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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, (geb. 1968), vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinerstraße 8/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 9. Februar 2001, Zl. III 4033-15/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 9. Februar 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 sowie §§ 37, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht Innsbruck mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil vom 5. September 2000 wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges in der Form der Beteiligung nach den §§ 12, 15, 146, 147 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 2 StGB mit einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, Probezeit 3 Jahre, belegt worden.
Diesem Urteil liege folgender Schuldspruch zu Grunde:
"Die Beschuldigten Marko Pavic, Mario Saskovic und Sanela Spahalic sind schuldig, sie haben in Innsbruck und an anderen Orten
1. Marko Pavic am 15.02.2000 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Zürich Cosmos Versicherung durch die Vorgabe, sein PKW der Marke Hyundai Galloper im Wert von cirka S 230.000,-- sei ihm am 13.02.2000 in Verona gestohlen worden, wobei er eine Anzeigebestätigung der Questur von Verona vorlegte, somit durch Täuschung über Tatsachen unter Vorlage eines anderen (richtig wohl: falschen, vgl. das mit den Verwaltungsakten vorgelegte Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 16. November 2000, S.
2) Beweismittels zu einer Handlung, und zwar zu einer Versicherungsleistung zu verleiten versucht, welche die genannte Versicherung an ihrem Vermögen in einem S 25.000,-- übersteigenden, S 230.000,-- betragenden Betrag schädigen sollte;
2. Mario Saskovic und Sanela Spahalic zu der unter 1. angeführten Tat beigetragen, indem sie zusammen mit einem abgesondert verfolgten bisher Unbekannten namens Zoran die Verbringung des genannten PKWs nach Südeuropa in die Wege leiteten, sowie eine komplette Schlüsselanlage für diesen PKW zur Vorlage und Täuschung der Versicherung beschafften."
Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers nach dieser Verurteilung zeige deutlich seine negative Einstellung zur Rechtsordnung, wodurch der Eindruck entstehe, dass er nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen, woraus sich die berechtigte Folgerung ergebe, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Die vorliegende rechtskräftige Verurteilung vom 5. September 2000 erfülle den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 dritter Fall FrG. Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege vor. Dieser Eingriff mache aber das Aufenthaltsverbot im Grunde dieser Bestimmung nicht unzulässig. Die sich im Gesamt-Fehlverhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinweg zu setzen, mache die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer, insbesondere des Vermögens) dringend geboten. Der Beschwerdeführer halte sich erlaubterweise erst seit etwa einem Jahr in Österreich auf, dementsprechend gering seien seine Integration und private Bindung, er arbeite im Bundesgebiet als Eisenverleger, wobei er Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei; eine intensive familiäre Bindung im Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer zu seiner Schwester Emina, die gut integriert sei, mit der er jedoch nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Der Beschwerdeführer sei ledig. Sie soziale Komponente seiner Integration werde durch seine schwere Straftat beeinträchtigt. Auf dem Boden des Gesagten wögen seine privaten und familiären Interessen am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb die Erlassung des Aufenthaltsverbots auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Der Schutz der Rechte anderer "(z.B. auf Vermögen)" habe einen großen öffentlichen Stellenwert, großes öffentliches Gewicht. Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß §§ 38, 35 FrG komme im Fall des Beschwerdeführers nicht zum Tragen.
Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche § 39 Abs. 1 FrG und den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Die belangte Behörde sei der Auffassung, dass bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, das Verstreichen von fünf Jahren von Nöten sei.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorliegen würden, könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nach § 36 Abs. 1 FrG Abstand genommen werden.
Zum Berufungsvorbringen werde zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheides verwiesen. Allfällige erstinstanzliche Verfahrens- oder Begründungsmängel seien durch die Berufungsmöglichkeit, von der der Beschwerdeführer Gebrauch gemacht habe, sowie den angefochtenen Bescheid saniert. Das Landesgericht Innsbruck habe bei der Strafbemessung als mildernd die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und den Umstand gewertet, dass die Tat beim Versuch geblieben sei, als erschwerend die mehrfache Qualifikation des versuchten Betrugs sowie den hohen Schaden, der nach dem Tatplan hätte eintreten sollen. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer als Urheber der Tat im Sinn des § 33 Z 4 StGB zu bezeichnen sei. X. habe lediglich Probleme beim Verkauf des Pkw erwähnt. Der Beschwerdeführer habe auf Grund dieser Schilderung den Plan des Versicherungsbetrugs selbstständig entwickelt und letztlich die beiden anderen Angeklagten zur Tat verleitet (§ 33 Z 3 StGB). Der Beschwerdeführer habe weitere Beiträge dadurch geleistet, dass er das Fahrzeug nach Jugoslawien verbracht und damit den Nachforschungen der Versicherung entzogen sowie ein falsches Beweismittel "(Schlüsselanlage)" zur Realisierung des Planes beschafft habe (vgl. das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 16. November 2000, Seite 6). Zu seiner "ersten Tat" bzw. "sonstigen Unbescholtenheit" des Beschwerdeführers werde bemerkt, dass jeder Rechtsbrecher mit seiner "Rechtsbrechertätigkeit" einmal beginne und dass seine "sonstige Unbescholtenheit" nichts an seiner Gefährlichkeit für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit ändere. "Erhebliche Verbindlichkeiten" des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie die Angestellten seiner Eisenlegerfirma, die sich in der nächsten Saison (am Bau) einen anderen Arbeitgeber suchen müssten, seien kein Grund, den Beschwerdeführer nicht mit einem Aufenthaltsverbot zu belegen. Dass das Strafgericht über den Beschwerdeführer eine bedingte Strafe verhängt habe, hindere die belangte Behörde nicht "an der Annahme des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG". Die Fremdenpolizeibehörde habe den Sachverhalt nach fremdenpolizeirechtlichen Gesichtspunkten eigenständig zu beurteilen und sei hiebei nicht an die Erwägungen des Gerichts zur Anwendung der Bestimmungen über die bedingte Strafnachsicht gebunden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 dritter Fall FrG verwirklicht und die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen begegnet diese Beurteilung keinem Einwand.
