TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/23 2002/11/0205

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.05.2003
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §52;
AVG §53 Abs1;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §1a;
ImpfSchG §1b Abs1;
ImpfSchG §1b Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in E, vertreten durch Mag. Thomas Kralik, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Werdertorgasse 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 30. Juli 2002, Zl. 140.267/6-5/02, betreffend Entschädigung nach dem Impfschadengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0263, verwiesen, mit welchem der Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 31. August 2000 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde. Mit dem genannten Bescheid hatte der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen als Berufungsbehörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 13. März 1997 auf Gewährung einer "Impfschadenrente" als unbegründet abgewiesen. Zusammengefasst führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis aus, zur Klärung der auf fachkundiger Ebene vom medizinischen Sachverständigen zu lösenden Fragen bedürfe es noch der Feststellung der Krankheitsvorgeschichte des Beschwerdeführers, insofern diese strittig ist.

Die belangte Behörde ergänzte im fortgesetzten Verfahren das Beweisverfahren durch Einvernahme der Eltern des Beschwerdeführers, der Zeugin R. N. und des behandelnden Arztes Dr. K. und beauftragte sodann die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Auftragsgemäß hatte die Sachverständige "von nachstehendem Sachverhalt auszugehen":

"Der Gesundheitszustand von (Beschwerdeführer) nach der Impfung am 28. 1. 1983 war vorerst unauffällig und ohne Fieber.

Etwa zwei Wochen nach der Impfung bzw. Mitte Februar 1983 hat (Beschwerdeführer) hoch zu fiebern begonnen. Das Fieber erreichte 39 bis 41 Grad. Das Fieber hat etwa drei Wochen angehalten, war ca. zwei Wochen hoch und ist erst in der dritten Woche heruntergegangen. Während des Fiebers lag (Beschwerdeführer) ganz ruhig, war apathisch bzw. "ganz weg", hat sich nicht bewegt und war hoch rot (Gesicht). Er hat auf Ansprechen nicht reagiert, hingegen aber schon auf Berühren. An ein Verkrampfen im Sinne eines Zusammenziehens besteht keine Erinnerung. Ebenso ist nicht erinnerlich, ob (Beschwerdeführer) während des Fiebers erbrochen hat. Die fiebrige Erkrankung wurde zwei Wochen lang vom Hausarzt medikamentös (Antibiotika) behandelt, es kam zum Abfiebern. Im Gegensatz zum ruhigen Verhalten vor der Impfung war (Beschwerdeführer) nach dem Fieber sehr unruhig und hat sich außergewöhnlich viel bewegt. Er hat dann auch zu sprechen aufgehört. Ein weiteres Fieber Ende April/Anfang Mai 1983 wird bereits von Dr. W. beschrieben, bei dem (Beschwerdeführer) am 11. 5. 1983 und am 1. 6. 1984 in Behandlung (Diagnosen vgl. Abl. 45, 71) stand. Die weitere gesundheitliche Entwicklung von (Beschwerdeführer) ergibt sich aus den aktenkundigen Unterlagen.

…"

In ihrem Gutachten vom 22. Oktober 2001 führte die Sachverständige aus:

"…

Derzeitige Beschwerden: Das Lesen wurde nicht erlernt, Schreiben erschwert, nur der Name kann geschrieben werden, sowie einzelne Wörter, einfaches Rechnen ist nicht möglich. Er habe kaum Insuffizienzgefühle, korrigiert kaum die gemachten Fehler, agiere selbstsicher, unkritisch. Er spielt fallweise auch am Computer. Bevorzugt wird aber Sport betrieben, Schwimmen; es bestehen soziale Kontakte zu Freunden. Pflegeaufwand: Hilfestellung beim Anziehen. Essen ist allein möglich nach Schneiden von Fleisch; WC kann allein erledigt werden, die Schule wurde mit dem Taxi erreicht mit Abholung, derzeit wohnt der AW in einer Wohngemeinschaft, (betreutes Wohnheim) und arbeitet in der Gärtnerei einer "geschützte Werkstätte".

Neuropsychiatrischer Status: Sprache teilweise kaum verständlich, Agrammatismus, Verschlucken von Silben, tw. Stammeln, Neologismen, einfache verbale Aufforderungen werden teilweise nicht richtig verstanden. Ductus inkohaerent, deutlich reduzierte Kritikfähigkeit, tw. läppisch, Auffassung stark vermindert, antwortet nicht adaequat auf Fragen, Danebenreden, wiederholt auf Schmerzen an einer Zehe hinweisend, erschwert davon abzulenken, kann nicht angeben wo er sich befindet und welche Jahreszeit ist, der eigene Name wird richtig angegeben. Ein vollständiger Satz kann nicht geschrieben werden, einzelne Wörter gelingen richtig, Lesen gelingt nur teilweise, Sinnerkennung nicht möglich. Rechnen gelingt nicht (10 minus 5 ? ‚eins')

