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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 idF 2002/I/129;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der F in S, vertreten durch Dr. Rüdiger Hanifle, Rechtsanwalt in 5700 Zell am See, Schillerstraße 22, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 22. Jänner 2003, Zl. 20504- 14/1947/5-2003, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Zell am See entzog mit Bescheid vom 14. Mai 2002 der Beschwerdeführerin wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges die Lenkberechtigung für Fahrzeuge der Klasse B auf die Dauer der ärztlich festgestellten gesundheitlichen Nichteignung (Spruchpunkt I). Als Rechtsgrundlagen waren § 24 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Z. 3 des Führerscheingesetzes (FSG) angegeben. Begründet wurde die Entziehung mit einem Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen vom 2. April 2002 (gemeint: vom 26. März 2002), in dem zusammengefasst ausgeführt wurde, da von der (1917 geborenen) Beschwerdeführerin auch in Zukunft ein nicht mehr ausreichendes verkehrsangebrachtes Verhalten zu erwarten sei, wobei dafür eine geistige Verlangsamung die Ursache bilde, sei diese nicht mehr geeignet, Kraftfahrzeuge der Klasse B zu lenken.
Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Landeshauptmann von Salzburg mit Bescheid vom 22. Jänner 2003 (Spruchpunkt I) gemäß §§ 24 Abs. 1 Z. 1 und 8 Abs. 3 Z. 4 FSG abgewiesen. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Salzburg aus, das von der Erstbehörde verwertete amtsärztliche Sachverständigengutachten stütze sich auch auf einen Bericht vom 4. März 2002 über eine mit der Beschwerdeführerin am 27. Februar 2002 durchgeführte Beobachtungsfahrt. Die maßgebliche Aussage des Amtssachverständigen über die gesundheitliche Nichteignung der Beschwerdeführerin gründe auf dem Ergebnis der am 27. Februar 2002 durchgeführten Beobachtungsfahrt, woraus sich inbesondere ergebe, dass die Beschwerdeführerin vor allem den nachfolgenden Verkehr unbeachtet lasse und auch beim rückwärts Einparken größere Probleme mit dem Zurückschauen habe. Die Beobachtungsfahrt habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin insbesonders Überholvorgänge durchführe, ohne auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Wenn daher der ärztliche Amtssachverständige im Zusammenhang mit der bei der Beschwerdeführerin festgestellten geistigen Verlangsamung zum Ergebnis gekommen sei, dass bei der Beschwerdeführerin die erforderliche kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit nicht mehr gegeben sei, weil ihr insbesonders eine ausreichende Überblicksgewinnung abgehe, so handle es sich hier auch für die Berufungsbehörde um eine durchaus schlüssige Aussage. Im Hinblick auf das eindeutige Ergebnis der Beobachtungsfahrt habe es die Berufungsbehörde auch nicht mehr für vertretbar angesehen, die Beschwerdeführerin mit einer verkehrspsychologischen Untersuchung zu belasten und müsse im Hinblick darauf, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin trotz hinreichend gebotener Gelegenheit nach Kenntnis der gesamten Entscheidungsgrundlagen von jeder weiteren Äußerung Abstand genommen habe, davon ausgegangen werden, dass keine Einwendungen mehr erhoben worden seien. Im Hinblick auf die für die Berufungsbehörde schlüssige Aussage im ärztlichen Gutachten vom 26. März 2002 sei dieses auch der Berufungsentscheidung zu Grunde zu legen und von der Befassung eines ärztlichen Amtssachverständigen der Landessanitätsdirektion abzusehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte am 12. Februar 2003) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 129/2002 sowie die FSG-GV in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 427/2002 maßgeblich.
1.2. Die einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
4. fachlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges befähigt sind (§§ 10 und 11) und
...
Gesundheitliche Eignung
§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Klassen von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen.
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1.
die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.
die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen, zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.
...
(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. ... .
...
Dauer der Entziehung
§ 25.
...
(2) Bei einer Entziehung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist die Dauer der Entziehung auf Grund des gemäß § 24 Abs. 4 eingeholten Gutachtens für die Dauer der Nichteignung festzusetzen.
..."
1.3. Die einschlägigen Bestimmungen der FSG-GV lauten (auszugsweise):
"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen
§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften
1.
die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
2.
die nötige Körpergröße besitzt,
3.
ausreichend frei von Behinderungen ist und
4.
aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.
...
(4) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen Erkrankungen oder Behinderungen festgestellt wurden, die nach den nachfolgenden Bestimmungen die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließen würden, gelten dann als geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 wenn sie
1) während der, der Feststellung der Erkrankung oder Behinderungen unmittelbar vorangehenden zwei Jahre Kraftfahrzeuge tatsächlich gelenkt haben und
2) die Annahme gerechtfertigt ist, dass ein Ausgleich des bestehenden Mangels durch erlangte Geübtheit eingetreten ist.
Der Eintritt dieses Ausgleichs und die Dauer des Vorliegens dieser Eignung ist durch das ärztliche Gutachten nötigenfalls im Zusammenhang mit einer Beobachtungsfahrt festzustellen und darf nur auf höchstens fünf Jahre ausgesprochen werden. Bestehen trotz der durchgeführten Beobachtungsfahrt noch Bedenken über die Eignung des zu Untersuchenden, ist zusätzlich eine verkehrspsychologische Stellungnahme zu seiner kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit einzuholen.
...
Verkehrspsychologische Stellungnahme
§ 17
....
(2) Die Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme ist im Hinblick auf das Lebensalter jedenfalls zu verlangen, wenn auf Grund der ärztlichen Untersuchung geistige Reifungsmängel oder ein Leistungsabbau im Vergleich zur Altersnorm zu vermuten sind; hiebei ist auch die Gruppe der Lenkberechtigung zu berücksichtigen.
..."
2. Die belangte Behörde hat die Entziehung der Lenkberechtigung der Beschwerdeführerin, wie Spruch und Begründung ihres Bescheides zeigen, nicht etwa auf die mangelnde fachliche Befähigung der Beschwerdeführerin, sondern auf die mangelnde gesundheitliche Eignung gestützt und, in Übernahme der Ausführungen des amtsärztlichen Sachverständigen, die Auffassung vertreten, der Beschwerdeführerin ermangle es an der erforderlichen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit. Die belangte Behörde übernimmt dabei die Auffassung des amtsärztlichen Sachverständigen, wonach bei der Beschwerdeführerin eine "auffallend psychomotorische Verlangsamung" zu konstatieren sei.
Diese bei der Untersuchung der Beschwerdeführerin durch den Amtsarzt zu Tage tretende Verlangsamung hätte freilich nach § 17 Abs. 2 FSG-GV dazu führen müssen, von der Beschwerdeführerin die Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme zu verlangen, stand doch die Konstatierung der psychomotorischen Verlangsamung ohne Zweifel im Zusammenhang mit dem Alter der Beschwerdeführerin.
Der Verzicht auf die Einholung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme als maßgebliche Entscheidungsgrundlage für das vom Amtsarzt zu erstellende Gutachten stellt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, welche den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.
Wien, am 23. Mai 2003
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003110059.X00Im RIS seit
14.07.2003