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65/01 Allgemeines Pensionsrecht;Norm
PG 1965 §4 idF 1998/I/123;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des B in V, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 8. Februar 2000, Zl. 15 1311/196-II/15/99, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1943 geborene Beschwerdeführer steht als Fachinspektor in Ruhe seit dem 1. Mai 1998 in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war das Bezirksgericht I, wo er als Gerichtsvollzieher tätig war.
Vor seiner Versetzung in den Ruhestand befand sich der Beschwerdeführer - seit einem neurochirurgischen Eingriff wegen eines luxierten Diskusprolaps am 8. März 1994 - in häufiger medizinischer Behandlung. Am 16. November 1994 musste er sich wegen eines Adenokarzinoms einem chirurgischen Eingriff (radikale Prostatektomie) unterziehen. Weiters wurde am 22. Februar 1996 eine rechtsseitige Operation einer Inguinalhernie durchgeführt. Am 17. November 1997 erfolgte eine vierfach Bypassoperation, wobei auch ein behandlungspflichtiger Diabetes mellitus des Typs 2 festgestellt wurde. Seit dem 20. Oktober 1997 war der Beschwerdeführer schließlich krankheitsbedingt vom Dienst abwesend.
In dem von Amts wegen eingeleiteten Ruhestandsversetzungsverfahren legte der Beschwerdeführer eine "neurologisch-psychiatrische Stellungnahme zur Arbeitsunfähigkeit" des Prof. Dr. P (im Folgenden Dr. P.) vom 18. Februar 1998 vor, in der nach Darstellung der Krankengeschichte insbesondere darauf hingewiesen wurde, dass sich im Zuge des Eingriffs am 8. März 1994 aus den damals erhobenen Zusatzbefunden (Röntgen, Computertomographie) das Vorliegen massiver, das altersübliche Ausmaß beträchtlich übersteigende Abnützungserscheinungen ergeben hätte. Es hätte damals ein radikuläres Syndrom S 1 bestanden. Die Beschwerden hätten inzwischen eine neuerliche Zunahme erfahren. Nach dem letzten Befund vom 13. Oktober 1997 lägen nun Bandscheibenschäden im Bereiche L4/5 und L5/S1 vor. Als gravierendster Befund sei derzeit das Herzleiden anzusehen. Aus psychiatrischer Sicht läge eine Kombination von Erschöpfungsdepression und involutiver Depression vor. Unter gemeinsamer Berücksichtigung der somatischen, neurologischen und psychischen Veränderungen wäre eine Arbeitsfähigkeit nicht mehr gegeben. Auch eine sitzende Bürotätigkeit wäre auf Grund der schwer wiegenden Wirbelsäulenveränderungen ausgeschlossen. Sämtliche Arbeiten, die unter Zeitdruck und Stressbelastung verschiedener Art durchgeführt werden müssten, seien nicht mehr möglich. Überdies müsse mit vermehrten, die 7-Wochen-Grenze bei weitem überschreitenden "Krankenständen" gerechnet werden.
Daraufhin wurde von der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft I. Dr. Schweighofer (im Folgenden Dr. S.) am 6. März 1998 ein Gutachten über die Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers erstattet, das sich im Wesentlichen auf die (zum Teil wörtliche) Wiedergabe des Gutachtens Dris. P beschränkte.
Mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 3. April 1998 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), mit Ablauf des 30. April 1998 in den Ruhestand versetzt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Auf Basis des Gutachtens Dris. S. und der im Befund Dris. P. näher erstatteten Ausführungen (sowie weiterer Befundungen) gelangte der leitende Arzt des Bundespensionsamtes Dr. Z (im Folgenden Dr. Z.) in weiterer Folge im Rahmen der Prüfung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers zu folgendem, am 21. Oktober 1998 erstatteten "ärztlichen Sachverständigengutachten zur Leistungsfeststellung":
"Diagnosen (nach Relevanz hinsichtlich Arbeitsfähigkeit)