Im neurologischen Status besteht eine minimale zentrale Facialisparese rechts, eine unauffällige Optomotorik und Pupillomotorik, die unt. HN sind unauffällig. An den Extremitäten besteht ein unauffälliger Muskeltonus bei adaequater Trophik. Sensibilität soweit beurteilbar unauffällig. Die Muskelreflexe sind rechts abgeschwächt, die Feinmotorik ist rechts mehr als links gering verlangsamt, dennoch Rechtshänder, keine Ataxie, kein Tremor. Das Aufsetzen und Sitzen ist unauffällig, Gang und Stand unauffällig, Einbeinhüpfen symmetrisch unbehindert, keine Ataxie oder Standunsicherheit, keine pos. Pyramidenzeichen.

Neurologische Stellungnahme:

Aus den bisherigen, ausführlichen Begutachtungen und Stellungnahmen, sowie aus der Befragung des Betroffenen, seiner Mutter und der klinischen Untersuchung geht hervor, dass folgende Fragen vakant sind:

1.

Das zeitliche Auftreten der ersten Fiebersymptome (Beginn)

2.

Die zusätzliche Symptomatik während der Fieberschübe

3.

Die Folgeschäden

ad 1)

Bei der h.o. Begutachtung am 22. 10. 2001 wird von der Mutter ein Intervall von 2 Wochen zwischen Impfung und erstem Fieberschub angegeben (Impfung am 28. 1. 1983, Beginn des Fiebers zwei Wochen danach, im Februar 1983). Diese Angabe wird von der Mutter erinnert, kann aber offensichtlich laut Aktenlage ursprünglich nicht bewiesen werden, da der praktische Arzt (AB 44) schriftlich angibt erst ab Anfang April 1983 drei mal eine Penizillinbehandlung durchgeführt zu haben. Ende April 1983 erfolgte dann eine Überweisung zum Kinderfacharzt (siehe AB44; ‚Abgang' 20. 4. 1983).

In einer späteren mündlichen Zeugenaussage am 11. 7. 2001 gibt der praktische Arzt Dr. K. an, das fiebernde Kind schon im Februar 1983 ca. 2 Wochen lang antibiotisch behandelt zu haben, (‚Nach Antibiotikagabe fieberte das Kind ab'), wobei ihm nicht mehr erinnerlich ist in welchem genauen zeitlichen Abstand nach der Impfung das Fieber aufgetreten war.

Damit hängt die entscheidende Frage des Beginns des Fiebers von den Aussagen der Zeugin und den Eltern des Kindes und der mündlichen Aussage des praktischen Arztes ab. Die Aussagen der Eltern divergieren teilweise, wie es bereits in AB 82-84 ausführlich dargestellt wird. Zuletzt gibt die Mutter am 22. 10. 2001 bei der Begutachtung ho. ‚2 Wochen nach der Impfung' an.

Ad 2)

Als Begleitsymptomatik wird ‚Nicht Reagieren auf Ansprechen, jedoch Reagieren auf Berührung' von den Eltern angegeben. Zusätzlich findet sich (auf AB 71) die Aussage des Kinderarztes, dass das Kind nach Angabe der Eltern ‚schwerkrank, hochrot, anscheinend mit Ausschlag und Lichtscheu in abgedunkeltem Zimmer' lag.

Dazu ist festzuhalten, dass bei hohem Fieber eine Rötung der Haut in jedem Fall zu erwarten ist. Ebenso ist bei hoch fiebernden Kindern eine Apathie möglich, was durch das Fieber und den zusätzlichen Flüssigkeitsverlust zu erklären ist. Weitere Angaben, die auf das Bestehen einer Encephalitis (siehe Fußnote 1) zu diesem Zeitpunkt sprechen, wurden nicht gemacht. Es wurden keine epileptischen Anfälle beobachtet, der praktische Arzt stellte keine Nackensteifigkeit fest (bzw. wurde bisher keine solche angegeben), es wurde kein Koma festgestellt, kein auffallendes Erbrechen, keine Lähmungen. Zur Angabe eines Ausschlages wurden ebenfalls divergierende Aussagen gemacht, zudem ist ein Ausschlag oder eine Hautrötung kein wesentliches Symptom, das eine Encephalitis beweisen könnte. Es wurde antibiotische Therapie verabreicht, was zu einem Abklingen des Fiebers führte (AB 45 und mündliche Aussage Dr. K.).

Damit sind die Symptome (Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen, Nackensteifigkeit, epileptische Krämpfe, Bewusstlosigkeit, Lähmungen), die bei einer Encephalitis auftreten können, nicht in typischer Weise geschildert worden. Lediglich unspezifische Symptome wie sie bei hohem Fieber bei Kindern auftreten können wurden genannt. Dass eine antibiotische Therapie das Fieber senkte spricht eher für eine bakterielle Erkrankung als für eine virale oder postvaccinale Ursache des Fiebers. Es kann sich allerdings auch um einen Zufall gehandelt haben, dass sich eine vorübergehende Besserung nach Penizillingabe einstellte.

