TE Vfgh Beschluss 2000/3/8 G10/00

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Veröffentlicht am 08.03.2000
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ASVG §253b Abs1 Z2 idF Art34 Z92 StrukturanpassungsG 1996
ASVG §227 Abs1 Z8
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des ASVG über die Voraussetzungen zur Erlangung einer vorzeitigen Alterspension mangels Darlegung von Bedenken

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit Schriftsatz vom 24.1.2000 stellt der Einschreiter den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "die gesamte Ziff. 92 des Art34 Strukturanpassungsgesetz 1996, in eventu Ziff. 2 des §253b Abs1 ASVG in der Fassung der vorgenannten Bestimmung", "in Verbindung mit einer Entscheidung gemäss einer der beiden vorstehenden Punkte die Aufhebung des §563 Abs10 ASVG zur Gänze oder mindestens im Ausmass des Ausdruckes '253b Abs1 Z2 lita und'" als verfassungswidrig aufheben, sowie aussprechen, daß "die frühere Fassung der Ziff. 2 des §253b Abs1 ASVG wieder in Kraft" trete. Die argumentativ zT schwer nachvollziehbare Begründung läßt sich dahin zusammenfassen, daß der Antragsteller die genannten Gesetzesstellen, soweit sie für den Anspruch auf eine vorzeitige Alterspension entweder 450 Versicherungsmonate (gegenüber 420 bis zum Inkrafttreten des Strukturanpassungsgesetzes 1996) oder 420 Beitragsmonate der Pflichtversicherung als Erfordernis normieren, deshalb für gleichheitswidrig hält, weil die Berücksichtigung des Präsenzdienstes bloß als Ersatzzeit (und nicht als Beitragszeit) die Erfüllung der zweitgenannten Wartezeit in unsachlicher Weise erschwere.

2. Zur Antragslegitimation wird vorgebracht, daß der Antragsteller (Hauptmann des österr. Bundesheeres) den Grundwehrdienst als Präsenzdiener absolviert habe; darüber hinaus sei er auch Zeitsoldat mit Anspruch auf berufliche Weiterbildung gewesen und habe dadurch im Sinne der §§224 ff. ASVG Beitragszeiten erworben. Daher käme ihm die Anwartschaft auf Pensionsleistungen nach dem ASVG zu, sobald die weiteren Voraussetzungen erfüllt wären. Es gehe dem Antragsteller um die Klärung der Wirkung seiner Präsenzdienstzeit für die ASVG-Pensionsversicherung, da dafür bis zum Eintritt des Pensionsfalles keinerlei Verfahren vorgesehen sei. Eine allfällige Feststellungsentscheidung zusätzlich zu den völlig eindeutig und unbestritten feststehenden Gegebenheiten tatsächlicher und rechtlicher Art könne keine weitere Klarheit verschaffen; selbst wenn eine derartige Verfahrensdurchführung denkbar wäre, wäre sie zwecklos und unzumutbar, da der Antragsteller bis zum tatsächlichen Eintritt des Pensionierungsfalles bzw. eines dann zu führenden Verfahrens im Ungewissen bliebe. Aufgrund seines Anwartschaftrechtes sei er durch die "inkriminierte Gesetzesnovelle" negativ betroffen.

3. §253b ASVG idF BGBl. Nr. 201/1996 lautet auszugsweise:

"§253b. (1) Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hat der Versicherte nach Vollendung des 60. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres, wenn

1. die Wartezeit (§236) erfüllt ist,

2. a) am Stichtag 450 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate oder

b) 420 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung erworben sind,

3. ... "

4. Der Antrag ist unzulässig.

4.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, VfGH 14.6.1994, V84/93).

4.2. Es kann die Frage auf sich beruhen, ob die mit dem Antrag angegriffenen Bestimmungen über die Voraussetzungen zur Erlangung einer vorzeitigen Alterspension überhaupt, bzw ob sie für Personen, die zwar über Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung, noch nicht aber über die erforderliche Anzahl verfügen, eine Rechtssphäre im genannten Sinn schafft, in welcher der Antragsteller betroffen sein könnte, wenn man berücksichtigt, daß gem. §223 Abs2 ASVG Stichtag für die Feststellung, ob, in welchem Zweige der Pensionsversicherung und in welchem Ausmaße eine Leistung gebührt, der Eintritt des Versicherungsfalls ist, sofern dieser auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Eintritt des Versicherungsfalles folgende Monatserste ist.

Der Antragsteller hat es nämlich unterlassen, Bedenken gegen die angegriffene Norm darzulegen. Er attestiert der (die Anspruchsvoraussetzungen verschärfenden) Regelung des Strukturanpassungsgesetzes 1996 über die Wartezeit für die vorzeitige Alterspension vielmehr, daß "von einem reinen Versicherungsprinzip her ...die Schlechterstellung der Personen mit Ersatzzeiten als sachkonform angesehen werden" könnte.

Die weiteren Ausführungen des Antrages legen ausschließlich und in aller Ausführlichkeit die Gründe dar, aus denen es der Antragsteller für gleichheitswidrig hält, den Präsenzdienst - anders als den Dienst als Zeitsoldaten - bloß als Ersatzzeit anzurechnen. Das Erfordernis der Gleichbehandlung der Präsenzdienstzeiten mit Beitragszeiten sucht der Antragsteller des weiteren dadurch darzutun, daß er auf die Unterschiede zwischen dem Präsenzdienst und anderen Ersatzzeitentatbeständen hinweist. Der Antrag legt in diesem Zusammenhang aber weder dar, daß die damit kritisierte Regelung des §227 Abs1 Z8 ASVG im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes direkt, aktuell und unmittelbar in seine Rechtssphäre eingriffe, noch beantragt er deren Aufhebung. Bedenken gegen die Bestimmung des §253b ASVG werden damit jedenfalls nicht aufgezeigt.

Der Antrag erweist sich sohin schon aus diesem Grunde als unzulässig und war daher zurückzuweisen.

Dies konnte gem. §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Sozialversicherung, Pensionsversicherung, Leistungsvoraussetzungen, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Bedenken, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G10.2000

Dokumentnummer

JFT_09999692_00G00010_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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