlich der Vorgeschichte verweist der Verwaltungsgerichtshof zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2002, Zl. 2002/09/0038, mit dem der Bescheid der belangten Behörde vom 29. Dezember 2001 betreffend Unterschutzstellung des Einhofes (ohne abseits stehende Wirtschaftsgebäude) in H, Vorarlberg, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden war. Die belangte Behörde hatte sich nicht mit den auf § 1 Abs. 10 des Denkmalschutzgesetzes (DMSG), BGBl. Nr. 533/1923, idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 170/1999, gestützten Einwänden des Beschwerdeführers auseinandergesetzt.
Die belangte Behörde erließ sodann den nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 27. September 2002, mit welchem sie neuerlich feststellte, dass die Erhaltung des Einhofes (ohne abseits stehende Wirtschaftsgebäude) in H, Vorarlberg, im öffentlichen Interesse gelegen sei.
In der Begründung führte die belangte Behörde im Hinblick auf § 1 Abs. 10 DMSG aus:
"Die Berufungsbehörde hat keine Bedenken, dass sich das gegenständliche Objekt in einem derartig statischen oder sonstigen substanziellen (physischen) Zustand befindet, dass eine Instandsetzung entweder überhaupt nicht mehr möglich wäre oder mit so großen Veränderungen in der Substanz verbunden wäre, dass dem Denkmal nach seiner Instandsetzung Dokumentationswert und damit Bedeutung als Denkmal nicht mehr in ausreichendem Maße zugesprochen werden könnte.
Die Erläuterungen zu § 1 Abs. 10 DMSG (1769 der Beilagen zu den Stenografischen Protokollen des Nationalrates, XX. GP) führen aus, dass die Erhaltung eines Denkmals dann nicht (mehr) möglich ist, wenn sein Zustand die denkmalgerechte Erhaltungsmöglichkeit ausschließt und damit seine Unterschutzstellung der ratio legis widersprechen würde.
Die Berufungsbehörde ist der Ansicht, dass § 1 Abs. 10 DMSG sich ausschließlich auf den Zustand des Denkmals im Zeitpunkt der Unterschutzstellung bezieht (vgl. auch § 1 Abs. 6 DMSG). Es ist daher nicht relevant, welche (weiteren) Schäden in näherer oder fernerer Zukunft erwartet werden müssen oder welche Veränderungen der Eigentümer - sei es auch aus wirtschaftlichen oder sonstigen Zwängen - vornehmen möchte. § 1 Abs. 10 DMSG bezieht sich ausschließlich auf Schäden, die am Denkmal bereits in Zeiten der Unterschutzstellung bestehen und (zumindest de facto) zu einer Zerstörung seines Denkmalwertes geführt haben.
...
Aus dem Sachverständigengutachten von Ing. Manfred S - der das Objekt als 'bodenständige und gediegene Baukonstruktion' bezeichnet und auf Bauelemente hinweist, die in der Region kaum zu finden seien - ergibt sich im Wesentlichen, dass Veränderungen durchgeführt werden müssten, wenn das gegenständliche Objekt für eine zeitgemäße Wohnnutzung adaptiert werden soll (Erneuerung der Treppe, Einbau von WC- und Badeanlagen, einer Zentralheizung, Erneuerung der Kamine). Diese künftigen Veränderungen sind im Unterschutzstellungsverfahren genauso wenig relevant wie die Kosten oder die Wirtschaftlichkeit einer Sanierung des gegenständlichen Objektes. Diese Argumente wären in einem Verfahren gemäß § 5 Abs. 1 DMSG (Veränderungs- oder Zerstörungsverfahren) vorzubringen.
Unter dem Blickwinkel des § 1 Abs. 10 DMSG ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten von Ing. Manfred S lediglich, dass die Dachkonstruktion (samt Simsgebälk) zu erneuern ist, die Fenster und Türen 'auf längere Sicht technisch im Bestand nicht haltbar' sind, die Deckenkonstruktion teilweise ausgewechselt werden muss und die Fundierung 'sicher noch einige Probleme mit sich bringen' wird. Auch unter der Annahme, dass diese Veränderungen mit einem Austausch von Substanz verbunden sein werden, kann die Berufungsbehörde nicht erkennen, dass damit dem Objekt nach dieser Instandsetzung Dokumentationswert und damit Bedeutung als Denkmal nicht mehr in ausreichendem Maße zugesprochen werden könnte. Es entspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass im Zuge der oft über Jahrhunderte gehenden Erhaltung von Denkmalen regelmäßig einzelne Teile, die typischer Weise nach einigen Jahrzehnten dem Verschleiß ausgesetzt sind, erneuert werden müssen. Zu derartigen Teilen zählen ohne Zweifel auch Fenster und Türen, regelmäßig aber auch die Dachkonstruktion und Teile der Deckenkonstruktion.