Das Vorliegen einer Encephalitis kann daher nur als möglich angenommen werden, jedenfalls lagen keine zwingenden Symptome vor, die das Bestehen einer typischen Encephalitis nahe legen. Allein aus dem hohen Fieber und einer nachfolgend bemerkten Verhaltensauffälligkeit ist keine Wahrscheinlichkeit einer Encephalitis abzuleiten. Eine Sprachstörung und eine Verhaltensauffälligkeit wurde von den Eltern nach dem ersten Fieber festgestellt, ebenso stellte der Kinderarzt bereits eine verzögerte Sprachentwicklung ab Anfang Mai 1983 fest. Vor dem Fieber wurde von den Eltern keine Entwicklungsstörung bemerkt, auch kein auffallender ärztlicher Befund liegt davon vor.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass eine Entwicklungsverzögerung vor dem Fieber nicht bemerkt wurde, da es sich vor allem um eine Sprachentwicklungsstörung und Verhaltensauffälligkeit handelte, die im Lebensalter ab dem

21. bis. 24 Monat in vielen Fällen erstmals klinisch auffallen wird.

Ein Zusammenhang der Entwicklungsverzögerung mit dem Fieber ist damit zwar möglich, aber nicht als wahrscheinlich zu betrachten.

Ad 3)

Es besteht zum Untersuchungszeitpunkt eine mittelgradige geistige Behinderung des jungen Mannes. Im Vordergrund stehen die Minderung der intellektuellen Leistungsfähigkeit und die Sprachstörung. Eine Beeinträchtigung der Feinmotorik fällt zudem auf, die Hyperaktivität tritt klinisch zum Untersuchungszeitpunkt in den Hintergrund.

Eine Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen ist klinisch offensichtlich und auch ausreichend in den diversen ärztlichen und psychologischen Befunden nachvollziehbar.

Es ergibt sich daraus folgende nicht kausale Diagnose:

1. Minderbegabung mittleren Grades

mit Sprachentwicklungsstörung und

Hyperaktivitätssyndrom

Zusammenfassung:

Aus den vorliegenden Fakten (Punkt 1 - 3) ist aus neurologischer Sicht ein kausaler Zusammenhang nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen."

Über Auftrag der belangten Behörde wurde dieses Gutachten am 29. November 2001 wie folgt ergänzt:

"Stellungnahme zum Gutachten Dr. G. AB 62f, 82f:

Die ausführliche Bezugnahme auf statistische Fakten und klinische Darstellung von postvaccinalen Impfkomplikationen ist sehr detailliert und schlüssig beschrieben. Auch wenn in späterer Folge der Impftermin und der Termin der ersten Symptome noch diskutiert wird, ist die Aussage und Schlussfolgerung bezüglich der klinischen Symptomatik (AB66) eindeutig in Punkt 2) festgehalten. Eine Encephalitis wird damit in Zweifel gezogen, da keine typische Encephalitissymptomatik beobachtet wurde.

Trotz des Fehlens einer solchen Encephalitissymptomatik wird darüber hinaus weiter Stellung genommen, welche Fakten zusätzlich noch gegen einen Kausalzusammenhang sprechen. Diese Ausführung erfolgt in Bezugnahme auf die Forderung des Centers for Disease Control (USA) (AB65 unten), dass nämlich eine andere wahrscheinlichere Ätiologie fehlt. Dieser Umstand besteht nicht. In Punkt 3) wird darauf hingewiesen, dass eine Enterovirenerkrankung wesentlich eher angenommen werden kann, als eine postvaccinale Erkrankung.

Das Gutachten ist in wesentlichen Punkten als sehr ausführlich und sorgfältig, sowie medizinisch schlüssig zu betrachten.

Stellungnahme zum Gutachten Dr. W. AB115f, 142f:

Auch hier wird das Fehlen einer typischen Encephalitissymptomatik festgestellt. Es wird ausdrücklich Bezug genommen auf die neurologische Entwicklung des Betroffenen. Als besondere Auffälligkeit wird die Diskrepanz des Schweregrades der Behinderung im Vorschulalter, bzw. zum Schuleintritt und im späteren Schulalter (AB121) besprochen. Dass bereits im Kleinkindesalter eine Sprachentwicklungsstörung und (eine) Verhaltensauffälligkeiten vorlagen, ist in verschiedenen Befunden dokumentiert (AB32, AB47, AB45).

Zu den Ausführungen dieses Gutachtens ist zu bemerken, dass eine Zu- oder Abnahme des Behinderungsgrades im Lauf des bisherigen Lebens des Betroffenen nicht ausreichend dokumentiert ist und darüber hinaus eine objektive Quantifizierung nur aus der Anamnese und den Befunden kaum möglich ist.

