TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/22 2000/20/0449

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Veröffentlicht am 22.05.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §56;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der A (verehelicht: P) in W, geboren 1981, vertreten durch Dr. Walter Schuhmann, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 68, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Juni 2000, Zl. 210.091/0-IX/26/99, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Irak und chaldäischen Glaubens, machte mit ihrem Asylantrag Verfolgung in ihrer Heimat wegen ihrer Aktivität für die Assyrisch-Demokratische Bewegung geltend. Ihr Vater sei wegen seiner führenden Mitgliedschaft in dieser Bewegung wiederholt verhaftet und ihr Bruder wegen diesbezüglicher Tätigkeiten hingerichtet worden.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Asylantrag der (in Österreich mit einem als Flüchtling anerkannten Iraker verheirateten) Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die autonome Kurdenzone des Nordirak zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid den vorgebrachten Fluchtgründen der Beschwerdeführerin die Glaubwürdigkeit versagt und die Tatsachen, dass die Beschwerdeführerin chaldäischen Glaubens ist, illegal aus dem Irak ausreiste und in Österreich um Asyl ersucht hat, letztlich weder in Bezug auf die Asyl- noch hinsichtlich der Refoulemententscheidung als relevant angesehen (wobei sie sich mit den Konsequenzen der Eheschließung mit einem als Flüchtling anerkannten Iraker nicht weiter auseinander setzte). Der Beschwerdeführerin drohe wegen des illegalen Verlassens ihrer Heimat im Falle der Rückkehr dorthin zwar eine Freiheitsstrafe im "durchschnittlichen" Ausmaß von 8 Jahren, "mangels dahingehender Anhaltspunkte" begründe die illegale Ausreise aus dem Irak aber nicht automatisch die Annahme einer politisch oppositionellen Gesinnung und damit keine maßgebliche Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention.

Demgegenüber vertritt der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die hier maßgeblichen Umstände zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Ansicht, dass in der Unverhältnismäßigkeit der für die unerlaubte Ausreise aus dem Irak vorgesehenen Sanktionen ein Anhaltspunkt dafür zu sehen ist, dass den von der Strafdrohung Betroffenen unter den damaligen politischen Verhältnissen eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wurde (vgl. die im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/20/0268, referierte Rechtsprechung).

Was den der Beschwerdeführerin nicht gewährten Abschiebungsschutz betrifft, so geht die belangte Behörde vom Bestehen einer für die Beschwerdeführerin im Nordirak gegebenen Schutzalternative aus und setzt sich auch damit in Widerspruch mit der hg. Judikatur. Nach der im bereits zitierten Erkenntnis, Zl. 2001/20/0268, dargestellten Rechtsprechung hätte die belangte Behörde - jedenfalls was den hier zu beurteilenden Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anbelangt - eine Schutzalternative im Nordirak nicht als gegeben ansehen dürfen, ohne sich zuvor mit der Frage auseinander zu setzen, durch welche Hindernisse der irakische Staat daran gehindert war, sich über die betroffenen Gebiete im Norden des Landes jederzeit und ohne Vorankündigung wieder die volle Gebietsgewalt zu verschaffen, oder ob Informationen darüber vorlagen, dass die irakische Führung dies nicht beabsichtige.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil es in den genannten Rechtsvorschriften keine Grundlage findet.

Wien, am 22. Mai 2003

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000200449.X00

Im RIS seit

03.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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