TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/22 2002/16/0215

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.05.2003
beobachten
merken

Index

E3R E02202000;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

31992R2913 ZK 1992 Art202 Abs1 lita;
31992R2913 ZK 1992 Art202 Abs2;
31992R2913 ZK 1992 Art40;
FinStrG §35 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des V in Venedig, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Karfreitstraße 8, gegen den Bescheid des Berufungssenates II der Region Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. Juni 2002, GZ ZRV/2-W 2/00, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der in den Akten erliegenden Tatbeschreibung vom 2. April 1999 stellte sich der Beschwerdeführer an diesem Tag mit einem PKW beim Zollamt Wullowitz, aus der Tschechischen Republik kommend, zur Eingangsabfertigung. Nachdem sich das Zollorgan C davon überzeugt habe, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache verstehe, sei er nach mitgeführten Waren befragt worden. Der Beschwerdeführer habe dabei Zigaretten und eine Flasche Alkohol gestellt. Im Zuge der anschließenden Zollkontrolle seien fünf Kartons mit Glasperlen, ein kleiner im Handschuhfach, einer hinter dem Fahrersitz und drei auf der Rückbank, zugedeckt mit einem Mantel, aufgefunden worden. Auf entsprechendes Befragen habe der Beschwerdeführer eine Rechnung lautend auf fünf Kartons Glasperlen mit einem Gesamtwert von S 140.300,-- vorgewiesen. Durch Ermittlungen beim gegenüberliegenden tschechischen Zollamt sei festgestellt worden, dass die Waren durch das Zollamt Jablonec nad Nisou vorabgefertigt und beim gegenüberliegenden Zollamt das Versandpapier erledigt worden sei. Das tschechische Zollamt habe die dazugehörige Rechnung übermittelt, die auf S 465.100,-- gelautet habe. Bei einer weiteren Kontrolle seien neben der "richtigen" (ausdrücklich an den Beschwerdeführer mit seiner Adresse in Venedig gerichteten) Ausfuhrrechnung von S 465.100,-- noch drei weitere auf den Beschwerdeführer lautende Rechnungen für zurückliegende Lieferungen vorgefunden worden. Der Beschwerdeführer habe auf Vorhalt angegeben, er hätte die Glasperlen nach Italien verbringen wollen. Die Glasperlen seien für private Zwecke bestimmt gewesen.

Der Tatbeschreibung war eine am 2. April 1999 aufgenommene Niederschrift angeschlossen, in der der Beschwerdeführer unter anderem angab, er verdiene sich neben seiner kleinen Pension mit dem Handel von Glaswaren etwas Geld dazu. Seine Deutschkenntnisse seien so gut, dass er die Frage des Zollorgans verstanden habe. Die Glasperlen habe er in einem Hotel in Budweis übernommen. Er habe die Übergabe der Glasperlen an einen namentlich nicht bekannten Mann für 08 Uhr 30 beim Duty Free Shop vereinbart. Als dieser nach ca 15 Minuten nicht erschienen sei, sei er zum österreichischen Zollamt gefahren. Er habe die Glasperlen nicht angemeldet, weil er der Meinung gewesen sei, sie erst in Italien verzollen zu müssen.

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Linz vom 26. April 1999 wurde festgestellt, dass aus Anlass der Einfuhr von 11,15 kg Glasperlen die Eingangsabgabenschuld in Höhe von S 93.740,-- entstanden war.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde unter anderem vorgebracht, der Beschwerdeführer verstehe - im Gegensatz zu den Feststellungen in der Niederschrift vom 2. April 1999 - nicht die deutsche Sprache. Hätte die Behörde - mittels eines Dolmetschers - ein korrektes Ermittlungsverfahren durchgeführt, so hätte sie feststellen müssen, dass eine Einfuhr der gegenständlichen Waren in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaften niemals geplant gewesen sei. Der Beschwerdeführer hätte die Glassteine nicht auf österreichisches Gebiet verbringen wollen, sondern diese direkt "nach der tschechischen Grenze" an seinen Auftraggeber überreichen wollen. Der Beschwerdeführer habe vor ca. zwei Jahren einen offensichtlichen Ausländer kennen gelernt, der sich "Umberto" genannt und sich für solche Glassteine interessiert habe. In der Folge sei zwischen "Umberto" und dem Beschwerdeführer vereinbart worden, dass dieser in der tschechischen Republik Glassteine einkaufe und sie "Umberto" direkt am Grenzposten Dolny Dvoriste noch auf tschechischem Hoheitsgebiet übergebe. Vereinbarungswidrig sei der Auftraggeber am 2. April 1999 nicht zum Termin erschienen, weshalb der Beschwerdeführer beschlossen habe, wiederum nach Hause zu fahren und weitere Anweisungen abzuwarten. Da sich die gegenständliche Ware deshalb nur für kurz begrenzte Zeit im Gebiet der EU befinden hätte sollen, um sodann wiederum in ein Drittland verbracht zu werden, könne insgesamt keine Eingangsabgabenschuld entstanden sein. Weiters wurde vorgebracht, es habe keine Einfuhr stattgefunden, da die Ware noch auf dem Amtsplatz des Zollamtes Wullowitz entdeckt worden sei.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens gab der Vertragsbedienstete C in einer schriftlichen Stellungnahme an, der Beschwerdeführer habe bei der Amtshandlung am 2. April 1999 auf entsprechendes Befragen angegeben, er spreche ein bisschen deutsch.