Stellungnahme zum Privat-Gutachten Dr. B AB 151f:

Es werden die vorliegenden ärztlichen, psychologischen und div. gutachterlichen Stellungnahmen zitiert und insbesondere durch Screeningbefunde ergänzt. In AB 150 weist er darauf hin, dass:

…'Befunde erhoben wurden, die an sich unspezifisch sind, jedoch prinzipiell mit den Folgen einer durchgemachten Encephalitis vereinbar sind, ohne diese belegen zu können.' Vorangehend wird erwähnt:…'es tritt (zumindest) ein Symptom auf, das für eine Beteiligung des zentralen Nervensystems an der Erkrankung spricht (Apathie).' Dabei bezieht er sich auf die Angaben der Eltern. Seiner Ansicht nach wies die Symptomatik ‚ausreichende Ähnlichkeit in abgeschwächter Form mit der Komplikation nach Encephalitis nach Wildmaserninfektion' auf.

Er weist darauf hin, dass es bedauerlich ist, dass zu diesem Zeitpunkt auf eine diagnostische Klärung verzichtet wurde. Er bezweifelt, dass die Entscheidung des Praktischen Arztes, das Kind aufgrund des Fiebers nicht stationär aufnehmen zu lassen, richtig war.

Dem kann fachlicherseits entgegengestellt werden, dass in der Medizin der Vertrauensgrundsatz gilt, dass in allen medizinischen Bereichen lege artis vorgegangen wird. Aus diesem Grund kann angenommen werden, dass zum Zeitpunkt der Visite durch den praktisch Arzt weder klinisch noch durch die Befragung der Eltern ein Hinweis auf eine derart schwere Erkrankung vorlag, dass eine Encephalitis angenommen werden musste. Daraus abzuleiten, dass es sich um eine ‚abgeschwächte Form einer Encephalitis' handelt, ist spekulativ.

Stellungnahme zum Gutachten Dr. H. (AB 164):

Es wird Bezug genommen auf die Privat-Gutachten Dr. B und Dr. U. und den Befund von Dr. W. (Kinderarzt). Es wird festgehalten, dass ‚ein schweres Krankheitsbild' vorlag. Obwohl keine Krämpfe, keine Lähmungen, kein Koma bestand und der praktische Arzt keine stationäre Aufnahme veranlasste, wird dennoch auf Berufung der genannten Gutachten eine Encephalitis angenommen.

Dazu ist festzustellen, dass jedes hohe Fieber ein schweres Krankheitsbild darstellt, eine Rötung der Haut mit sich bringen kann, in weiterer Folge können durch den Flüssigkeitsverlust Kopfschmerzen und eine Lichtscheu, Unruhe und Verwirrtheit, ebenso auch eine Apathie auftreten. Durch diese Symptome kann nicht angenommen werden, dass es sich um eine Encephalitis handelt. Eine Encephalitis ist primär klinisch von einer fieberhaften Erkrankung zu unterscheiden durch das zusätzliche Auftreten neurologischer Herdsymptome (zB. Lähmungen) oder durch neurologische Allgemeinsymptome (zB. Epileptische Krämpfe und Koma).

Aus der Behinderung des Betroffenen rückzuschließen auf einen ursächlichen Zusammenhang mit einer ‚ausreichenden Ähnlichkeit in abgeschwächter Form mit der Komplikation einer Encephalitis nach Masernwildinfektion' (AB162, Dr. B.) ist nicht ausreichend zu beweisen.

Zusammenfassung:

Die Behinderung des Betroffenen kann daher nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit in kausalen

Zusammenhang

mit der Masern-Impfung gestellt werden."

Der Vertreter des Beschwerdeführers erstattete zu diesem Gutachten eine ausführliche Stellungnahme, in welcher die Schlüssigkeit des Gutachtens bekämpft wurde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundessozialamtes Wien Niederösterreich Burgenland vom 27. Februar 1998 betreffend die Abweisung der Gewährung einer Entschädigung nach dem Impfschadengesetz gemäß § 1b Abs. 1 bis 3 Impfschadengesetz gemäß § 66 Abs. 4 AVG neuerlich keine Folge gegeben. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass das Gutachten der Sachverständigen Dr. F sowie die hiezu abgegebenen Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes schlüssig und der Entscheidung zu Grunde gelegt worden seien. Wenngleich die Gesundheitsschädigungen innerhalb der in Betracht kommenden Inkubationszeit aufgetreten seien, müsse festgehalten werden, dass beim Beschwerdeführer keine zwingenden Symptome aufgetreten seien, die das Bestehen einer typischen Encephalitis nahe legten. Allein aus dem hohen Fieber und der in der Folge bemerkten Verhaltensauffälligkeit lasse sich keine Wahrscheinlichkeit einer Encephalitis ableiten. Eine Encephalitis sei nämlich primär klinisch von einer fieberhaften Erkrankung durch das zusätzliche Auftreten neurologischer Herdsymptome oder neurologischer Allgemeinsymptome zu unterscheiden. Die Voraussetzungen für die klinische Diagnose einer Impfencephalitis fehlten somit. Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass mangels einer entsprechenden neurologischen Symptomatik die am 28. Jänner 1983 verabreichte Masern-Mumpsimpfung an der eingetretenen Gesundheitsschädigung nicht wesentlich im Sinne der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung mitgewirkt habe.