1. Koronare Herzkrankheit / Faktor st.p. 4-fach
Bypassoperation am 17.11.97
2. Lumbalgie / Faktor st.p. Laminektomie
3. Bandscheibenschaden L4/L5, L5/S1
4. Diabetes mellitus II
5. Erschöpfungsdepression
6. Blasen-Stressinkontinenz / Faktor st.p. Adenokarzinom d.
Prostata, Radikaloperation
Leistungskalkül
Restarbeitsfähigkeit: (x) JA
( ) Nein
Begründung:
Es besteht eine Erkrankung der Herzkranzgefäße. Am 17.11.1997
wurde eine 4-fach-Bypassoperation erfolgreich durchgeführt. Ein behandlungspflichtiger Diabetes mellitus II wurde festgestellt. Seit einer Prostataoperation 1994 treten zeitweilig Harnblasenstörungen mit Harnverlust auf (Stressinkontinenz). Weiters bestehen massive, das altersübliche Ausmaß beträchtlich übersteigende Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschäden und Schmerzsymptomatik im Lendenwirbelbereich. Die Untersuchung der Beine ergab einen altersmäßigen, unauffälligen Befund, es liegt also keine Wurzelirritation vor. Erstmals wurde ein Bandscheibenvorfall 1994 operativ versorgt, derzeit ist an eine neuerliche Operation im Bereich der Bandscheiben L4/L5, und L5/S1 gedacht. Von Seiten des Psychiaters wird eine Kombination aus Erschöpfungsdepression und involutiver Depression konstatiert. Diese wird als Begleit- und Folgeerscheinung der Vielzahl von vorhandenen somatischen und neurologischen Beschwerden erkannt, ein Behandlungsbedarf bestand bisher nicht.
Sämtliche Arbeiten, die unter Zeitdruck und Stressbelastung verschiedener Art durchgeführt werden müssten, sind laut Gutachten Dris. P daher nicht mehr möglich. Auch eine sitzende Bürotätigkeit sei auszuschließen. Gemeint ist hier eine andauernd sitzende Tätigkeit. Auf Grund der vorliegenden Unterlagen ergibt sich folgendes Leistungskalkül:
Eine Tätigkeit unter mittelschwerer körperlicher Beanspruchung, mit Heben, Ziehen und Tragen von Lasten, Überkopfarbeiten sowie in dauernder Zwangshaltung, ist nicht mehr möglich. Arbeiten mit längerem Gehen, Sitzen und Stehen sowie häufigem Bücken oder Rotationsbewegungen des Oberkörpers gegen das Becken oder mit weit vorgestreckten Armen, auch bei nur leichter Beanspruchung, sind nicht mehr zumutbar.
Häufiges Stiegensteigen und Arbeiten im Freien unter dem Einfluss von Nässe und Kälte sind nicht mehr möglich.
Eine Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung, wobei die gerade eingenommene Position nach Belieben und nicht durch die Arbeitsanforderungen dauernd vorgegeben, geändert werden kann, unter leichter körperlicher Beanspruchung, ist weiterhin möglich. Bei Bildschirmarbeit, die das Gesamtausmaß von 30 % der Arbeitszeit nicht übersteigen darf, muss die Gelegenheit zum Einhalten von Entspannungspausen jede Stunde über 10 Minuten gewährleistet sein, ein WC muss leicht und schnell erreichbar sein. Die Tätigkeit hat in wohl temperierten Räumen zu erfolgen. Eine leichte Bürotätigkeit, die diesen Anforderungen entspricht, wäre zum Beispiel denkbar."
Dem Beschwerdeführer wurde dieses Gutachten zur Stellungnahme übermittelt. Er erklärte daraufhin in seiner Äußerung vom 11. Dezember 1998, "mit der ärztlichen Beurteilung (Leistungskalkül) NICHT einverstanden" zu sein und legte eine "ärztliche Stellungnahme zur Beurteilung der Restarbeitsfähigkeit" Dris. P. vom 11. Dezember 1998 vor. Neben einer summarischen Darstellung der Krankengeschichte des Beschwerdeführers, dem Hinweis auf das Vorliegen von "radikulären Beschwerden im Sinne einer chronisch-rezidivierenden Lumbalgie" und der Beschreibung seines psychischen Zustands als eine Kombination von Erschöpfungsdepression und involutiver Depression gelangte Dr. P. (auszugsweise) zu folgender
"Stellungnahme:
Das Zusammenwirken der oben beschriebenen mehrfachen schwer wiegendsten somatischen Leidenszustände mit den vertebragenen Veränderungen einerseits und der verstehbaren erheblichen Depression andererseits verlangt - unter Berücksichtigung der üblichen Maßstäbe, die für die Beurteilung beim Arbeitsgericht entscheidend sind - dass mit Sicherheit eine Restarbeitsfähigkeit auch im Sinne von Bewältigung leichter Arbeiten keineswegs mehr vorliegt.
Auch eine Tätigkeit mit wechselnder Körperhaltung ist nicht mehr möglich. Auch halbtägige Arbeiten sind - unter Berücksichtigung aller Leidenszustände - nicht mehr zumutbar.
Es ist weder möglich, eine stehende, gehende oder sitzende Tätigkeit oder eine Arbeit in wechselnder Körperhaltung durchzuführen.
