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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §16 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des Mag. W R in G, vertreten durch Dr. Manfred Nessmann, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 23. März 2001, GZ. RV1157/1-8/2000, betreffend Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1999, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist beim Magistrat Salzburg beschäftigt. Vom 16. September 1996 bis zum 31. Oktober 1999 nahm er in der Nähe von Salzburg, ab 1. November 1999 in Salzburg einen Zweitwohnsitz. Seinen Familienwohnsitz hat er gemeinsam mit Ehefrau, Tochter und Mutter in einem nahe Linz gelegenen Ort. Strittig ist, ob die Kosten der doppelten Haushaltsführung (Miete, Vergebührung des Mietvertrages, Familienheimfahrten) Werbungskosten darstellen.
Anders als in den Vorjahren berücksichtigte das Finanzamt die Aufwendungen bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 1999 nicht mehr als Werbungskosten.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, dass eine Verlegung des Familienwohnsitzes deswegen nicht in Frage komme, weil seine (nicht berufstätige) Ehefrau seine 1913 geborene, pflegebedürftige Mutter in dem gemeinsamen Haus betreue. Einer Frau in diesem Alter könne eine Übersiedlung nach Salzburg nicht zugemutet werden, ohne dass lebensbedrohende gesundheitliche Folgen zu befürchten seien. Ebenso sei es unzumutbar, seine Mutter in einem Seniorenheim unterzubringen, da sie seit vielen Jahren in der Familie des Beschwerdeführers integriert sei.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 6. September 2000 wies das Finanzamt die Berufung ab, weil der Familienwohnsitz aus rein persönlichen oder familiären Gründen beibehalten worden sei.
Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, indem er rügte, das Finanzamt habe sich mit der Frage, ob ihm die Wohnsitzverlegung (bereits vor dem Streitjahr) zumutbar gewesen sei, in keiner Weise auseinander gesetzt.
Anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer laut Niederschrift vom 15. März 2001 an, dass zusätzlich zum hohen Alter und der Pflegebedürftigkeit seiner Mutter, der Schulbesuch der Tochter in Linz einer Wohnsitzverlegung nach Salzburg entgegenstehe. Da auch das Eigenheim mit beträchtlichem finanziellen Aufwand umgebaut worden sei, werde eine Wohnsitzverlegung gegenwärtig nicht angestrebt; über eine solche werde nach Wegfall der Hinderungsgründe "nachgedacht".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass Aufwendungen für einen Zweitwohnsitz am Arbeitsort sowie Aufwendungen für Familienheimfahrten nur insofern Werbungskosten darstellen könnten, als nicht nur die (seinerzeitige) Begründung, sondern auch die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung beruflich veranlasst sei. Je länger die doppelte Haushaltsführung währe, umso stärker würden private Gründe zu Tage treten, die einen Steuerpflichtigen veranlassten, die doppelte Haushaltsführung beizubehalten. Der berufliche Zusammenhang werde bei fortschreitender Dauer der doppelten Haushaltsführung immer mehr gelockert, so dass die privaten Gründe die ursprünglich berufliche Veranlassung letztendlich völlig überlagern könnten. Erfahrungsgemäß könne für einen Zeitraum von zwei Jahren das Vorliegen einer beruflichen Veranlassung vermutet werden. Der Beschwerdeführer sei bereits seit September 1996 beim Magistrat der Stadt Salzburg in leitender Funktion tätig und werde seinen Dienstort voraussichtlich auch beibehalten. Eine Verlegung des Familienwohnsitzes sei bis zum heutigen Tag nicht erwogen worden. Der Hinweis auf das hohe Alter der Mutter - ein rein privater Grund - reiche nicht hin, "eine positive Erledigung des Berufungsverfahrens" zu bewirken.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften u.a. nicht abgezogen werden:
1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.
2.a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die Beibehaltung eines Familienwohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen (vgl. die grundsätzlichen Ausführungen im Erkenntnis vom 9. Oktober 1991, 88/13/0121). In dem zitierten Erkenntnis wird weiter ausgeführt: Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen müsste. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit seines Ehegatten.
In dem dem zitierten Erkenntnis zu Grunde liegenden Beschwerdefall hatte der Steuerpflichtige das Unterbleiben der Verlegung seines Familienwohnsitzes u.a. mit der Pflegebedürftigkeit seiner Mutter und mit der beabsichtigten (Wieder)Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit an diesem Ort begründet. Der Gerichtshof hat erkannt, dass beide Umstände zumindest für die Streitjahre gewichtige Gründe darstellen, die für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes sprechen.
Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer wiederholt auf die Pflegebedürftigkeit seiner Mutter hingewiesen und im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gerügt, das Finanzamt habe sich in keiner Weise mit der sich daraus für ihn ergebenden Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung auseinander gesetzt. In der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, dass auch die belangte Behörde nicht auf die Frage der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung eingegangen sei.
Diese Rüge ist berechtigt. Der Beschwerdeführer hat ein - nach der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht von vornherein ungeeignetes - Sachvorbringen zum Vorliegen einer Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung infolge der Pflegebedürftigkeit seiner Mutter erstattet und auf eine ihr im Falle einer Übersiedlung drohende Gefahr hingewiesen. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen nicht ausreichend auseinander gesetzt. Der Hinweis, bei den vom Beschwerdeführer angeführten Gründen für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes handle es sich um ausschließlich solcher privater Natur, verfängt nach der referierten Rechtsprechung nicht.
Zu den Ausführungen in der Gegenschrift, der Übersiedlung der Mutter sei wohl nur deren "subjektive Einstellung" entgegengestanden, ist zu sagen, dass zu einer solchen Annahme im fortgesetzten Verfahren Parteiengehör zu gewähren sein wird, in dessen Rahmen der Beschwerdeführer Gelegenheit hat, sein gegenteiliges Vorbringen durch entsprechende Beweismittel (etwa ärztliche Atteste) glaubhaft zu machen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Was den Schulbesuch der Tochter in Linz anlangt, wird es im fortgesetzten Verfahren am Beschwerdeführer liegen, bereits im Verwaltungsverfahren aufzuzeigen - ein derartiges Sachvorbringen geht aus dem vom Beschwerdeführer unterfertigten Aktenvermerk nämlich nicht hervor - , dass im Streitjahr eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit im Einzugsbereich des Dienstortes nicht bestanden hätte.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 EuroG, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 27. Mai 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001140121.X00Im RIS seit
24.06.2003Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013