Zu den Einwänden des Beschwerdeführervertreters in der Stellungnahme zum Sachverständigengutachten führte die belangte Behörde aus: Auf Grund der Beweisergebnisse sei davon auszugehen, dass ein auffallendes Erbrechen des Beschwerdeführers (in Folge der Impfung) nicht als gegeben angenommen werden könne. Die Sachverständige habe ausdrücklich auf die wissenschaftliche Begriffsbestimmung der postvaccinalen Encephalitis verwiesen. Die von der Sachverständigen angeführten Symptome seien wesentlich für die klinische Diagnose einer Impfencephalitis. Das beim Beschwerdeführer nach der Impfung festgestellte Fieber könne mangels zusätzlicher neurologischer Auffälligkeiten nicht als Symptom einer Encephalitis gewertet werden. Schon aus diesem Grund sei auch eine allfällige Beeinflussung des Fiebers durch eine medikamentöse Behandlung für die Kausalitätsbeurteilung nicht entscheidend. Insofern der Beschwerdeführer einwende, dass die Sachverständige nicht nachvollziehbar darlegen habe können, welche anderen Ursachen die Entwicklungsverzögerung beim Beschwerdeführer habe, und unbegründet geblieben sei, weshalb ein Zusammenhang der Entwicklungsverzögerung mit dem Fieber zwar möglich, aber nicht als wahrscheinlich zu betrachten sei, sei neuerlich darauf hinzuweisen, dass beim Beschwerdeführer keine zwingenden Symptome vorgelegen seien, die das Bestehen einer typischen Encephalitis nahe legen würden. Eine Entschädigung nach dem Impfschadengesetz erfordere den Nachweis eines kausalen Zusammenhanges mit der Impfung. Die Behörde sei nicht dazu verhalten, die Ursachen akausaler Gesundheitsschädigungen zu beurteilen. Im Hinweis der Sachverständigen, dass eine Entwicklungsverzögerung im Sinne einer Sprachentwicklungsstörung und Verhaltensauffälligkeit in vielen Fällen erstmals klinisch ab dem 21. und 24. Monat auffallend werde und diese daher möglicherweise auch im vorliegenden Fall vor dem Fieber nicht bemerkt worden wäre, könne weder eine unzulässige Beweiswürdigung noch eine reine Hypothese gesehen werden. Die Anamnesen des Privatgutachtens Dris. B aber auch des Gutachtens Dris. H. wichen in Teilbereichen erheblich vom festgestellten Sachverhalt ab. Im Privatgutachten Dris. B. werde davon ausgegangen, dass (zumindest) ein Symptom aufgetreten sei, das für eine Beteiligung des zentralen Nervensystems an der Erkrankung spräche (Apathie). Im (Ergänzungs-)Gutachten der Sachverständigen Dr. F. werde dazu schlüssig dargelegt, dass jedes hohe Fieber ein schweres Krankheitsbild darstelle und im Zuge dessen auch eine Apathie auftreten könne. Um eine Encephalitis annehmen zu können, müssten allerdings zusätzliche spezifische neurologische Symptome auftreten. Solche spezifischen neurologischen Symptome würden im Privatgutachen Dris. B aber nicht aufgezeigt. Die in diesem Gutachten als "möglich" (siehe Zusammenfassung auf S. 12 des Gutachtens) bezeichnete Anerkennung der geistigen Behinderung als Impfschaden reiche überdies für eine positive Beurteilung des Kausalzusammenhanges nach der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung nicht aus. Der praktische Arzt Dr. K. habe im Februar 1983 den Beschwerdeführer zwei Wochen lang (zwei bis drei Visiten) behandelt und die Erkrankung lediglich als fiebrige Erkrankung angesehen und Antibiotika verabreicht. Im Gutachten Dris. H. werde ein "schweres Krankheitsbild" und ein "zentralnervöses entzündliches Geschehen" geortet, aber nicht dargelegt, welche Symptome (unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Literatur) dem klinischen Bild einer Encephalitis entsprächen. Der Vorwurf, die Amtssachverständige Dr. F. habe als Neurologin und Psychiaterin nicht die erforderlichen Kenntnisse auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendneuropsychiatrie, sei nach Ansicht des Ärztlichen Dienstes der belangten Behörde nicht haltbar. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass im erstinstanzlichen Verfahren ein Kinderneuropsychiater beigezogen worden sei, der keine Encephalitissymptomatik habe feststellen können. Festzuhalten sei daher, dass von den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes angeführten drei Kriterien die Inkubationszeit "stimmt", hingegen liege keine entsprechende Symptomatik vor. Aus diesem Grund sei daher auch das Fehlen einer anderen (wahrscheinlicheren) Erklärungsmöglichkeit der Ätiologie nicht zu prüfen. Diesbezüglich sei auf die Ausführungen von Dr. G. im Gutachten vom 10. August 1997 zu verweisen, wonach nur wenn alle drei genannten Punkte zutreffen, mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit ein Impfschaden angenommen werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gewährung einer Entschädigung nach dem Impfschadengesetz verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der für den Beschwerdefall maßgebende § 1b Impfschadengesetz lautet:

