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L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
FlVfGG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Beck und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde des Rudolf L in K, vertreten durch Dr. Horst Brunner und Dr. Emilio Stock, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Vorderstadt 16, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 5. März 1998, Zl. LAS - 130/9-87, betreffend Einzelteilung einer Agrargemeinschaft (mitbeteiligte Parteien: 1) Agrargemeinschaft F, vertreten durch den Obmann Andreas L in W, und 2) Andreas L in W, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstmitbeteiligte Agrargemeinschaft (1. MP) hat zwei Mitglieder. Zu 54 Anteilen und damit mehrheitlich ist an ihr die Stammsitzliegenschaft beanteilt, die derzeit im Eigentum des Zweitmitbeteiligten des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (2. MB) steht, während die im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Stammsitzliegenschaft an der 1. MP mit 20 Anteilen beteiligt ist. Über die Nutzung des agrargemeinschaftlichen Alpgrundstückes liegen die Eigentümer der beiden Stammsitzliegenschaften miteinander seit über einem Jahrzehnt in Streit, wie dies schon dem im Vorfeld der schließlich durchgeführten Regulierung des Gemeinschaftsbesitzes ergangenen hg. Erkenntnis vom 7. November 1989, 89/07/0129, entnommen werden kann.
Nachdem die Regulierung des agrargemeinschaftlichen Besitzes mit Bescheid (Regulierungsplan) des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde 1. Instanz (AB) vom 22. Dezember 1995 schließlich abgeschlossen worden war, kam es zunächst noch zu einem gemeinsamen Antrag der Eigentümer der beiden Stammsitzliegenschaften auf Abänderung des Regulierungsplanes, dem die AB mit Bescheid vom 4. März 1996 entsprach. Schon am 22. Jänner 1997 aber langte eine Eingabe des Beschwerdeführers bei der AB ein, in welcher der Beschwerdeführer die Auflösung der Agrargemeinschaft durch Umwandlung der Anteilsrechte in Einzeleigentum mit dem Vorbringen begehrte, dass zwischen den Mitgliedern der Agrargemeinschaft ständig Streit herrsche und dementsprechend zahlreiche Gerichtsverfahren geführt würden, weil die gemeinsame Bewirtschaftung trotz Regulierung ständig Probleme aufwerfe, sodass die Aufhebung der Agrargemeinschaft der Verbesserung der Agrarstruktur diene, den Interessen der Landeskultur nicht widerspreche und für die Stammsitzliegenschaften auf Dauer vorteilhafter als die Aufrechterhaltung der Gemeinschaft sei. Die pflegliche Behandlung und die zweckmäßige Bewirtschaftung der zu bildenden Teilflächen sei jedenfalls gewährleistet. Die Bestimmung des Gesetzes, nach welcher eine Einzelteilung nur von mehr als der Hälfte der Mitglieder der Agrargemeinschaft zulässig beantragt werden könnte, müsse nach der Besonderheit der Fallkonstellation teleologisch reduziert werden, weil bei einer nur aus zwei Mitgliedern bestehenden Agrargemeinschaft jedes ihrer Mitglieder die Auflösung beantragen können müsse.
In einer von der AB eingeholten Stellungnahme eines Amtssachverständigen wurde der in der Wassernutzung bestehende aktuelle Streitpunkt zwischen den beiden Eigentümern der Stammsitzliegenschaften geschildert und ausgeführt, dass dieser Streitpunkt durch eine Teilung nicht zu regeln sein werde, sondern durch eine Teilung vielmehr der Weg für gerichtliche Auseinandersetzungen eröffnet würde, was langwierige und wenig erfolgversprechende Prozesse zur Folge haben würde. Die "Obhut der Agrarbehörde und der zuständigen Fachabteilungen" scheine heute notwendiger denn je zu sein. Jedenfalls gegen eine Teilung spreche das Vorhandensein der Eigenjagd, welche neben der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung die einzige Einnahme der Agrargemeinschaft darstelle. Der Verlust der Eigenjagd wäre ein schwerer, nachhaltiger Schaden für die Agrargemeinschaft.