Bücken, Heben und Tragen von leichten Lasten schließen (gemeint wohl: scheiden) aus.
Das Gleiche gilt für jegliche Tätigkeit an exponierten Stellen (Leitern usw.). Auch die Behinderung durch die Inkontinenz (Zustand nach Radikaloperation wegen malignem Neoplasma) muss unterstrichen werden.
Eine Bildschirmarbeit ist gleichfalls durch die vorwiegend sitzende Haltung, durch die Inkontinenz, die cardialen Folgebeschwerden im Zusammenwirken mit der Depression, nicht mehr möglich.
Auf den insulinpflichtigen Diabetes mellitus II, der für sich schon eine Arbeitsunfähigkeit bewirkt, muss gleichfalls hingewiesen werden."
Dr. Z. äußerte sich zu dieser "Stellungnahme" am 19. März 1999 wie folgt:
"Die darin angeführten Defizite wurden bereits bei der Erstellung des Leistungskalküls am 21.10.1998 berücksichtigt. Das Vorliegen einer depressiven Erkrankung und deren Schweregrad ist nach wie vor durch keinerlei Untersuchungsbefunde dokumentiert. Über die dadurch bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit wird keine genaue Aussage gemacht. Es kann deshalb eine eventuelle Behandelbarkeit oder eine prognostische Aussage über den weiteren Krankheitsverlauf (gemeint wohl: nicht) erfolgen. Eine Änderung des Leistungskalküls ergibt sich dadurch nicht.
Das Vorliegen von 'radikulären Beschwerden' bei einer chronisch-rezidivierenden Lumbalgie ist durch Untersuchungsbefunde weder klinisch funktionell, noch bildgebend dokumentiert. Die nicht näher beschriebenen 'Bandscheibenschäden im Bereich L4/L5 und L5/S1', sind in ihrer funktionellen Auswirkung nicht dokumentiert und mindern das Kalkül nicht.
Das Vorhandensein eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II führt nicht 'schon für sich genommen' zu einer Arbeitsunfähigkeit, wie von Dr. P. behauptet wird.
Vielmehr richtet sich eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit nach dem Grad von eventuell vorhandener Sekundärfolgen - oder Komplikationen, die in der Folge der Erkrankung auftreten können. Im vorliegenden Fall sind keinerlei Komplikationen oder Spätfolgen dokumentiert. Es ergibt sich keine Änderung der Beurteilung einer Restarbeitsfähigkeit."
Mit Bescheid des Bundespensionsamtes vom 12. November 1999 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß der §§ 3 bis 7 und 62 b des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (PG), vom 1. Mai 1998 ein Ruhegenuss von monatlich brutto S 15.649,20 gebühre. Bei der Ruhegenussbemessung brachte die erstinstanzliche Behörde die Kürzungsregel des § 4 Abs. 3 PG in der ab 1. Jänner 1998 in Kraft gestandenen Fassung zur Anwendung und verneinte das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit.
In der Begründung ihres Bescheides gibt die erstinstanzliche Behörde das Gutachten Dris. Z. vom 21. Oktober 1998 wieder und geht auf die Vorlage der "ärztlichen Stellungnahme" Dris. P durch den Beschwerdeführer ein. Sodann wird die hiezu abgegebene Stellungnahme Dris. Z vom 29. März 1999 (mit Ausnahme des ersten Absatzes über den psychischen Zustand des Beschwerdeführers) dargestellt. Zusammenfassend ergebe sich - so die erstinstanzliche Behörde weiter - aus dem unbedenklichen und schlüssigen Gutachten Dris. Z., dass der Beschwerdeführer nicht im Sinne des § 4 Abs. 7 PG außer Stande sei, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen. Abschließend wurde die rechnerische Ermittlung des dem Beschwerdeführer gebührenden Ruhegenusses dargelegt.
