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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §10 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des R, geboren 1972, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Jänner 2003, Zl. 136.419/2- III/4/02, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 16. Jänner 2003 wurde der am 7. Februar 2002 beim Landeshauptmann von Tirol (Stadtmagistrat Innsbruck) gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "unselbständige Erwerbstätigkeit" gemäß § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 13. November 1997 nach Österreich eingereist und habe am 17. November 1997 einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Februar 2002 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Während der Dauer des Asylverfahrens vom 20. Dezember 2000 bis zum 5. März 2002 sei der Beschwerdeführer zum vorläufigen Aufenthalt nach dem Asylgesetz berechtigt gewesen. Ihm sei bisher kein Aufenthaltstitel erteilt worden. Sein Antrag sei daher als ein im Inland gestellter Antrag auf Erstniederlassungsbewilligung zu werten, der gemäß § 14 Abs. 2 FrG vor der Einreise vom Ausland aus hätte gestellt werden müssen, da der Beschwerdeführer "keine für die Inlandsantragstellung genannten Voraussetzungen" erfülle. Dies führe zur Abweisung des Antrages.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er noch nie über einen Aufenthaltstitel, sondern lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 verfügt habe. Die belangte Behörde hat seinen Antrag daher zutreffend als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewertet.
Er macht jedoch geltend, die neue Rechtslage (§ 14 Abs. 2 letzter Satz FrG idF der Novelle BGBl. I Nr. 126/2002) erfordere es, "dass sich die Behörde zwingend damit auseinander zu setzen hat, ob die Voraussetzungen des § 10/4 vorliegen oder nicht, weil dann, wenn diese Voraussetzungen vorliegen, die Inlandsantragstellung jedenfalls möglich ist." Die belangte Behörde hätte begründen müssen, weshalb diese humanitären, besonders berücksichtigungswürdigen Umstände nicht gegeben seien. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass er die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG sogar "klassischerweise" erfülle. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
2.1. Gemäß § 112 FrG idF der Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 sind ua Verfahren zur Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung oder einer weiteren Niederlassungsbewilligung, die bei In-Kraft-Treten des genannten Bundesgesetzes am 1. Jänner 2003 anhängig sind, nach dessen Bestimmungen fortzuführen. Auf das vorliegende Verfahren ist daher das Fremdengesetz 1997 idF der genannten Novelle anzuwenden.
§ 14 Abs. 2 FrG idF der Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 lautet:
"(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können (§ 13 Abs. 3). Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für kurzfristig beschäftigte Fremde (§ 5 AuslBG) kann nach der Einreise gestellt werden, wenn der Fremde an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt ist. Liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 vor, kann der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden."
§ 10 Abs. 4 erster und zweiter Satz FrG lautet:
"Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 ausgesetzt sind."
§ 19 Abs. 2 und 3 FrG idF der Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 lautet auszugsweise:
"(2) Keiner Quotenpflicht unterliegt die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an Drittstaatsangehörige, die
1.
(...)
6.
die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 erfüllen und entweder Familienangehörige (§ 20 Abs. 1) eines rechtmäßig auf Dauer niedergelassenen Fremden sind oder die Voraussetzungen gemäß Abs. 3 erfüllen.
(3) Beabsichtigt der Fremde in Österreich eine unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, so darf ihm die Erstniederlassungsbewilligung überdies nur erteilt werden, wenn für ihn eine Sicherungsbescheinigung oder eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt wurde oder wenn er über eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfügt; für Drittstaatsangehörige gemäß Abs. 2 gilt dies nur insoweit, als das Ausländerbeschäftigungsgesetz auf sie anzuwenden ist."
§ 90 Abs. 1 FrG idF der Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 lautet auszugsweise:
"(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 (§ 14 Abs. 2 letzter Satz, § 19 Abs. 2 Z 6) bedarf der Zustimmung des Bundesministers für Inneres."
Die Erl RV 1172 BlgNR 21. GP führen dazu - soweit hier von Belang - Folgendes aus:
"Zu Z 16 (§ 14 Abs. 2):
(...)
Liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 vor, kann der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden. Die Erteilung dieser Niederlassungsbewilligung ist - wie auch die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis - an die Zustimmung des Bundesministers für Inneres gebunden (§ 90 Abs. 1). Der vorgeschlagene Text ändert nichts an dem Grundsatz der Auslandsantragstellung vor der Einreise (siehe § 14 Abs. 2 erster Satz). Mit dem vorgeschlagenen Text soll der Behörde die Möglichkeit eröffnet werden, in ganz bestimmten Ausnahmefällen von Amts wegen von der Abweisung eines im Inland gestellten Erstantrages Abstand zu nehmen. Die Erteilung einer derartigen Niederlassungsbewilligung bedarf in all diesen Fällen der Zustimmung des Bundesministers für Inneres.
(...)
Zu Z 28 (§ 19 Abs. 2 Z 6):
Die angefügte Z 6 ist die korrespondierende Bestimmung zu § 14 Abs. 2 letzter Satz des Vorschlags und soll es ermöglichen, diese Niederlassungsbewilligungen zu erteilen, wenn es sich um Familienangehörige von Fremden handelt, die rechtmäßig auf Dauer niedergelassen sind oder die beschäftigungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen.
(...)
Zu Z 68 (§ 90 Abs. 1):
Diese Änderung legt fest, dass sowohl die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis als auch die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz der Zustimmung des Bundesministers für Inneres bedürfen."
2.2. § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG idF der Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 eröffnet somit der Niederlassungsbehörde die Möglichkeit, von Amts wegen in ganz bestimmten Ausnahmefällen (nämlich bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen) von der Abweisung eines im Inland gestellten Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung Abstand zu nehmen und eine solche Bewilligung zu erteilen - wobei die Erteilung der Zustimmung des Bundesministers für Inneres bedarf.
2.3. Kommt die Niederlassungsbehörde bei der ihr nach dem letzten Satz des § 14 Abs. 2 leg. cit. aufgegebenen Prüfung, ob die materiellen Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG vorliegen, zum Ergebnis, dass ein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" im Sinn des § 10 Abs. 4 leg. cit. vorliegt, so schließt dies die Abweisung des Antrages auf Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz leg. cit. aus. Ist hingegen nach Ansicht der Behörde das Vorliegen eines "besonders berücksichtigungswürdigen Falles" aus humanitären Gründen zu verneinen, dann hat sie den im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung nach dem "Grundsatz der Auslandsantragstellung" (§ 14 Abs. 2 erster Satz FrG) abzuweisen.
3. Da die belangte Behörde es unterlassen hat, nachvollziehbar zu begründen, warum sie trotz des Vorbringens des Beschwerdeführers (oben II.1.) annehmen durfte, dass kein iS des § 10 Abs. 4 FrG besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliege, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003180037.X00Im RIS seit
03.07.2003Zuletzt aktualisiert am
24.10.2008