Der Zollwachebeamte F gab bei seiner Einvernahme als Zeuge am 24. Juni 1999 an, die Verständigungsmöglichkeit mit dem Beschwerdeführer sei jedenfalls gegeben gewesen. Sein Deutsch sei nicht perfekt gewesen, er habe aber seinen langsamen Ausführungen folgen können. Außerdem habe der Zeuge in früherer Zeit italienisch gelernt, sodass die Verständigung auch auf italienisch möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe keinen Antrag auf Beiziehung eines Dolmetschers gestellt. Er habe nicht zu erkennen gegeben, dass er der Amtshandlung nicht folgen könne.

Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Linz vom 21. Oktober 1999 als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. In der Begründung wurde dazu unter anderem ausgeführt, nicht versteckte Waren, die von einem Reisenden an einen Amtsplatz gebracht werden, bei dem Willenserklärungen entgegen genommen werden können, seien schlüssig gestellt. Ein "Passieren" einer Zollstelle liege auch vor, wenn der Reisende einem Zollbeamten gegenüber keine ausdrückliche Zollanmeldung abgibt, sondern ihm zu verstehen gibt, dass er keine einfuhrabgabepflichtige Ware mitbringe. Bereits in diesem Augenblick und nicht erst mit dem Verlassen des Amtsplatzes gelte die Willensäußerung als erfolgt. Abgabepflichtige Waren würden, wenn sie bei einer Kontrolle am Amtsplatz entdeckt werden, als vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht gelten, sodass die Zollschuld gemäß Artikel 202 Absatz 1 Buchstabe a) ZK iVm

Artikel 234 Absatz 2 ZK-DVO entstanden sei. Weiters setzte sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführlich mit der Rüge einer Verletzung des Parteingehörs durch Unterlassung der Beiziehung eines Dolmetschers auseinander.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Nach dem Inhalt der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer durch die Feststellung der Eingangsabgabenschuld in seinen Rechten verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Artikel 202 Abs 1 Buchstabe a) ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird. Nach Absatz 2 entsteht die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht wird.

Wie der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst in seinem Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl 2000/16/0010, festgestellt hat, verletzt die Pflicht, eingeführte Waren zu gestellen, wer in der Zollstelle zum Ausdruck bringt, dass er keine gestellungspflichtigen Waren einführt; dies kann dadurch geschehen, dass er etwa (gefragt oder ungefragt) positiv erklärt, keine Waren gestellen zu wollen oder dieses schlüssig dadurch ausdrückt, dass er die Zollstelle verlässt, ohne die mitgeführten Waren zuvor gestellt zu haben. Ist die Partei dieser Gestellungspflicht nicht nachgekommen, so hat sie die Ware vorschriftswidrig verbracht.

Nicht anders kann die vom Beschwerdeführer gesetzte Handlung beurteilt werden: Der Beschwerdeführer hat eine positive Zollanmeldung abgegeben, wobei er einige Waren angab, die in Rede stehende kommerzielle Ware aber verschwiegen hat. Abgesehen davon, dass es sich bei Deklarierung einer Kleinigkeit unter Verschweigung anderer zu verzollender Waren geradezu um die typische Begehungsform des Reiseschmuggels handelt, so stellt die Abgabe einer unrichtigen Zollanmeldung eine Verletzung der Gestellungspflicht iS des Artikel 40 ZK dar, wobei die Zollschuld bereits im Zeitpunkt des erstmaligen Verstoßes gegen die Gestellungspflicht entsteht (vgl Witte, Zollkodex3, Art 202, Rz 17). Beschränkt sich die Anmeldung nur auf einige (eingangsabgabenfreie) Waren, so entsteht damit die Einfuhrzollschuld für die nicht angemeldeten Waren (vgl das hg Erkenntnis vom 24. September 2002, Zl 2000/16/0114). Die Entdeckung der nicht angemeldeten Waren bei einer Kontrolle am Amtsplatz ohne vorausgegangene ordnungsgemäße Gestellung schließt den Zollschuldentstehungstatbestand des Artikel 202 Absatz 1 Buchstabe a ZK keinesfalls aus (vgl das hg Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl 2000/16/0010).

Die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung, die Zollschuld entstehe erst mit dem Verlassen des Amtsplatzes, ist unzutreffend. Im Übrigen sind die Ausführungen in der Beschwerdeschrift, der "Reisende" habe im Beschwerdefall "keine ausdrückliche Zollanmeldung" abgegeben, unrichtig, da der Beschwerdeführer sehr wohl eine ausdrückliche - wenn auch unrichtige - Zollanmeldung abgegeben hat.

Soweit in der Beschwerdeschrift als Verfahrensmangel gerügt wird, es sei kein Dolmetscher beigezogen worden, ist dem entgegenzuhalten, dass sich die Abgabenbehörden mit dem gleichartigen Vorbringen im Verwaltungsverfahren ausführlich auseinandergesetzt haben. Insbesondere haben sich die Behörden mit dem -Vorbringen, was der Beschwerdeführer im Falle der Beiziehung eines Dolmetschers gegenüber der Erstbehörde angegeben hätte, ausführlich auseinandergesetzt. Die hiezu im Verwaltungsverfahren aufgestellten Behauptungen über die Übergabe der in Gablonz hergestellten kommerziellen Ware - die unmittelbar an den Beschwerdeführer fakturiert worden ist - in einem Hotel in Budweis und die Weiterleitung der Ware nur nach Dolny Dvoriste durch den zu diesem Zweck extra aus Venedig angereisten Beschwerdeführer widersprechen jeglicher Lebenserfahrung. Mit dem Beschwerdevorbringen hat der Beschwerdeführer in keiner Weise dargetan, zu welchem anderen Bescheid die belangte Behörde hätte gelangen können, wenn der Vernehmung des Beschwerdeführers in Wullowitz ein Dolmetscher beigezogen worden wäre. Schon deswegen liegt eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 22. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002160215.X00

Im RIS seit

26.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten