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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FSG 1997 §24;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2003/11/0120 E 24. Juni 2003Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Dr. Waibelstraße 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 13. Februar 2002, Zl. Ib-277-13/2002, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,--binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Auf Grund einer Anzeige der Kantonspolizei Graubünden vom 5. August 2001, der zufolge der Beschwerdeführer mit einem nach dem Kennzeichen bestimmten Motorrad an einer näher bezeichneten Stelle der J. Straße in M. (im Kanton Graubünden) am 29. Juli 2001 um 16.39 Uhr die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 64 km/h überschritten habe, was mit einem Radargerät festgestellt worden sei, wurde der Beschwerdeführer mit Strafmandat des Kreisamtes Surses vom 11. September 2001 der groben Verletzung von Verkehrsregeln gemäß Art. 32 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (SVG) und Art. 4a Abs. 1 lit. b der Verkehrsregelnverordnung (VRV) iVm Art. 90 Z. 2 SVG schuldig erkannt. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 29. Juli 2001 auf der J. Straße um 16.39 Uhr, von einem Radargerät erfasst, die gesetzliche Geschwindigkeit von 80 km/h um 64 km/h überschritten.
Mit Verfügung des Straßenverkehrsamtes des Kantons Graubünden vom 19. September 2001 wurde dem Beschwerdeführer für die Dauer von sechs Monaten ab 19. November 2001 das Recht aberkannt, mit ausländischen und internationalen Führerausweisen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein ein Motorfahrzeug zu lenken. Bezug genommen wurde dabei auf den oben erwähnten Vorfall am 29. Juli 2001.
Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz entzog dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 7. Jänner 2002 gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1, § 7 Abs. 1 und 3 Z. 4 sowie § 26 Abs. 3 und 7 iVm § 7 Abs. 8 des Führerscheingesetzes (FSG) die Lenkberechtigung für die Gruppen A und B für die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab der Zustellung des Bescheides.
Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 13. Februar 2002 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 29. Juli 2001 um
16.39 Uhr ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Motorrad auf der J. Straße im Gemeindegebiet von M. im Kanton Graubünden gelenkt und dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes von 80 km/h um 64 km/h überschritten. Er sei mit Strafmandat des Kreisamtes Surses vom 11. September 2001 mit zehn Tagen Gefängnis und einer Buße von 800 Franken bestraft worden. Die Geschwindigkeitsübertretung sei mit einem Radargerät festgestellt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 14. März 2003, G 203/02-8, ua, den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 2002, Zl. A 2002/24-1,
§ 26 Abs. 3 sowie die Wortgruppe "3 und" in § 26 Abs. 7 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997 (sowohl § 26 Abs. 3 als auch die in § 26 Abs. 7 erwähnte Wortfolge in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 2/1998)
in eventu
§ 7 Abs. 3 Z. 4, § 26 Abs. 3 sowie die Wortgruppe "3 und" in § 26 Abs. 7 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997 (§ 7 Abs. 3 Z. 4 in der Stammfassung; sowohl § 26 Abs. 3 als auch die in § 26 Abs. 7 erwähnte Wortfolge in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 2/1998)
in eventu
§ 7 Abs. 3 Z. 4 mit Ausnahme der Wortfolge "im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder", § 26 Abs. 3 sowie die Wortgruppe "3 und" in § 26 Abs. 7 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997 (§ 7 Abs. 3 Z. 4 in der Stammfassung; sowohl § 26 Abs. 3 als auch die in § 26 Abs. 7 erwähnte Wortfolge in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 2/1998)
als verfassungswidrig aufzuheben, abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte nach der Aktenlage am 21. Februar 2002) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 25/2001 sowie der Kundmachung BGBl. I Nr. 112/2001 maßgeblich.
Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
4. die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;
...
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
(8) Handelt es sich bei den in Abs. 3 angeführten Tatbeständen um Verkehrsverstöße, die im Ausland begangen und bestraft wurden, so sind diese nach Maßgabe der inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilen.
...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
... .
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.
Sonderfälle der Entziehung
§ 26.
...
(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs. 1, 2 oder 4 vorliegt - hat die Entziehungsdauer zwei Wochen, bei der zweiten Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren ab der ersten Begehung sechs Wochen zu betragen.
...
(7) Eine Entziehung gemäß Abs. 3 und 4 darf erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist. ... .
...
2. § 26 FSG stellt, wie schon seine Überschrift zeigt, eine lex specialis zu dem in den §§ 7, 24 und 25 FSG geregelten System der Entziehung der Lenkberechtigung dar. Im Falle der erstmaligen Begehung einer im § 7 Abs. 3 Z 4 FSG genannten Übertretung (ohne Qualifikation) hat die Entziehungsdauer nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 3 FSG jedenfalls zwei Wochen zu betragen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 98/11/0227, ausführlich dargelegt hat, hat auch die Wertung jener bestimmten Tatsachen, in Ansehung derer im Gesetz selbst die Entziehungsdauer mit einem fixen Zeitraum normiert ist, zu entfallen.
§ 26 FSG stellt jedoch nicht nur hinsichtlich der Bemessung der Entziehungszeit eine lex specialis dar. Während nach § 7 Abs. 8 FSG auch Verkehrsverstöße, die im Ausland begangen und bestraft wurden, für eine Qualifikation als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 7 Abs. 3 FSG in Frage kommen, zeigt § 26 Abs. 7 erster Satz FSG, wonach eine Entziehung gemäß § 26 Abs. 3 und 4 erst ausgesprochen werden darf, wenn das Strafverfahren in erster Instanz "durch Strafbescheid" abgeschlossen ist, ganz offensichtlich, dass der Gesetzgeber damit an von österreichischen Behörden geführte Strafverfahren angeknüpft hat. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der ausdrücklichen Erwähnung eines Strafbescheides. Auch in den Gesetzesmaterialien zur 18. Kraftfahrgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 162/1995, auf die § 26 Abs. 7 erster Satz FSG im Wesentlichen zurückgeht, finden sich keinerlei Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Einbeziehung von Bestrafungen durch ausländische Behörden.
Eine auf § 26 Abs. 3 FSG gestützte Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers auf zwei Wochen kam demnach nicht in Frage. Die belangte Behörde hätte daher den von der Behörde erster Instanz erlassenen Entziehungsbescheid ersatzlos zu beheben gehabt.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem
pauschalierten Ersatz für Schriftsatzaufwand ein weiterer Aufwandersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.
Wien, am 23. Mai 2003
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003110128.X00Im RIS seit
14.07.2003Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008