An keinem dieser Teile wurde von den Amtssachverständigen oder von den Sachverständigen des Berufungswerbers eine besondere geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung festgestellt, die eine Erneuerung dieser Teile als einen Verlust des Denkmalwertes des gegenständlichen Objektes auch nur möglich erscheinen lässt.
Es braucht daher gar nicht weiter darauf eingegangen werden, dass sich sämtliche Gutachten zur geschichtlichen, künstlerischen und sonstigen kulturellen Bedeutung des gegenständlichen Objektes selbstverständlich auf den gegenwärtigen (ohne Zweifel schadhaften) Bauzustand des Objektes beziehen. Selbst der vom Berufungswerber beigezogene Sachverständige Dr. Paul Rachbauer geht offensichtlich vom gegenwärtigen Zustand des Denkmals aus, wenn er dieses als 'bemerkenswertes Bauerngehöft mit wechselvoller Geschichte' bezeichnet.
Schließlich ist noch festzuhalten, dass die Fassade auch nach dem Sachverständigengutachten von Ing. Manfred S durch Entwurmung und Imprägnierung sanierbar ist, sodass auch die äußere Erscheinung des gegenständlichen Objektes nicht im Sinne des § 1 Abs. 10 DMSG bereits als zerstört anzusehen ist."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer führt im Wesentlichen aus, von allen erstatteten Gutachten gebe nur das von ihm im Verfahren vor der Behörde erster Instanz beigebrachte Gutachten des Sachverständigen für Bauwesen, Ing. S, konkret über den technischen Zustand bzw. welche Teile ausgetauscht werden müssten, Auskunft. Die belangte Behörde hätte entweder ein neuerliches Gutachten, welches unter dem Gesichtspunkt des § 1 Abs. 10 DMSG über den Zustand des gegenständlichen Objektes Auskunft gebe, einholen müssen oder "in Ermangelung eines solchen die Aussagen des Gutachtens S ihrer Entscheidung zu Grunde legen müssen". Es wäre unter Zugrundelegung dieses Gutachtens und unter Anwendung des § 1 Abs. 10 DMSG der Bescheid der Behörde erster Instanz aufzuheben gewesen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. II Abs. 5 des Denkmalschutzgesetzes (DMSG), BGBl. I Nr. 170/1999, sind Verfahren nach der bisherigen Fassung des Denkmalschutzgesetzes, die noch nicht abgeschlossen sind, nach dem DMSG in der Fassung BGBl. I Nr. 170/1999 fortzuführen.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen lauten:
"§ 1. (1) Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen finden auf von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung ('Denkmale') Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Diese Bedeutung kann den Gegenständen für sich allein zukommen, aber auch aus der Beziehung oder Lage zu anderen Gegenständen entstehen. 'Erhaltung' bedeutet Bewahrung vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland.
(2) Die Erhaltung liegt dann im öffentlichen Interesse, wenn es sich bei dem Denkmal aus überregionaler oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann.
...
(4) Das öffentliche Interesse an der Erhaltung im Sinne des Abs. 1 (Unterschutzstellung) wird wirksam kraft gesetzlicher Vermutung (§ 2) oder durch Verordnung des Bundesdenkmalamtes (§ 2a) oder durch Bescheid des Bundesdenkmalamtes (§ 3) oder durch Verordnung des Österreichischen Staatsarchivs (§ 25a). Bei Ensembles und Sammlungen kann das öffentliche Interesse an der Erhaltung als Einheit nur durch Bescheid des Bundesdenkmalamtes wirksam werden.