"§ 1b. (1) Der Bund hat ferner für Schäden nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Entschädigung zu leisten, die durch eine Impfung verursacht worden sind, die nach einer gemäß Abs. 2 erlassenen Verordnung zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen ist.

(2) Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz hat durch Verordnung jene Impfungen zu bezeichnen, die nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen sind.

(3) Nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes ist Entschädigung jedenfalls für Schäden zu leisten, die durch im jeweils ausgestellten Mutter-Kind-Paß genannte Impfungen verursacht worden sind."

Schon im Vorerkenntnis vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0263, hat der Verwaltungsgerichtshof näher begründet ausgeführt, dass die im Impfschadengesetz näher genannten Ersatzpflichten nur dann eintreten, wenn ein durch eine Impfung verursachter Schaden vorliegt. Die bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhanges genügt nicht, dieser muss vielmehr festgestellt werden (siehe dazu auch das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0245).

Die belangte Behörde hat nunmehr im zweiten Rechtsgang auf Grund des Sachverständigengutachtens der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. und der Stellungnahmen ihres ärztlichen Dienstes den beschriebenen Zusammenhang im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) verneint.

Der Beschwerdeführer rügt zunächst die Bestellung der Sachverständigen durch das Bundessozialamt als mangelhaft, weil dieses als bescheiderlassende Behörde in erster Instanz tätig geworden sei. Die Beauftragung eines Sachversständigen durch die erstinstanzliche Behörde im Auftrag der Berufungsbehörde sei ein Befangenheitsgrund gemäß § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG. Dieser Verfahrensmangel habe nicht früher geltend gemacht werden können, weil der Partei kein Ablehnungsrecht zustehe.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG haben sich Verwaltungsorgane im Berufungsverfahren der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides in unterer Instanz mitgewirkt haben.

Zutreffend führt der Beschwerdeführer aus, dass den Parteien des Verwaltungsverfahrens ein Recht auf Ablehnung von Amtspersonen nicht eingeräumt ist und sie die unzulässige Betätigung des ihrer Meinung nach befangenen Organs nur mit den gegen die Entscheidung (in der Sache) zugelassenen Rechtsmitteln als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend machen können (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), zu § 7 AVG, bei Punkt 3. Kein Ablehnungsrecht, E 17, referierte hg. Rechtsprechung). Im Beschwerdefall liegt jedoch die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vor, weil sich die Befangenheit eines behördlichen Organs im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG nur auf die zur Entscheidung berufenen Organwalter bezieht und nur die unmittelbare Mitwirkung dieser Organwalter an der Bescheiderlassung in unterer Instanz diesen Ausschließungsgrund begründet (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Anm. 13 zu § 7 AVG). Auch in dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis vom 18. Jänner 1993, Zl. 91/10/0259, hat der Verwaltungsgerichtshof an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass die Tatsache, dass derselbe Organwalter sowohl im erstinstanzlichen als auch im Berufungsverfahren die Ermittlungen als Hilfsorgan für die zur Entscheidung berufenen Organe durchführt, weder gegen § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG noch gegen sonstige Vorschriften - von der die Sachverständigen betreffenden Bestimmung des § 53 Abs. 1 AVG abgesehen - verstößt und unter Mitwirkung an der Erlassung eines Bescheides nur die Teilnahme an der Erzeugung des den förmlichen Verwaltungsakt darstellenden Spruches zu verstehen ist.

Der Beschwerdeführer meint, ein Verfahrensmangel liege deshalb vor, weil die belangte Behörde entgegen § 52 Abs. 1 AVG keinen Amtssachverständigen bestellt habe.

Gemäß § 52 Abs. 1 AVG sind zwar in dem Fall, dass die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig wird, grundsätzlich die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen. Mit Recht verweist jedoch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf, dass gemäß § 3 Abs. 2 Impfschadengesetz (nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 150/2002), u. a. auch § 86 Heeresversorgungsgesetz (HVG) sinngemäß anzuwenden ist. Abs. 1 der letztgenannten Bestimmung ordnet abweichend von § 52 AVG an:

"Soweit die Berechtigung von Versorgungsansprüchen von der Beantwortung von Vorfragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen Fachwissens fallen, sind die laut Verzeichnis des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen bestellten ärztlichen Sachverständigen zu befragen."

Es ist daher kein Verfahrensmangel darin begründet, dass die belangte Behörde keinen Amtssachverständigen gemäß § 52 Abs. 1 AVG im beschwerdegegenständlichen Verwaltungsverfahren beigezogen hat. Dass die bestellte Sachverständige Dr. F. eine laut Verzeichnis des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen bestellte ärztliche Sachverständige gemäß § 86 Abs. 1 HVG ist, wurde vom Beschwerdeführer nicht angezweifelt.

Der Beschwerdeführer verweist auf seine gegenüber der belangten Behörde zum Gutachten der Sachverständigen Dr. F. abgegebene Stellungnahme vom 23. Mai 2002, in welcher er bereits die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Kinder- und Jugendneuropsychiatrie deshalb beantragt habe, weil die von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige lediglich Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sei und offensichtlich nicht über ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet der Neuropsychiatrie des Kinder- und Jugendalters verfüge und nicht in der Lage gewesen sei, ein für die Lösung des Beschwerdefalles abschließendes Gutachten zu erstatten. Laut der Ausbildungsordnung für Ärzte gebe es zum Fachgebiet der Neurologie ein sogenanntes Additiv-Fach der Kinder- und Jugendneuropsychiatrie. Diese Ausbildung setze die Ausbildung zum Neurologen voraus, erfordere aber darüber hinaus eine Ausbildung in der Mindestdauer von zwei Jahren auf dem Gebiet der Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters und von einem Jahr auf dem Gebiet der Neurologie oder der Psychiatrie. Dieses Vorbringen erstattete der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Aussage der Sachverständigen Dr. F., dass die Symptome, die bei einer Encephalitis auftreten können, nicht in typischer Weise geschildert worden seien. Aus dem Wort "können" lasse sich ableiten, dass eben bei einer Encephalitis diese Symptome nicht zwingend auftreten müssten. Dies führe aber dazu, dass die Sachverständige weiter hätte klären müssen, warum die von ihr geforderten Symptome gerade in diesem Fall auftreten hätten müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich den Ausführungen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte im Beschwerdefall keine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie als Sachverständige beiziehen dürfen, weil es nach der Ausbildungsordnung für Ärzte auf dem Gebiet der Neurologie das Additiv-Fach der Kinder- und Jugendneuropsychiatrie mit einer für die im Beschwerdefall zu klärenden Fachfragen relevanten Zusatzausbildung gebe, nicht anzuschließen. Auch wenn das genannte Additiv-Fach einen erhöhten Ausbildungsstandard der Ärzte auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendneuropsychiatrie verschafft, kann - entgegen den Beschwerdebehauptungen - nicht von vorneherein davon ausgegangen werden, dass die Sachverständige Dr. F. mangels dieser Zusatzausbildung nicht über ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet der Neuropsychiatrie des Kinder- und Jugendalters verfügt, die sie daran gehindert hätten, ein für die Klärung der im Beschwerdefall zu lösenden Fachfragen abschließendes schlüssiges Gutachten zu erstatten. Zwar sehen die Ausbildungsordnungen der Österreichischen Ärztekammer für die Sonderfächer der Kinder- und Jugendheilkunde, der Neurologie und Psychiatrie jeweils das Zusatzfach Kinder- und Jugendneuropsychiatrie vor, das eine ergänzende spezielle Ausbildung in der Mindestdauer von zwei Jahren auf dem Gebiet der Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters und von einem Jahr auf dem Gebiet der Neurologie oder der Psychiatrie durch Vermittlung bestimmter Kenntnisse und Fertigkeiten auf dem Teilgebiet der Kinder- und Jugendneuropsychiatrie vorsieht, es kann jedoch deshalb nicht verallgemeinernd gesagt werden, dass ein Sachverständiger ohne die entsprechende Ausbildung in diesem Zusatzfach nicht auch über die für die Erstattung eines diesen Fachbereich abdeckenden Gutachtens erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt. In der Beschwerde wurde nicht näher begründet dargelegt, warum die Sachverständige Dr. F. im Beschwerdefall nicht geeignet gewesen sein sollte, ein entsprechendes medizinisches Gutachten zu erstellen.

