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41/04 Sprengmittel Waffen Munition;Norm
WaffG 1996 §25 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des M in M, vertreten durch Kolarz & Donnerbauer, Rechtsanwaltspartnerschaft in 2000 Stockerau, Schießstattgasse 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Juni 2000, Zl. Wa-145/00, betreffend Entziehung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer der ihm am 10. März 1977 ausgestellte Waffenpass gemäß § 25 Abs. 3 iVm § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), entzogen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei als erwiesen anzunehmen, dass der Beschwerdeführer am 14. April 1999 in den Vormittagsstunden im Ortsgebiet von M. mit seinem Schrotgewehr einen fremden Hund erschossen habe. Der Beschwerdeführer sei nicht autorisiert gewesen, den Hund zu erschießen. Dieser Umstand könne auch nicht dadurch entschuldigt werden, dass der Hund in der vorhergehenden Nacht auf dem Anwesen des S. 20 Hühner gerissen habe. Zum Zeitpunkt des Erschießens habe (durch den Hund) für andere Personen oder Sachen konkret keine Gefahr bestanden, sodass auch nicht habe angenommen werden können, dass ähnliche "Angriffe" unmittelbar bevorstünden. Insbesondere sei keine Notwehr- oder Nothilfesituation gegeben gewesen. Es wäre für den Beschwerdeführer ein Leichtes gewesen, S. darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in M. keine Befugnis zur Ausübung der Jagd habe, und der Beschwerdeführer hätte S. an den Jagdausübungsberechtigten oder seine Jagdaufseher bzw. an die Organe der öffentlichen Sicherheit verweisen können. Zusätzlich sei als erwiesen anzunehmen, dass der Beschwerdeführer den Schuss aus dem am Straßenrand stehenden Fahrzeug durch das geöffnete Seitenfenster abgegeben habe, während sich am Beifahrersitz der S. befunden habe. Ein derartiges Verhalten stelle einen grob sorglosen Umgang mit Schusswaffen dar. Zum einen stelle schon das Herausschießen im Ortsgebiet auf einer öffentlichen Straße aus dem Seitenfenster eines geparkten Autos ein erheblich sorgloses Verhalten im Umgang mit Waffen dar, zum anderen sei dem Beschwerdeführer zusätzlich vorzuwerfen, dass er unmittelbar neben dem Körper des S. den Schuss aus dem Fahrzeug abgefeuert habe. Wie auch der Gutachter der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich in seinem Gutachten vom 8. Februar 2000 festgestellt habe, stelle die Schussabgabe vom Fahrersitz eines Kfz durch das geöffnete Fenster vorne am Beifahrer vorbei immer ein erhöhtes Gefahrenpotential (Restrisiko) dar. Insbesondere bei technischen Gebrechen der Waffe könne es hiebei zu schwersten Verletzungen des Beifahrers kommen. Weiters sei dem Beschwerdeführer vorzuwerfen, dass er die Schussabgabe entlang des Zaunes der Liegenschaft des Einfamilienhauses C. in Richtung eines Obstgartens abgegeben habe. Zwar habe im Zuge der Rekonstruktion des Vorfalles nicht erwiesen werden können, dass die Schussabgabe direkt Richtung Haus oder anderer gefährdeter Objekte bzw. Personen erfolgt sei, doch stelle eine Schussabgabe entlang einer bewohnten Liegenschaft in unmittelbarer Nähe mit einem Schrotgewehr einen weiteren Nachweis für den sorglosen Umgang mit Waffen dar. Insbesondere infolge der Schusshaltung des Beschwerdeführers im Auto könne diesbezüglich ein Fehlschuss und eine Beschädigung von Sachen oder Personen, die der Beschwerdeführer allenfalls nicht habe sehen können, nicht ausgeschlossen werden. Auch wenn zum damaligen Zeitpunkt keine Personen im Gefährdungsbereich anwesend gewesen seien, sei eine derartige Schussabgabe in der Nähe der Liegenschaft nicht erforderlich gewesen, weil keine unmittelbaren Gefahren vom Hund ausgegangen seien. Aus der Gesamtbetrachtung des vorliegenden Falles ergebe sich daher, dass die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG nicht mehr gegeben sei. Auch die vom Beschwerdeführer vorgebrachte 22-jährige waffenrechtliche Unbescholtenheit könne nichts an den Schlussfolgerungen ändern, weil dieser eine Fall in seiner Gesamtheit für die waffenrechtliche Beurteilung der Verlässlichkeit des Beschwerdeführers ausreiche.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die §§ 8 Abs. 1 und 25 Abs. 3 WaffG lauten (auszugsweise):
"§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er
1.
Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2.
mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;
...
§ 25. ...
(3) Ergibt sich, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist, so hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen."
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die Tötung eines frei herumlaufenden und nicht bloß kurzfristig entlaufenen, "erkennbar" herrenlosen Hundes, welcher im konkreten Fall eine Gefahr für Personen und Sachen dargestellt und unmittelbar zuvor sogar eine beträchtliche Anzahl von Hühnern gerissen und darüber hinaus auch eine konkrete Gefahr für den Beschwerdeführer und S. bedeutet habe, stelle weder eine missbräuchliche noch eine leichtfertige Verwendung einer Schusswaffe dar. Es sei insbesondere auch zu beachten gewesen, dass der verfahrensgegenständliche Waffengebrauch nur auf ausdrückliches mehrmaliges Ersuchen des S., der "völlig zu Recht" weitere Schädigungen seines Tierbestandes und sogar die Gefährdung von Personen befürchtet habe, erfolgt sei. Beim Waffengebrauch des Beschwerdeführers seien überdies weder tatsächliche bzw. konkrete, noch (überhaupt) mögliche Gefährdungen von Personen und Sachen "eruierbar" gewesen, sodass schon der isoliert zu betrachtende Vorfall vom 14. April 1999 keinen unvorsichtigen Umgang oder aber eine leichtfertige bzw. missbräuchliche Verwendung einer Waffe im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG zu begründen vermöge. Umso weniger könne - in Stellung einer Verhaltensprognose - auf künftigen unvorsichtigen Umgang des Beschwerdeführers mit Waffen geschlossen werden. Zusätzlich wäre auch seine bisher 22-jährige Unbescholtenheit zu berücksichtigen gewesen.
Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Wertung einer Person als "verlässlich" im Sinne des Waffengesetzes ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen, weil der Begriff der Verlässlichkeit den Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person können demnach die Folgerung rechtfertigen, dass die vom Waffengesetz geforderte Verlässlichkeit nicht gewährleistet ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1998, Zl. 98/20/0287, vom 29. Oktober 1998, Zl. 98/20/0308, und vom 27. September 2001, Zl. 2000/20/0119, mwN.).
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes bei der Prüfung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. dazu etwa die Nachweise bei Hauer/Keplinger, Waffengesetz 1996 (1997), S. 41f sowie die zuvor genannten hg. Erkenntnisse). Die solcherart anzustellende Verhaltensprognose kann dabei bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalles wegen besonderer Umstände den Schluss rechtfertigen, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine hinreichende Gewähr mehr, dass er von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde (vgl. dazu z.B. das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 27. September 2001).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde unter Beachtung dieser Grundsätze auf die konkrete Verhaltensweise des Beschwerdeführers Bedacht genommen und ihrer gemäß § 8 Abs. 1 WaffG anzustellenden Verhaltensprognose konkrete Feststellungen zu Grunde gelegt, die auch einen entsprechenden waffenrechtlichen Bezug haben. Das Erschießen eines Hundes, von dem unmittelbar keine Gefahr ausgeht, ohne Befugnis ist als missbräuchliche Verwendung einer Waffe anzusehen (vgl. dazu das zu § 12 WaffG ergangene hg. Erkenntnis vom 12. September 2002, Zl. 99/20/0209). Die Schussabgabe aus einem geparkten Auto vom Fahrersitz aus unmittelbar vorbei am Beifahrer in die Richtung entlang einer bewohnten Liegenschaft stellt eine zumindest unvorsichtige Verwendung einer Waffe dar. Jedenfalls auf Grund der sowohl missbräuchlichen als auch unvorsichtigen Verwendung konnte die belangte Behörde zu dem Schluss gelangen, dass auch in Hinkunft zu befürchten sei, dass der Beschwerdeführer Waffen leichtfertig verwenden oder mit diesen unvorsichtig umgehen werde.
Schließlich hat die belangte Behörde auch zutreffend darauf hingewiesen, dass ungeachtet der vom Beschwerdeführer vorgebrachten 22-jährigen Unbescholtenheit mit der Entziehung einer waffenrechtlichen Urkunde auch dann vorzugehen ist, wenn ein nur ein Mal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, dass die waffenrechtliche Verlässlichkeit nicht mehr gegeben ist (vgl. z.B. das bereits mehrfach genannte hg. Erkenntnis vom 27. September 2001).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 22. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000200335.X00Im RIS seit
08.07.2003