Der zur Äußerung zum Teilungsantrag aufgeforderte 2. MB sprach sich gegen die beantragte Einzelteilung der Agrargemeinschaft aus und sprach dem Beschwerdeführer die Legitimation zur Antragstellung unter Hinweis auf die gesetzliche Bestimmung ab, welche hiefür einen Antrag von mehr als der Hälfte der Mitglieder der Agrargemeinschaft fordere. Bestehe eine Agrargemeinschaft nur aus zwei Anteilsberechtigten, dann sei ein einzelner Anteilsberechtigter zu einer solchen Antragstellung nicht berechtigt. Auch die bestehenden Mehrheitsverhältnisse schlössen eine Befugnis des Beschwerdeführers zur unternommenen Antragstellung aus. Durch eine Teilung der Gemeinschaft würden zudem allgemeine volkswirtschaftliche Interessen und besonders die Interessen der Landeskultur verletzt, weil die pflegliche Bewirtschaftung bei einer größeren Fläche eher gewährleistet sei als bei einem durch die Teilung entstehenden Splitterbesitz. Nach dem Flächenausmaß der Gemeinschaftsalpe würde im Teilungsfall auf den Beschwerdeführer eine Fläche von etwa 36 ha entfallen, welche eine pflegliche Almbewirtschaftung kaum ermöglichen würde. Auch der Verlust der Eigenjagd der Alpe würde einen großen wirtschaftlichen Nachteil darstellen. Eine Lösung der in der Vergangenheit aufgetauchten Streitigkeit über die Form der Ausnutzung des vorhandenen Wasserdargebotes sei durch eine Teilung nicht zu erwarten. Auch die Lage der Alpgebäude lasse eine Teilung als nicht durchführbar erkennen.
Mit einem bei der AB am 16. April 1997 eingelangten Anbringen vom 11. April 1997 machte der Beschwerdeführer eine Befangenheit des Amtssachverständigen zufolge eines behaupteten Naheverhältnisses zur Gegenseite geltend und widersprach den vom Amtssachverständigen und vom 2. MB gegen die Teilung vorgetragenen Einwänden. Die Probleme der Wasserversorgung ließen sich eben gerade durch eine Teilung lösen und dass durch eine Teilung erst der Weg für gerichtliche Auseinandersetzungen frei werden würde, treffe nicht zu, weil erst die durch die Gemeinschaft erzwungenen Gemeinsamkeiten zu diesen Streitigkeiten führten. Wie bei einer unheilbar zerrütteten Ehe sei die klare Trennung die einzige Garantie dafür, dass keine weiteren Auseinandersetzungen mehr stattfänden. Schon im Jahre 1995 sei beim Landesgericht Innsbruck ein Strafverfahren anhängig gewesen, das auch wieder aus den durch die Gemeinschaft erzwungenen Berührungspunkten resultiert habe. Der Hinweis auf einen allfälligen Verlust der Eigenjagd sei nicht stichhaltig und bedeute nicht, dass die Grundeigentümer aus diesem Titel keine Einkünfte mehr haben würden. Im Vordergrund müsse die optimale land- und forstwirtschaftliche Nutzung der betroffenen Flächen stehen, der gegenüber die Interessen im Hinblick auf eine jagdwirtschaftliche Nutzung in den Hintergrund zu treten hätten. Der Beschwerdeführer stütze seinen nach § 42 Abs. 3 lit. a TFLG gestellten Antrag nunmehr ausdrücklich auch auf die Bestimmung des § 42 Abs. 3 lit. b TFLG, aus welcher Vorschrift sich das Recht der einzelnen Mitglieder ergebe, aus der Gemeinschaft auszuscheiden, sodass vom Beschwerdeführer somit hilfsweise auch die Sonderteilung beantragt werde.