Besondere Bedeutung kommt jedoch im Beschwerdefall der Tatsache zu, dass der behauptete Impfschaden auf Grund einer im Kindesalter verabreichten Impfung (hier: Kombinationsimpfung Mumps/Masern als Lebendimpfstoff) aufgetreten sein soll. Da neben dem Intervall zwischen Impfung und Beginn der fraglichen Komplikation (Inkubationszeit; das Auftreten der wesentlichen Symptome innerhalb dieser ist im Beschwerdefall im Hinblick auf die unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid als erwiesen anzusehen) für die Feststellung eines Impfschadens - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorerkenntnis bereits ausdrücklich ausgeführt hat - den aufgetretenen Symptomen nach der Impfung entscheidende Bedeutung zukommt, kann das erforderliche medizinische Sachverständigengutachten im Beschwerdefall nur dann schlüssig sein, wenn die beim Beschwerdeführer festgestellte Erkrankung im Hinblick auf die mit der verabreichten Impfung überhaupt in Verbindung zu bringenden Symptome hin ausreichend untersucht worden ist. Dem Gutachten der Sachverständigen Dr. F. liegt - wie auch den übrigen im Verwaltungsakt erliegenden medizinischen Sachverständigengutachten - offenbar die allgemein anerkannte Überlegung zu Grunde, dass die als Reaktionen auftretenden Symptome nach Lebendimpfungen sehr oft den Symptomen der Erkrankung selbst entsprechen (ausdrücklich weist darauf der Sachverständige der Behörde erster Instanz Univ. Prof Dr. G. in seinem Fachärztlichen Gutachten vom 10. August 1997, Seiten 3f. hin), weshalb im Beschwerdefall als Impfkomplikation von den Symptomen der Encephalitis (der Gutachter der Behörde erster Instanz Univ. Prof. Dr. G hat dies präzisiert mit "Bild einer Komplikation nach Wildvireninfektion") ausgegangen wurde. Als Symptome einer Encephalitis werden von der Sachverständigen Dr. F. "Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen, Nackensteifigkeit, epileptische Krämpfe, Bewusstlosigkeit, Lähmungen" genannt. Ob dies eine abschließende Aufzählung ist, kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht beurteilt werden. Offenbar handelt es sich hiebei um die häufigsten Symptome, wobei - wie auch in der Beschwerde gerügt - offen bleibt, ob sämtliche genannten Symptome jedenfalls vorliegen müssen. (Im Gutachten des Sachverständigen der Behörde erster Instanz Univ. Prof. Dr. G werden als wesentliche Symptome genannt:

"Erbrechen, Delir, Bewußtseinsstörung bis zum Koma, Krampfanfälle oder andere neurologische Zeichen". In diesem Gutachten wurde das Symptom "Lichtscheu" zwar für die Wildmaserninfektion, nicht jedoch für Impfmasern bestätigt. Ob diesem von den Zeugen als gegeben erwähnte Symptom im Beschwerdefall Relevanz zukommt hat die Sachverständige der belangten Behörde Dr. F. nicht näher erörtert.)

Dem Beschwerdevorbringen lässt sich - wie auch schon dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme zum Gutachten der Sachverständigen Dr. F. vom 27. Mai 2002 - die Behauptung entnehmen, die erwähnte Symptomatik verlaufe bei Kindern anders als bei Erwachsenen. Auch in der im Verwaltungsakt befindlichen, an den Vater des Beschwerdeführers gerichteten fachkundigen Stellungnahme des Facharztes Dr. U., Mobiler Beratungsdienst für Kinder und Jugendliche, vom 18. Februar 2002 lässt sich die Behauptung eines altersabhängigen Verlaufes des Krankheitsbildes einer Encephalitis erkennen.

Für die abschließende Beurteilung des Beschwerdefalles ist daher von entscheidender Bedeutung, ob das Krankheitsbild der Encephalitis bei Kindern anders verlaufen kann als bei Erwachsenen. Diese Problematik wurde im Gutachten der Sachverständigen Dr. F. nicht erörtert. Auch im Gutachten des von der Behörde erster Instanz beigezogenen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. G., Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, Facharzt für Kinder- und Jugendneuropsychiatrie, auf welches der Ärztliche Dienst der belangten Behörde in seiner Stellungnahme vom 19. Juli 2002 verweist, wird auf diese Fragestellung nicht näher eingegangen. Trifft es aber zu, dass das für die hier nach der erfolgten Impfung festgestellte Erkrankung maßgebliche Symptombild bei Kindern anders verläuft, kann auch die Bewertung der für die Feststellung eines Impfschadens erforderlichen Wahrscheinlichkeit der für die Erkrankung ursächlichen Bedingung eine Änderung zu Gunsten des geltend gemachten Anspruches des Beschwerdeführers erfahren.

Zur Klärung der als entscheidungswesentlich erkannten Frage, ob die nach einer Masern/Mumps-Impfung innerhalb der Inkubationszeit aufgetretenen - und im Beschwerdefall beim Beschwerdeführer festgestellten - Symptome einer Erkrankung bei Kindern (hier unter besonderer Berücksichtigung des Alters des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Impfung) im Sinne der erwähnten Wahrscheinlichkeit der wesentlichen Bedingung eine andere Bewertung für die Annahme eines Impfschadens im Beschwerdefall erfahren, bedarf es daher einer Ergänzung des Ermittlungserfahrens durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 3 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 23. Mai 2003

Schlagworte

Abgrenzung der Begriffe Behörde und OrganwalterSachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztAnforderung an ein GutachtenSachverständiger ArztSachverständiger AufgabenEinfluß auf die Sachentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002110205.X00

Im RIS seit

08.07.2003

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten