TE Vwgh Erkenntnis 2003/5/23 2002/11/0060

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Veröffentlicht am 23.05.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §24 Abs4 idF 2001/I/112;
FSG 1997 §25 Abs2 idF 2001/I/112;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §27 Abs1 Z1 idF 2001/I/112;
FSG 1997 §27 Abs1 Z1;
FSG 1997 §41 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs2a;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §74 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Winiwarter, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Utzstraße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. November 2001, Zl. RU 6-St-L-0113/0, betreffend Wiederausfolgung des Führerscheines, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 16. Oktober 1997 wurde dem Beschwerdeführer wegen eines am 6. Oktober 1997 begangenen Alkoholdeliktes gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend für die Dauer von acht Monaten (gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 6. Oktober 1997) entzogen. Weiters wurde ihm die Absolvierung eines Driver-Improvement-Kurses (Einstellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker) aufgetragen. Der dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 31. Oktober 2001 keine Folge gegeben. Die gegen den Vorstellungsbescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. November 2001 abgewiesen.

Mit Mandatsbescheid vom 15. Dezember 1998 entzog die Bezirkshauptmannschaft Krems dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 2 FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B bis zur Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung. Diese sei durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen. Dieser Bescheid wurde nach der Aktenlage rechtskräftig.

Mit Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft Krems vom 30. März 1999 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedererteilung der Lenkberechtigung sowie die Ausfolgung des Führerscheines. In diesem Schreiben brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, er habe sich verschiedenen ärztlichen Untersuchungen unterzogen. Die für ihn positiven Ergebnisse müssten der Behörde seit langem vorliegen.

In einem Schreiben an den Beschwerdeführer vom 11. September 2001 nahm die Bezirkshauptmannschaft Krems auf einen Antrag des Beschwerdeführers vom 5. April 2000, mit dem die Ausfolgung des Führerscheines begehrt worden sei, Bezug und teilte mit, da seit der Entziehung der Lenkberechtigung mit Bescheid vom 16. Oktober 1997 bereits mehr als 18 Monate verstrichen seien und der Beschwerdeführer die ihm aufgetragene Nachschulung nicht absolviert habe, sei die Lenkberechtigung gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 3 FSG erloschen. Es sei daher beabsichtigt, den Antrag auf Ausfolgung des Führerscheines abzuweisen.

Der Beschwerdeführer bestritt in seiner Stellungnahme vom 14. September 2001 das Erlöschen der Lenkberechtigung und wiederholte seinen Antrag auf Ausfolgung des Führerscheines.

Mit Bescheid vom 24. September 2001 wies die Bezirkshauptmannschaft Krems den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausfolgung "der Lenkberechtigung" ab. Sie vertrat in der Begründung die im Schreiben vom 11. September 2001 dargelegte Auffassung, dass die Lenkberechtigung gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG erloschen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 24. September 2001 mit der Maßgabe, dass der Antrag des Beschwerdeführers vom 5. April 2000 auf Wiederausfolgung des Führerscheines abgewiesen wird. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, das Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung auf Grund des Vorfalles vom 6. Oktober 1997 sei noch vor Inkrafttreten des FSG eingeleitet worden, weshalb dieses Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen gewesen sei. Die im Entziehungsbescheid enthaltene Anordnung der Nachschulung gründe sich auf § 73 Abs. 2a KFG 1967. Die Bestimmung des § 25 Abs. 3 FSG beziehe sich schon ihrem Wortlaut nach nur auf Anordnungen von begleitenden Maßnahmen, die im Geltungsbereich des FSG ergangen seien. Die Nichtbefolgung der Anordnung durch den Beschwerdeführer habe daher nicht die in § 25 Abs. 3 zweiter Satz FSG vorgesehene Rechtsfolge ausgelöst. Es sei weiters zu prüfen, ob der Beschwerdeführer innerhalb von 18 Monaten ab Eintritt der Rechtskraft des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 15. Dezember 1998 die gesundheitliche Eignung (nachweislich) wiedererlangt habe. Durch die vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 5. April 2000 übermittelten Gutachten Dris. H. vom 17. Februar 2000 und des Facharztes Dr. F. vom 12. Juli 1999 sei dieser Nachweis nicht erbracht worden. Dr. H. sei zwar Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Wien gewesen, doch handle es sich dabei nicht um die zuständige Behörde. Außerdem sei Dr. H. zum Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens zur Ausstellung von amtsärztlichen Gutachten nicht berechtigt gewesen, weil er sich damals im Krankenstand befunden habe. Der Beschwerdeführer habe innerhalb von 18 Monaten ab 31. Dezember 1998 seine gesundheitliche Eignung nicht ausreichend dargetan. Das amtsärztliche Gutachten Dris. P., das sich auf eine fachärztlich-psychiatrische Stellungnahme Dris. Sch. vom 20. April 2001 gründe, bestätige dem Beschwerdeführer die (eingeschränkte) gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, doch stamme dieses Gutachten vom 26. April 2001. Es sei daher in der Sache von einer mehr als achtzehnmonatigen Entziehungsdauer und somit vom Erlöschen der Lenkberechtigung auszugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens - unvollständig (es fehlt u.a. der Antrag vom 5. April 2000) - vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG (in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 112/2001) maßgebend:

"Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder ...