In seiner dagegen erhobenen Berufung ersuchte der Beschwerdeführer um die "neuerliche Überprüfung des Ermittlungsverfahren" und legte weitere Unterlagen vor: einerseits einen ärztlichen Befundbericht vom 29. November 1999 des Univ. Prof. Dr. T., in dem die von ihm am Beschwerdeführer an der Neurochirurgischen Universitätsklinik durchgeführten Eingriffe und die postoperativ bestehenden Restbeschwerden "vorwiegend im lumbalen Bereich, in Form einer Lumbalgie, sowie pseudoradikuläre Beschwerden in beiden unteren Extremitäten, intermittierend jedoch auch Schmerzen im Sinne eines Cervikalsyndroms mit lästigen Nacken-Hinterhaupt-Kopfschmerzen sowie einstrahlenden Schmerzen in die Schultern" dargestellt werden. Hinzu kommt eine Aufzählung für den Zustand des Beschwerdeführers förderlicher (größtmögliche Schonung, regelmäßiges Turnen bzw. eine Physiotherapie, häufiger Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Liegen) und schädlicher Tätigkeiten (Meiden von Kälte und Nässe, kein langes Sitzen, Autofahren oder Schreibtischtätigkeiten); und andererseits eine ärztliche Bestätigung vom 3. Dezember 1999 Dris. H., des den Beschwerdeführer seit der Herzoperation behandelnden Internisten. Darin wird von einem nach der zufrieden stellenden Bypassoperation immer wieder dokumentierbaren tachycarden Vorhofflimmern gesprochen, das wegen der gleichzeitig bestehenden Bradycardieneigung medikamentös nicht leicht zu behandeln wäre.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Februar 2000 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht statt und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen gab die belangte Behörde das Leistungskalkül Dris. Z., die dazu abgegebene Stellungnahme des Beschwerdeführers und die von Dr. Z. erstattete Replik vom 19. März 1999 wieder, wobei der 4. Satz des 1. Absatzes, der die Depression anspricht, in den Bescheid wie folgt aufgenommen wurde:
"Es kann deshalb keine Aussage über eine eventuelle Behandelbarkeit oder eine prognostische Aussage über den weiteren Krankheitsverlauf erfolgen."
Die in der Berufung vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen erachtete die belangte Behörde entsprechend der Replik Dris. Z. schon in ausreichendem Maße durch dessen Erstgutachten berücksichtigt, sodass sie den Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde, die im Wesentlichen aus dem Erstgutachten Dris. Z. vom 21. November 1998 bestünden, habe folgen können. Es sei davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer "durchaus Tätigkeiten in der vom Gutachter beschriebenen Art - etwa leichte Bürotätigkeit, die auch 30 % Bildschirmarbeit umfassen kann, wenn die vorgeschriebenen Entspannungspausen eingehalten werden - noch zumutbar" wären. Die mit der Berufung vorgelegten Gutachten enthielten keine grundlegend anderen Auskünfte über seine noch vorhandenen körperlichen und geistigen Kräfte, sodass dauernde Erwerbsfähigkeit daher nicht gegeben wäre, die Anwendung der Kürzungsbestimmungen des § 4 Abs. 3 PG durch die erstinstanzliche Behörde sei daher zu Recht erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Ruhebezug in gesetzlicher Höhe nach den Bestimmungen des Pensionsgesetzes verletzt.
Unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer ein, dass jedenfalls hinsichtlich der "Wurzelirritation", deren Vorliegen von Dr. Z. einerseits verneint und andererseits als nicht dokumentiert angesehen worden sei, und der Depression, deren Vorliegen bzw. Schweregrad gleichfalls als nicht dokumentiert angesehen worden sei, "mindestens eine schwer wiegende Divergenz in Bezug auf den Schweregrad" bestehe. "Im Hinblick auf das Gebot der objektiven Wahrheitsfindung" hätte die belangte Behörde Dr. Z. verhalten müssen, einerseits die Befundaufnahme über die depressive Erkrankung selbst vorzunehmen oder durch einen geeigneten Facharzt vornehmen zu lassen und andererseits bezüglich der "radikulären Beschwerden" anzugeben, ob solche auch ohne die von ihm vermissten "klinisch funktionelle", "bildgebende" Dokumentierung vorliegen könnten. Zu letzterem hätte sie auch eine zusätzliche Stellungnahme Dris. P. hinsichtlich der Grundlage seiner Diagnose einholen müssen.
Selbst unter der Annahme, dass die Ausführungen Dris. Z. zutreffend seien, habe es die belangte Behörde verabsäumt, ein berufskundliches Gutachten einzuholen, ob es einen auf dem Arbeitsmarkt vorhandenen Berufstypus gebe, dessen Anforderungen der Beschwerdeführer gerecht werden könne.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wurde mit Ablauf des 30. April 1998 in den Ruhestand versetzt.
Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides stand § 4 PG in der Fassung der 1. Dienstrechts-Novelle 1998, BGBl. Nr. 123/1998, in Kraft. Dieser lautete auszugsweise:
"§ 4. (1) Der Ruhegenuss wird auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.
(2) 80 vH des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden die Ruhegenussbemessungsgrundlage.
(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.
(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt
...
3. wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.
...
(7) Als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z 3 gilt ein Beamter nur dann, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen."
