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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, geboren 1969, vertreten durch Dr. Peter Banwinkler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Dinghoferstraße 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 18. Dezember 2002, Zl. St 215/02, betreffend Entziehung eines Reisepasses und Versagung der Ausstellung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 18. Dezember 2002 wurde dem Beschwerdeführer der ihm am 12. Oktober 1995 ausgestellte, bis 12. Oktober 2005 gültige Reisepass Nr. Y 0557.530 gemäß § 15 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 Z 3 lit. c und Z 4 Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839, (im Folgenden: PassG) entzogen (Spruchpunkt I.) und der Antrag des Beschwerdeführers vom 13. Juni 2002 auf Ausstellung eines Reisepasses gemäß § 14 Abs. 1 Z 3 lit. c und Z 4 PassG abgewiesen (Spruchpunkt II.).
Die belangte Behörde gibt zunächst den Inhalt des Bescheides der Behörde erster Instanz wie folgt wieder:
"Sie haben im bewußten und gewollten wechselnden Zusammenwirken mit Mitgliedern einer Schlepperorganisation, insbesondere mit den abgesondert verfolgten Fetah Kastrati, Mensur Ademi und Dulj Krasnici als Mittäter, ab einem nicht mehr genau festzustellenden Zeitpunkt bis 15.04.1996 um Ihres Vorteiles willen gewerbsmäßig die rechtswidrige Einreise einer nicht mehr festzustellenden Anzahl von Fremden, insbesondere von Kosovo-Albanern, von Ungarn nach Österreich, sowie die rechtswidrige Ausreise von Österreich nach Deutschland zu wiederholten Malen gefördert, indem Sie das von Ihnen gemeinsam mit Naim Koka gepachtete Linzer Lokal "Szene" als Anlaufstelle für Schlepper und Geschleppte zur Verfügung stellten, Schleppungen selbst organisierten, für die Unterbringung der Geschleppten in Linz sorgten, den Zeitplan der Schleppungen zwischen den einzelnen Schleppern koordinierten und die für Sie agierenden Schlepper mit Geld der Geschleppten bezahlten, insbesondere
a) Mitte März 1996 von zumindest einer Person von Linz nach Deutschland;
b) am 01.04.1996 von drei Personen von Österreich nach Deutschland;
c) am 17.09.1995 von sechs Kosovo-Albanern von Österreich nach Deutschland;
d) am 07.11.1995 von fünf Personen von Österreich nach Deutschland.
Im Rahmen des Parteiengehörs wurden sie mit ha. Schreiben vom 19.06.2002 von der beabsichtigten Reisepassversagung/-entziehung in Kenntnis gesetzt und Ihnen wahlweise die Möglichkeit eingeräumt, entweder am 10.07.2002 zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen oder binnen der Frist von zwei Wochen, gerechnet ab Zustellung des Schreibens, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
In Ihrer Stellungnahme vom 20.08.2002 gaben Sie dazu im Wesentlichen an, Sie hätten seit Ihrer Haftentlassung am 29.03.1999 ein untadeliges Leben geführt, der Deliktszeitraum läge bereits mehr als sechs Jahre zurück und schließlich hätten sie sich von Ihrem negativen Verhalten in der Vergangenheit längst distanziert.
Aufgrund der angeführten Verurteilung haben Sie als österreichischer Staatsbürger durch Ihre Schleppertätigkeit mehrmals in gravierender Weise die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens verletzt. Es ist daher der Schluss gerechtfertigt, dass durch Ihren Aufenthalt im Ausland die innere und äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet wird und Sie auch in Zukunft ein Reisedokument dazu verwenden werden, um die rechtswidrige Ein- oder Ausreise von Fremden zu fördern.
Jedenfalls bedarf es nach Ansicht der Behörde eines längeren Zeitraumes als jenen von dreieinhalb Jahren, gerechnet ab Haftentlassung, damit von Wiedervorliegen der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reisedokumentes gesprochen werden kann."
Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung vorgebracht, dass der Tatzeitraum bereits mehr als sechs Jahre zurückliegen würde. Er wäre als Schlepper nicht grenzüberstreitend tätig gewesen. Im Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Ausstellung eines Reisepasses hätte er nicht mehr damit rechnen müssen, dass ein derartiges Verfahren eingeleitet würde.
Nach der Wiedergabe der einschlägigen Normen des PassG enthält der angefochtene Bescheid eine Aufzählung von Rechtssätzen aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, u.a. folgende:
Bei der Betrachtung eines (behaupteten) Wohlverhaltens hätten Zeiten der Anhaltung im Strafvollzug außer Betracht zu bleiben.
Zeiträume des Wohlverhaltens im Bereich von zwei bis drei Jahren seit der gerichtlichen Verurteilung bzw. seit der Entlassung aus der Strafhaft seien vom Verwaltungsgerichtshof in vielen Fällen als zu kurz bezeichnet worden.
Zur Verwirklichung des Tatbestandes gemäß § 14 Abs. 3 lit. c PassG sei nicht erforderlich, dass der Pass der geschleppten Person "beigestellt" werde; es genüge vielmehr, wenn der Schlepper den Pass zur Legitimierung seiner eigenen Ein- bzw. Ausreise anlässlich der Schleppertätigkeit verwende.
Wiederholte Schlepperei böte einer tragfähige Grundlage für die Annahme gemäß § 14 Abs. 1 Z 3 lit. c PassG.
Im Licht dieser Judikatur habe die Erstbehörde zu Recht den Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses abgewiesen und den Reisepass des Beschwerdeführers entzogen. Das Vergehen der Schlepperei gehöre zu den schwerwiegendsten Verwaltungsübertretungen (bzw. gerichtlich strafbaren Handlungen), zumal diese Art der ("organisierten") Kriminalität bereits Formen angenommen habe, die ein rigoroses Vorgehen (ganz gleich in welcher Art) dringend erforderlich mache. Auch die mit der Schlepperei einhergehende "Begleitkriminalität" habe bereits enorme Maße und Formen angenommen, weshalb es schon aus sicherheitspolitischer Sicht unerlässlich sei, entsprechend gegenzusteuern. Die Ausstellung eines neuen Reisepasses für den Beschwerdeführer würde geradezu einer Förderung des Schlepperunwesens gleichkommen. Es bedürfe keiner näheren Erörterung, dass es sich bei der Schlepperkriminalität um eine grenzüberschreitende Kriminalität handle. Schlepperei könne dem grundsätzlichen - rechtlichen - Verständnis nach nicht allein im Inland begangen werden, sondern habe immer einen Auslandsbezug. Daher seien auch entsprechende Reisedokumente für Schlepper von besonderem Wert. Es erübrige sich daher, "näher auf die Tatsache einzugehen, dass Sie den Reisepass dazu benützen wollen, um die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern".
Zum Zeitraum des vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Wohlverhaltens sei auszuführen, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Haftentlassung erst - zumindest nach dem Akteninhalt - ca. dreieinhalb Jahre wohlverhalten habe. Dieser Zeitraum sei im Licht der zitierten Judikatur zu kurz, um auf eine wesentliche Änderung der Charaktereinstellung des Beschwerdeführers schließen zu können. Die derzeit vorherrschende besonders gravierende Schlepperkriminalität mache einen längeren Beobachtungszeitraum nötig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 14 Abs. 1 PassG sind die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses zu versagen, wenn (Z 3) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um (lit. c) die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern oder (Z 4) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.
Gemäß § 15 Abs. 1 leg. cit. ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.
2.1. Die belangte Behörde hat die Versagung der Ausstellung eines Reisepasses und die Entziehung des Reisepasses insbesondere auf § 14 Abs. 1 Z 3 lit. c PassG gestützt. Da dieser Versagungsgrund nach dem Wortlaut des Gesetzes verlangt, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern, erübrigt es sich entgegen den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht, "näher auf die Tatsache einzugehen, dass Sie den Reisepass dazu benützen wollen, um die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern". Gerade diese Frage wäre von der belangten Behörde zu beantworten gewesen.