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

(2) Bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs. 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

...

Erlöschen der Lenkberechtigung

§ 27. (1) Eine Lenkberechtigung erlischt:

1. nach Ablauf einer Entziehungsdauer von 18 Monaten; ...

...

Ablauf der Entziehungsdauer

§ 28. (1) Der Führerschein ist nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn die gemäß Abs. 2 angeordneten Nachweise erbracht wurden, keine Gründe für eine Entziehung mehr gegeben sind und die Entziehungsdauer kürzer als 18 Monate war.

...

Übergangsbestimmungen

§ 41. (1) Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängigen Verfahren auf Grund der §§ 64 bis 77 KFG 1967 sind nach der bisher geltenden Rechtslage zu Ende zu führen, ..."

Die belangte Behörde hat zutreffend die Auffassung der Erstbehörde, die Nichtbefolgung der Nachschulungsanordnung habe gemäß § 25 Abs. 3 zweiter Satz FSG dazu geführt, dass die Entziehungsdauer nicht habe enden können, weshalb die Lenkberechtigung gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. erloschen sei, abgelehnt. Ein Eingriff in die nach der alten Rechtslage erlassenen oder zu erlassenden Bescheide wird durch das FSG nicht vorgenommen. Derartiges ist den Schluss- und Übergangsbestimmungen dieses Gesetzes nicht zu entnehmen. Die Wirkungen der nach der alten Rechtslage erlassenen Bescheide sind daher nach dieser zu beurteilen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 98/11/0291). Die Nichtbefolgung einer gemäß § 73 Abs. 2a KFG 1967 verfügten Nachschulungsanordnung hatte nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle nur zu einer Verlängerung der Entziehungszeit um drei Monate zu führen. Eine Rechtsfolge, wie sie in § 25 Abs. 3 zweiter Satz FSG umschrieben wird, war im KFG 1967 nicht vorgesehen.

Die belangte Behörde hatte sich daher mit der Frage zu befassen, ob die mit Mandatsbescheid vom 15. Dezember 1998 festgesetzte Dauer der Entziehung (mindestens) achtzehn Monate betragen hat. Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, der Entziehungsbescheid vom 15. Dezember 1998 sei "absolut nichtig", weil der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides nicht im Besitz seiner Lenkberechtigung gewesen sei, ist er auf das zuvor Gesagte hinzuweisen. Die mit Mandatsbescheid der Erstbehörde vom 16. Oktober 1997 ausgesprochene vorübergehende Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 hatte zur Folge, dass die Lenkberechtigung mit Ablauf der ausgesprochenen Entziehungszeit ipso iure wieder aufgelebt ist, sodass der Beschwerdeführer nach Ablauf der Entziehungsdauer - unabhängig davon, ob ihm der Führerschein wieder ausgefolgt wurde - wieder im Besitz der Lenkberechtigung gewesen ist (vgl. dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 24. März 1999, mwN).

§ 25 Abs. 2 FSG sieht vor, dass bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs. 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen ist. Diese Bestimmung ermöglicht für jene Fälle, in denen die Dauer der Nichteignung im Zeitpunkt der Bescheiderlassung genau bestimmbar ist, eine Festsetzung der Entziehungsdauer mit einem bestimmten Zeitraum. In jenen Fällen aber, in denen dies nicht möglich ist, ist - entsprechend der bereits im Geltungsbereich des KFG 1967 (§ 73 Abs. 2) geübten Praxis - die Dauer der Entziehung für die Dauer der Nichteignung festzusetzen. Davon gehen erkennbar auch die Erläuterungen zu § 25 der Regierungsvorlage zum FSG, 714 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR, XX. GP, aus. In solchen Fällen bedarf es eines ärztlichen Gutachtens, um die Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung annehmen zu können. Dies hat aber nicht zur Folge, dass die Entziehungsdauer in jedem Fall so lange läuft, bis im Verfahren über einen Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines ein Gutachten vorliegt, das die gesundheitliche Eignung des Betreffenden bestätigt. Die Festsetzung der Entziehungsdauer für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung bedeutet, dass die Entziehungsdauer mit der Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung endet. Diesen Zeitpunkt hat die Behörde zu ermitteln, wenn sie - obwohl ihr wie im vorliegenden Fall ein die gesundheitliche Eignung des Betreffenden bestätigendes amtsärztliches Sachverständigengutachten vorliegt - einen vor Ablauf einer Entziehungsdauer von 18 Monaten gestellten Antrag auf Wiederausfolgung des Führerscheines, in dem die Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung behauptet wird, mit der Begründung abweisen will, die Lenkberechtigung sei gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG erloschen. Ist ihr die Feststellung dieses Zeitpunktes nicht möglich, kann sie in einem solchen Fall nicht davon ausgehen, die Lenkberechtigung sei infolge Ablaufes einer Entziehungsdauer von 18 Monaten gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG erloschen. Dies hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie - gestützt auf den Zeitpunkt der Erstellung des die gesundheitliche Eignung bestätigenden Gutachtens - den Ablauf einer Entziehungsdauer von 18 Monaten angenommen hat.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 23. Mai 2003

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002110060.X00

Im RIS seit

15.07.2003

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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