(5) Ob ein öffentliches Interesse an der Erhaltung eines Einzeldenkmals, eines Ensembles oder einer Sammlung besteht sowie ob oder wie weit es sich (auch) um eine Einheit handelt, die als einheitliches Ganzes zu erhalten ist, ist vom Bundesdenkmalamt unter Bedachtnahme auf diesbezügliche wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu entscheiden. Bei der Auswahl der Objekte, die unter Denkmalschutz gestellt werden, ist die Bewertung in den vom Bundesdenkmalamt geführten bzw. verfassten Denkmalverzeichnissen zu berücksichtigen. Allgemein anerkannte internationale Bewertungskriterien können in die Beurteilungen mit einbezogen werden. Wenn eine ausreichende Erforschung von Denkmalen - wie insbesondere bei nicht ausgegrabenen Bodendenkmalen - noch nicht abgeschlossen ist, ist die Feststellung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmale nur dann zulässig, wenn die für die Unterschutzstellung erforderlichen Fakten auf Grund des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes wenigstens wahrscheinlich sind und die unversehrte Erhaltung der Denkmale andernfalls gefährdet wäre; eine solche Unterschutzstellung kann auch zeitmäßig begrenzt erfolgen.
(6) Die Feststellung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung eines Denkmals erfolgt stets in jenem Zustand, in dem es sich im Zeitpunkt des Rechtswirksamwerdens der Unterschutzstellung befindet.
...
(8) Werden nur Teile eines Denkmals geschützt (Teilunterschutzstellung), so umfasst dieser Schutz auch die übrigen Teile in jenem Umfang, als dies für die denkmalgerechte Erhaltung der eigentlich geschützten Teile notwendig ist.
...
(10) Die Erhaltung kann nicht im öffentlichen Interesse gelegen sein, wenn sich das Denkmal im Zeitpunkt der Unterschutzstellung in einem derartigen statischen oder sonstigen substanziellen (physischen) Zustand befindet, dass eine Instandsetzung entweder überhaupt nicht mehr möglich ist oder mit so großen Veränderungen in der Substanz verbunden wäre, dass dem Denkmal nach seiner Instandsetzung Dokumentationswert und damit Bedeutung als Denkmal nicht mehr in ausreichendem Maße zugesprochen werden könnte. Ausgenommen sind Denkmale, denen auch als Ruinen Bedeutung im obigen Sinn zukommt.
...
§ 3. (1) Bei Denkmalen, die nicht bloß kraft gesetzlicher Vermutung oder durch Verordnung unter Denkmalschutz stehen, gilt ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung erst dann als gegeben, wenn sein Vorhandensein vom Bundesdenkmalamt durch Bescheid festgestellt worden ist (Unterschutzstellung durch Bescheid)."
Wie aus der oben wörtlich wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides zu ersehen ist, hat sich die belangte Behörde - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - ausführlich mit dem Inhalt des Gutachtens S auseinandergesetzt und darauf aufbauend Feststellungen getroffen, denen der Beschwerdeführer nichts Substanzielles entgegengesetzt hat. Der gerügte Verfahrensmangel liegt demnach nicht vor.
Aber auch inhaltlich kann der Verwaltungsgerichtshof angesichts seiner ständigen Rechtsprechung zum notwendigen Austausch von Teilen eines Gebäudes zu dessen Instandsetzung (der andere Fall des § 1 Abs. 10 DMSG, nämlich dass eine Instandsetzung überhaupt nicht mehr möglich sei, wird hier nicht behauptet) und der daraus resultierenden Bedeutung auf die Unterschutzstellung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2001, Zl. 2001/09/0072, und die darin zitierte Vorjudikatur) keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erkennen. Auch der Beschwerdeführer zeigt nicht konkret auf, welche der Ausführungen der belangten Behörde nicht richtig seien und welche der bzw. aus welchem Grund eine der/die zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung (und nicht in der Zukunft) zur Erhaltung des Gebäudes (und nicht zur Verbesserung der Bausubstanz) erforderlichen Reparaturen mit so großen Veränderungen in der Substanz verbunden wäre, dass dem Gebäude nach seiner Instandsetzung dessen - von den verschiedenen Gutachtern zwar unterschiedlich dargestellter, aber im Wesentlichen übereinstimmend bejahter - Dokumentationswert und damit Bedeutung als Denkmal nicht mehr in ausreichendem Maße zugesprochen werden könnte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 21. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002090176.X00Im RIS seit
09.07.2003