Mit Bescheid vom 9. Jänner 1998 wies die AB, gestützt auf § 43 Abs. 4 und 5 TFLG 1996 in Verbindung mit § 42 Abs. 3 lit. a und b leg. cit. das Begehren des Beschwerdeführers ab. Im Falle einer nur aus zwei Eigentümern anteilsberechtigter Stammsitzliegenschaften bestehenden Agrargemeinschaft sei ein einzelner Anteilsberechtigter allein nicht zur Stellung eines Einzelteilungsantrages befugt, wozu noch komme, dass der Beschwerdeführer über eine Minderheit der Anteile an der Agrargemeinschaft verfüge, weshalb sein nach § 42 Abs. 3 lit. a TFLG 1996 gestellter Antrag unzulässig sei. Zur Stützung des Antrages hilfsweise auf die Bestimmung des § 42 Abs. 3 lit. b TFLG 1996 sei der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift auf das Ausscheiden einzelner Mitglieder der Agrargemeinschaft unter Aufrechterhaltung derselben zwischen den übrigen Mitgliedern abziele, weshalb die Agrargemeinschaft für die verbliebenen Mitglieder noch aufrecht bleiben solle. Bei Ausscheiden der Stammsitzliegenschaft des Beschwerdeführers könnte die Agrargemeinschaft aber nicht mehr weiter existieren, sondern würde den derzeit anteilsberechtigten Stammsitzliegenschaften Einzeleigentum zugewiesen, weshalb sich auch der nach § 42 Abs. 3 lit. b TFLG 1996 gestellte Teilungsantrag als unzulässig darstelle. Trotz Fehlens der formellen Voraussetzungen für die Einleitung eines Einzelteilungsverfahrens sei darauf hinzuweisen, dass eine Auflösung der Agrargemeinschaft hier auch den Zielen des § 42 Abs. 4 TFLG 1996 nicht gerecht würde, zumal sie mit dem Verlust der Eigenjagd einhergehen müsse. Auch die jüngst aufgetretenen Probleme hinsichtlich einer Nutzung des Wasserdargebotes ließen sich im Rahmen der Aufsicht über Agrargemeinschaften lösen, wenn die Eigentümer der anteilsberechtigten Liegenschaften zu einer entsprechenden Mitwirkung bereit seien. Die sich für einen Minderheitsbeteiligten an einer Agrargemeinschaft mit bloß zwei Mitgliedern ergebende Unmöglichkeit, aus der Agrargemeinschaft auszuscheiden, ergebe sich zwangsläufig aus der gesetzlichen Regelung zur Antragstellung, aus welcher eben eine höhere Bestandsgarantie agrargemeinschaftlichen Eigentums im Vergleich zu den privatrechtlichen Bestimmungen über das Miteigentum resultiere. Es verkenne die Behörde nicht das Problem, dass bei einer Kleinstagrargemeinschaft von drei Mitgliedern das dritte Mitglied den Sonderteilungsantrag noch stellen könne, was nach dessen Ausscheiden dann dem zweiten Mitglied verwehrt bleibe. Ob die flurverfassungsgesetzliche Rechtslage zweckmäßig sei und mit den grundsatzgesetzlichen Vorgaben und der Verfassung im Einklang stehe, sei von der Agrarbehörde nicht zu beurteilen.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung rügte der Beschwerdeführer das Fehlen jener Tatsachenfeststellungen, von welchen die AB in ihrer rechtlichen Beurteilung ausgegangen sei, und bekämpfte die Rechtsansicht der Agrarbehörde mit dem Vorbringen, dass das Gesetz dem Einzelnen die Möglichkeit eröffne, aus der Agrargemeinschaft auszuscheiden. Der Wunsch der Mehrheit nach dem Weiterbestand der Agrargemeinschaft könne dem Wunsch des Einzelnen nach dem Ausscheiden aus der Agrargemeinschaft rechtlich nicht hindernd entgegenstehen. Dass bei einer Agrargemeinschaft mit drei Mitgliedern jedem das Recht auf Ausscheiden aus der Agrargemeinschaft zustünde, bei einer Agrargemeinschaft mit zwei Mitgliedern aber keinem, sei ein bedenkliches Auslegungsergebnis, weil dann bei einer Agrargemeinschaft mit drei Mitgliedern nur dasjenige das Recht auf Sonderteilung hätte, welches früher seinen Antrag stelle, sodass die verbleibenden Mitglieder "sich dann ihr Leben lang miteinander streiten" müssten. Dem Ideal der Aufrechterhaltung der Agrargemeinschaft wäre auch im Beschwerdefall entsprochen, weil die verbleibende Restfläche vom "verbleibenden" 2. MB wie bisher "einheitlich" bewirtschaftet werden könnte.
Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme des 2. MB zur Berufung ein, in welcher dieser der Rechtsauffassung der AB beitrat und die Berufung als unbegründet beurteilte, und führte sodann am 5. März 1998 die Berufungsverhandlung durch, in welcher die Streitteile ihre Standpunkte wiederholten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der AB vom 9. Jänner 1998 als unbegründet ab, wobei sie aus Anlass der Berufung den Spruch des Bescheides der AB dahin abänderte, dass der Antrag des Beschwerdeführers vom 20. Jänner 1997 als unzulässig zurückgewiesen, sein Antrag vom 11. April 1997 hingegen abgewiesen werde. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, aus der im Bescheid der AB vorgenommenen Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen ergebe sich im Zusammenhalt mit der Begründung des Bescheides, dass die AB sowohl über den Primärantrag als auch über den Eventualantrag des Beschwerdeführers entschieden habe. Nach der maßgebenden Gesetzesbestimmung setze ein gültiger Antrag auf Einzelteilung voraus, dass diese von mehr als der Hälfte der Mitglieder beantragt werde. Bei einer aus zwei Mitgliedern bestehenden Agrargemeinschaft fehle einem Mitglied alleine die Antragslegitimation; folge man der im Schrifttum vertretenen Auffassung, dass es auf die Mehrheit der Anteile ankomme, dann erweise dies den vom Beschwerdeführer gestellten Einzelteilungsantrag ebenso als unzulässig. Agrargemeinschaften mit nur zwei Mitgliedern seien keine singulären Erscheinungen. Das Mehrheitserfordernis für die Antragstellung zu einer Einzelteilung in der Form der Auflösung der Agrargemeinschaft könne mit dem Mehrheitserfordernis für die Beschlussfähigkeit in der Vollversammlung verglichen werden, zu welchem der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. April 1989, 85/07/0301, ausgeführt habe, dass das Erfordernis einer Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder zur Beschlussfähigkeit der Vollversammlung für eine Agrargemeinschaft mit nur zwei Mitgliedern bedeute, dass ein gültiger Beschluss nur in Anwesenheit beider Mitglieder zustande komme. Daraus werde deutlich, dass bei einer Agrargemeinschaft mit nur zwei Mitgliedern in bestimmten Fällen ein gleichgerichtetes Tätigwerden beider Mitglieder erforderlich sei. Habe es dem Beschwerdeführer für die begehrte Einzelteilung in Form des § 42 Abs. 3 lit. a TFLG 1996 somit an der Antragslegitimation gemangelt, so sei sein Antrag vom 20. Jänner 1997 als unzulässig zurückzuweisen gewesen, in welcher Richtung der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides von der belangten Behörde abzuändern gewesen sei.
Antragslegitimation für die Einzelteilung in der Form der Sonderteilung sei dem Beschwerdeführer im Grunde der Bestimmung des § 43 Abs. 5 TFLG 1996 zwar zuzugestehen, jedoch komme eine Sonderteilung im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil sie voraussetze, dass nach Ausscheiden eines Mitgliedes oder einzelner Mitglieder aus der Agrargemeinschaft diese zwischen den übrigen Mitgliedern aufrecht erhalten werde, was im Falle der Sonderteilung einer Agrargemeinschaft mit nur zwei Mitgliedern schon begrifflich nicht mehr möglich sei. Würde doch eine Sonderteilung im Ergebnis wie eine Einzelteilung nach § 42 Abs. 3 lit. a TFLG 1996 zur gänzlichen Auflösung der Agrargemeinschaft führen. Der auf Sonderteilung gerichtete Eventualantrag des Beschwerdeführers sei von der AB damit zutreffend abgewiesen worden. Die Mängelrüge des Beschwerdeführers erweise sich als unbegründet, weil der der Entscheidung der AB zugrunde liegende Sachverhalt nicht strittig sei. Ein absoluter Rechtsanspruch auf Ausscheiden aus einer Agrargemeinschaft sei entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers dem Gesetz nicht zu entnehmen; die in § 42 Abs. 4 TFLG 1996 normierten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Teilung deuteten vielmehr auf einen gegenteiligen Standpunkt des Gesetzes hin. Die Überlegung des Beschwerdeführers, dass dem Ideal der Aufrechterhaltung der Agrargemeinschaft entsprochen werden könnte, wenn aus einer Agrargemeinschaft mit zwei Mitgliedern ein Mitglied ausscheide, könne die belangte Behörde nicht nachvollziehen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 9. Juni 1998, B 830/98, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Vor diesem Gerichtshof begehrt der Beschwerdeführer die Bescheidaufhebung mit der aus dem Gesamtzusammenhang seines Vorbringens erschließbaren Erklärung, sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Ausscheiden aus der Agrargemeinschaft als verletzt anzusehen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Während sich die 1. MP am verwaltungsgerichtlichen Verfahren trotz gebotener Gelegenheit nicht beteiligt hat, hat die 2. MB in ihrer Gegenschrift auch die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 34 Abs. 1 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (TFLG 1996), LGBl. 74/1996, in seiner nach dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Stammfassung bildet die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht am agrargemeinschaftlichen Grundstück gebunden ist (Stammsitzliegenschaften), einschließlich jener Personen, denen persönliche (walzende) Anteilsrechte zustehen, eine Agrargemeinschaft.