Gegenstand des vorliegenden Ruhegenussbemessungsverfahrens ist die Klärung der Frage, ob der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung "dauernd erwerbsunfähig" war (§ 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965) und ob demnach die Kürzungsregelung des § 4 Abs. 3 PG 1965 zu Recht zur Anwendung gelangte oder nicht.
Eine solche dauernde Erwerbsunfähigkeit liegt dann vor, wenn die im maßgebenden Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung allenfalls bestehende Erwerbsunfähigkeit nicht bloß eine vorübergehende ist, daher die Erwerbsfähigkeit innerhalb absehbarer Zeit nicht wieder erlangt werden kann. Erwerbsfähigkeit bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen; sie ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abstrakt zu beurteilen. Es ist daher nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht; es muss sich um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist. Sie setzt aber jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus. Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist (zuletzt das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2003, Zl. 2002/12/0143, mwN)
Gestützt auf das im Verfahren eingeholte medizinischen Gutachten Dris. Z. und dessen Ergänzung gelangte die belangte Behörde zum Schluss, der Beschwerdeführer sei im Sinne des § 4 PG 1965 nicht erwerbsunfähig, sondern - im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung - in der Lage gewesen, nur allgemein umschriebene, nicht näher genannte leichte Bürotätigkeiten noch ausüben zu können.
Die Kritik des Beschwerdeführers richtet sich gegen das Ergänzungsgutachten. Er macht zu Recht geltend, dass diesbezüglich eine Unvollständigkeit bzw. Widersprüchlichkeit und Ergänzungsbedürftigkeit vorliegt, die der belangten Behörde hätte auffallen müssen:
Das Ergänzungsgutachten Dris. Z. nimmt Bezug auf das (zweite) Privatgutachten Dris. P., der darin - wie bereits in seinem ersten Gutachten - auf radikuläre Beschwerden im Sinne einer chronischrezidivierenden Lumbalgie, neuerliche Bandscheibenschäden im Bereich L4/5 und L5/S1 und auf eine Kombination von Erschöpfungsdepression und involutiver Depression hinwies. Dr. Z. gelangte in seinem Ergänzungsgutachten zu keiner Änderung seiner bisherigen Einschätzung und begründete dies - wie eingangs dargestellt - zusammengefasst lediglich damit, dass weder die radikulären Beschwerden (klinisch-funktionell oder bildgebend) noch die Bandscheibenschäden (in ihrer funktionellen Auswirkung) dokumentiert seien, auch das Vorliegen einer depressiven Erkrankung und deren Schweregrad sei durch keinerlei Untersuchungsbefunde dokumentiert.
Dem auf dem Ergänzungsgutachten Dris. Z. gründenden erstinstanzlichen Bescheid ist der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren mit dem erwähnten "Befundbericht" Dris. T. bzw. der "Bestätigung" Dris. H. entgegengetreten, wobei in ersterem wiederum Aussagen über die bei ihm bestehende "radikuläre Schmerzsymptomatik" bzw. die vorhandenen "pseudoradikulären Beschwerden" enthalten sind.
Auf Grund der unterschiedlichen Beweisergebnisse hätte die belangte Behörde sich nicht mit dem Hinweis Dris. Z. begnügen dürfen, es seien weder die radikulären Beschwerden und die Bandscheibenschäden (klinisch-funktionell bzw. bildgebend) noch die Depression durch die vom Beschwerdeführer beigebrachten Privatgutachten "dokumentiert", sie hätte vielmehr auf eine Ergänzung des Gutachtens bzw. auf eine Klarstellung hinwirken müssen, weil das Fehlen einer Dokumentation (im Sinne von weiteren Untersuchungsbefunden, Röntgenaufnahmen etc.) allein nicht die dem Ergänzungsgutachten Dris. Z. offenkundig zu Grunde liegende Annahme zulässt, die genannten Defizite bestünden nicht. Sodann hätte sie schlüssig und nachvollziehbar darlegen müssen, ob auf Grund des festgestellten Gesundheitszustandes - im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung - eine Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers vorliegt, bejahendenfalls wäre auf der Grundlage eines solcherart ermittelten Leistungskalküls ein berufskundliches Gutachten einzuholen gewesen, durch das klargestellt wird, ob es auf dem Arbeitsmarkt (abstrakt) vorhandene Berufstypen gibt, deren Anforderungen er - mit den vorgegebenen Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit - gerecht werden kann.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Pauschalgebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG war mit EUR 181,68 zuzuerkennen.
Wien, am 26. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000120061.X00Im RIS seit
03.07.2003