2.1. Die Beschwerde wendet sich indes gegen die behördliche Beurteilung gemäß § 37 FrG und bringt vor, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele nicht dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer habe sich "bislang immer wohlverhalten", er habe in Österreich ein Unternehmen gegründet und beschäftige "zwischen 5 und 15 Mitarbeiter". Dessen "wirtschaftliche Existenz" scheine nun durch das vorliegende Aufenthaltsverbot gefährdet zu sein. Bei der nach § 37 FrG vorzunehmenden "Gesamtschau" habe die Behörde zu beurteilen, "wie sehr" der Fremde integriert sei. Dieser habe seinerzeit in seiner Heimat "alles aufgegeben", um das Unternehmen in Österreich zu gründen und zu seiner Schwester zu ziehen. Vor diesem Hintergrund hätte die belangte Behörde berücksichtigen müssen, dass es sich beim Beschwerdeführer "nicht um einen normalen" Gastarbeiter handle, der in Österreich Geld verdiene, dieses nach Hause transferiere, um sich dort etwas aufzubauen, sondern dass der Beschwerdeführer seinen gesamten Lebensmittelpunkt nach Österreich verlegt habe; in seiner Heimat würde er nicht mehr wissen, "wo er hin" solle.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde hat - unter der zutreffenden Annahme eines mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffs in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG - zu Recht die Auffassung vertreten, dass diese Maßnahme dennoch zulässig sei, weil sie zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer hat durch den ihm zur Last liegenden versuchten schweren Betrug das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0343) gravierend beeinträchtigt, zumal er - wie unbestritten festgestellt - als Urheber dieses Fehlverhaltens anzusehen ist, seine beiden Mitangeklagten zur Tat verleitet und weitere Beiträge insofern geleistet hat, als er das Fahrzeug ins Ausland verbracht und damit den Nachforschungen der Versicherung entzogen sowie ein falsches Beweismittel zur Realisierung des Planes beschafft hat (vgl. die Sachverhaltsdarstellung unter I.1.). Im Licht des Gesagten ist auch das Ergebnis der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchgeführten Abwägung unbedenklich. Angesichts seines lediglich etwa einjährigen inländischen Aufenthaltes sind seine persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich - auch unter Bedachtnahme auf seine Berufstätigkeit - nicht stark ausgeprägt. Die aus diesem Aufenthalt ableitbare Integration wird in ihrem Gewicht zudem insofern entscheidend relativiert, als die dafür essenzielle soziale Komponente durch die Schwere des dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Fehlverhaltens in beachtlichem Maß beeinträchtigt wurde. Die geltend gemachte familiäre Bindung zu seiner Schwester wird dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer, der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides schon etwa 32 Jahre alt war, mit dieser unstrittig nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Seinem Hinweis, er wüsste in seiner Heimat nicht mehr, wohin er solle, ist entgegen zu halten, dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, wohin der Fremde auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde, und dass ferner § 37 FrG die Führung eines Privat- bzw. Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 99/18/0037). Schließlich kann auch die mit dem Aufenthaltsverbot angeblich bewirkte Gefährdung der Existenz des vom Beschwerdeführer gegründeten Unternehmens und der damit (erkennbar) befürchtete Verlust von Arbeitsplätzen vom Beschwerdeführer nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, weil im Grund des § 37 FrG als für ein Verbleiben des Fremden im Bundesgebiet sprechende Umstände ausschließlich solche in Betracht kommen, die dem privaten und familiären Interessensbereich zuzuordnen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/18/0123, und der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0332).
2.3. Vor diesem Hintergrund ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe in Bezug auf das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers und seiner Schwester sowie die familiäre Bindung zu dieser den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, nicht zielführend.
3. In Anbetracht des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick darauf, dass seine ohnehin nicht sehr ausgeprägten persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich durch dieses Fehlverhalten maßgeblich relativiert erscheinen (vgl. oben II.2.2.), bestand für die belangte Behörde auch unter Berücksichtigung der befürchteten Gefährdung der Existenz des besagten Unternehmens und des damit verbundenen Verlustes von Arbeitsplätzen keine Veranlassung, von ihrem Ermessen im Grund des § 36 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen (vgl. dazu nochmals das Erkenntnis Zl. 98/18/0123).
4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001180071.X00Im RIS seit
26.06.2003