2.2. Selbst wenn man auf Grund des übrigen Bescheidinhaltes annähme, die belangte Behörde habe mit der zitierten Passage der Bescheidbegründung nur zum Ausdruck bringen wollen, dass die Gefahr der Verwendung des Reisepasses für die Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise eines Fremden evident sei, wäre der angefochtene Bescheid insofern aus folgenden Gründen mit Rechtswidrigkeit behaftet:
Die belangte Behörde hat ausgeführt, nur der Zeitraum von etwa dreieinhalb Jahren seit der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft am 29. März 1999 sei für das Wohlverhalten relevant. Dieser Zeitraum sei zu kurz, um auf eine wesentliche Änderung der Charaktereigenschaft des Beschwerdeführers schließen zu können.
Aus dem bei den Verwaltungsakten erliegenden Strafurteil ergibt sich, dass die in Untersuchungshaft verbrachte Zeit von 16. April 1996 bis 1. Juli 1996 auf die zwölfmonatige Freiheitsstrafe des Beschwerdeführers angerechnet worden ist. Weiters ist aus der bei den Verwaltungsakten erliegenden Strafregisterauskunft ersichtlich, dass der Beschwerdeführer den verbleibenden Strafrest von etwa neuneinhalb Monaten nicht zur Gänze verbüßt hat, sondern am 29. März 1999 bedingt - also vorzeitig - entlassen worden ist.
Der Beschwerdeführer hat sich also nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft am 1. Juli 1996 bis zum Antritt der Strafhaft - nach dem Beschwerdevorbringen im September 1998 - in Freiheit befunden.
Nach der - auch im angefochtenen Bescheid zitierten - hg. Judikatur haben die in Haft verbrachten Zeiten für die Berechnung des Zeitraumes eines (behaupteten) Wohlverhaltens außer Betracht zu bleiben (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. September 2001, Zl. 2001/18/0169). Dies bedeutet aber nicht, dass immer nur der Zeitraum seit der letzten Haftentlassung als Wohlverhalten zählt. Vielmehr sind alle Zeiten zu berücksichtigen, in denen sich der Passwerber in Freiheit befunden hat und sich daher aus eigenem Antrieb wohlverhalten hat. Dies hat die belangte Behörde verkannt und deshalb ihrer Entscheidung nicht alle im vorstehenden Sinn zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigenden Zeiten zugrunde gelegt.
Vorliegend hat der Beschwerdeführer von dem seit der Entlassung aus der - kurz nach Begehung der Straftaten verhängten -
Untersuchungshaft verstrichenen Zeitraum von etwa sechseinhalb Jahren insgesamt jedenfalls fast sechs Jahre in Freiheit verbracht. Es ist nicht auszuschließen, dass die belangten Behörde bei Berücksichtigung dieses Zeitraumes des Wohlverhaltens zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, zumal der Beschwerdeführer in dieser Zeit unstrittig über einen Reisepass verfügt hat und daher - die Richtigkeit der Behauptung des Wohlverhaltens vorausgesetzt - evident ist, dass er in dieser Zeit seinen Pass nicht dazu verwendet hat, die rechtswidrige Ein- oder Ausreise eines Fremden zu fördern.
3. Hinzugefügt sei, dass die Bescheidbegründung keine Ausführungen dazu enthält, warum die belangte Behörde im Spruch ihres Bescheides auch den Passversagungsgrund gemäß § 14 Abs. 1 Z 4 PassG als erfüllt erachtet hat.
Weiters sei darauf hingewiesen, dass sich der Beschwerdeführer in der Berufung ausdrücklich auch gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung im Bescheid der Behörde erster Instanz gewendet hat und der angefochtene Bescheid hierüber nicht abspricht.
4. Auf Grund der aufgezeigten Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Mai 2003
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003180029.X00Im RIS seit
04.07.2003Zuletzt aktualisiert am
31.03.2010