TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/22 2000/20/0373

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Veröffentlicht am 22.05.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des 1979 geborenen S in W, vertreten durch Mag. Dr. Georg Vetter, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Landesgerichtsstraße 7, gegen den am 27. Juni 2000 mündlich verkündeten und am 5. Juli 2000 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 211.676/4- II/04/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der am 23. Jänner 1999 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsbürgers, gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG seine (insbesondere) Abschiebung nach Indien für zulässig erklärt. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften begründete die belangte Behörde diesen Bescheid wie folgt:

"Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist zunächst die Frage, ob es zum Zeitpunkt dieser Entscheidung genügend 'glaubhaft' im Sinne des § 7 AsylG sei, dass dem Berufungswerber im Falle seiner Rückkehr nach Indien dort überall 'Verfolgung' aus zumindest einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe - in unzumutbarer Intensität - drohe und - lediglich im Falle der Verneinung dieser Frage - weiters, ob sonst genügend 'stichhältige Gründe' für eine Bedrohung in Indien iSd § 57 Abs 1 oder Abs 2 FrG vorliegen.

Im gegenständlichen Fall hat der Berufungswerber im Wesentlichen stets gleich lautend angegeben, zu befürchten, von 'der Polizei' in Zusammenhang mit Tätigkeiten seines Bruders (befragt, geschlagen und) verhaftet zu werden, wobei der Berufungswerber diese Tätigkeiten - in Nuancen unterschiedlich - in der Berufungsverhandlung als 'illegale Geschäfte (... Raub oder Mord)', im Verfahren vor dem Bundesasylamt als Tötung einiger Polizisten im Rahmen einer 'gegen die Polizei' eingestellten 'Organisation' (deren Name dem Berufungswerber nicht bekannt sei, von deren Mitgliedern er aber wisse, dass diese beabsichtigen, 'die Polizisten, welche korrupt sind' zu 'vernichten') und in der Berufung als 'politische Tätigkeit' als 'Mitglied einer Organisation ... die gegen Korruption bei der Polizei arbeitete' umschrieb. Dieses Vorbringen entbehrt freilich, selbst für den Fall seines Zutreffens, der Aktualität.

Denn auch in diesem Verfahren hat der Sachverständige neuerlich (vgl. bereits UBAS, jeweils vom 16.5.2000, Zl 213.605/9- II/04/00, Zl 215.494/10-II/04/00; Zl 205.009/4-II/04/00) ausgeführt, dass 'Personen, für die nur lockerer Kontakt zu militanten Gruppierungen angenommen wird, z.B. Familienangehörige ... auch in ihrer engeren Heimat deswegen ('von staatlichen Behörden') nicht (mehr) verfolgt' werden.

Damit ist aber für den unabhängigen Bundesasylsenat - der diese sachverständigen Ausführungen dieser Entscheidung (weiterhin) als nachvollziehbar und schlüssig zu Grunde legt, zumal ihnen auch seitens des Berufungswerbers dieses Verfahrens nicht entgegengetreten wurde - die in diesem Verfahren (einzig) geltend gemachte Verfolgung durch staatliche Organe jedenfalls pro futuro, d.h. gerechnet vom Zeitpunkt dieser Entscheidung, nachhaltig unwahrscheinlich, was spruchgemäß zur Bestätigung der vom Bundesasylamt in erster Instanz getroffenen Entscheidung: der ausgesprochenen Abweisung des Asylantrages wie der Versagung von Refoulementschutz - zu führen hatte; letzteres selbst unter Einbeziehung der im Anwendungsbereich des § 8 AsylG der Beurteilung zu Grunde zu legenden (vgl. UBAS vom 16.5. 2000, Zl. 215.494/10-II/04/00) Übergabe an irgendwelche, von ihm selbst bestimmbare (Grenz-)Behörden seines Herkunftsstaates, da der Berufungswerber ja von diesen sämtlich keine Verfolgung zu befürchten hätte."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Frage der Glaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Asylgründe - anders als die Erstbehörde, die diese für "wahr" hielt - offen gelassen und - auch im Gegensatz zur Erstbehörde - nicht versucht, die Abweisung des Asylantrages damit zu begründen, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers aus rechtlichen Überlegungen keine Asylrelevanz zukomme. Vielmehr wurde der angefochtene Bescheid nur mit der auf die Ausführungen des Sachverständigen gestützten Annahme begründet, dass "Personen, für die nur lockerer Kontakt zu militanten Gruppierungen angenommen wird, z.B. Familienangehörige, auch in ihrer engeren Heimat deswegen (von staatlichen Behörden) nicht (mehr) verfolgt werden", und deshalb die behauptete Verfolgungsgefahr "jedenfalls pro futuro nachhaltig unwahrscheinlich" sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2000/20/0354, mit diesen Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 2. Mai 2000, auf das der im vorliegenden Berufungsverfahren beigezogene selbe Sachverständige verwies, näher auseinander gesetzt. In diesem Erkenntnis wurde die Schlüssigkeit dieser Annahme im Hinblick auf einen vom Sachverständigen selbst herangezogenen Bericht über das Verfolgungsrisiko betreffend Verwandte und Unterstützer von "militants" als erschüttert angesehen und demzufolge die im Wesentlichen nur auf diese Annahme gestützte Begründung der Abweisung des Asylantrages (eines - nach seinen Angaben - Sohnes eines "Sikh-Extremisten") für nicht ausreichend befunden.

Da der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren seinem Vorbringen zufolge der Bruder eines militanten Oppositionellen ist und er deshalb einem maßgeblichen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sein soll, war auch der vorliegende Berufungsbescheid aus den in diesem Erkenntnis angeführten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 22. Mai 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000200373.X00

Im RIS seit

03.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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