Die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken kann nach § 41 TFLG 1996 durch Teilungen oder Regulierungen erfolgen.
Die für den Beschwerdefall bedeutsamen Bestimmungen der §§ 42 und 43 TFLG 1996 haben in ihrer hier maßgebenden Fassung folgenden Wortlaut:
"§ 42
Teilungen
(1) Die Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke, bei der Teilflächen in das Eigentum von Mitgliedern der Agrargemeinschaft übergehen, kann eine Haupt- oder Einzelteilung sein.
(2) Die Hauptteilung besteht in der Auseinandersetzung zwischen der Gemeinde (Ortschaft oder Gemeindeteil) und einer Agrargemeinschaft oder zwischen mehreren Agrargemeinschaften.
(3) Die Einzelteilung besteht entweder
a) in der Auflösung der Agrargemeinschaft unter Umwandlung der Anteilsrechte in Einzeleigentum oder
b) im Ausscheiden einzelner Mitglieder der Agrargemeinschaft unter Aufrechterhaltung derselben zwischen den übrigen Mitgliedern (Sonderteilung) oder
c) in der Aufteilung eines Teiles der agrargemeinschaftlichen Grundstücke auf alle oder einzelne Mitglieder der Agrargemeinschaft unter Aufrechterhaltung dieser Gemeinschaft für den restlichen Teil des gemeinschaftlichen Besitzes bei allfälliger Änderung der Anteilsrechte.
(4) Eine Teilung ist nur zulässig, wenn
a)
die Anteilsrechte rechtskräftig festgestellt sind;
b)
die gänzliche oder teilweise Aufhebung der Gemeinschaft der Verbesserung der Agrarstruktur dient und nicht den Interessen der Landeskultur widerspricht;
c) die Teilung für die Stammsitzliegenschaften dauernd vorteilhafter ist als die Aufrechterhaltung der Gemeinschaft und
d) die pflegliche Behandlung und die zweckmäßige Bewirtschaftung der zu bildenden Teilflächen gewährleistet ist.
(5) Bei Teilungen treten die Abfindungsgrundstücke, Geldausgleiche und Geldabfindungen hinsichtlich aller rechtlichen Beziehungen zu dritten Personen an die Stelle der früheren Anteilsrechte, soweit nicht anderes vereinbart ist.
§ 43
Einleitung und Einstellung von Teilungsverfahren
(1) Die Hauptteilung erfolgt auf Antrag oder von Amts wegen, die Einzelteilung nur auf Antrag.
(2) Den Antrag auf Einleitung eines Hauptteilungsverfahrens können nur die beteiligten Gemeinden oder Agrargemeinschaften stellen.
(3) Die Einleitung eines Hauptteilungsverfahrens hat von Amts wegen zu erfolgen, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse der Agrargemeinschaft eine Auseinandersetzung zwischen den Parteien erfordern oder wenn infolge der Teilung eine Steigerung des Ertrages oder eine Verbesserung der Betriebsstruktur der Stammsitzliegenschaften zu erwarten ist.
(4) Eine Einzelteilung nach § 42 Abs. 3 lit. a oder lit. c bedarf des Antrages von mehr als der Hälfte der Mitglieder der Agrargemeinschaft.
(5) Bei Sonderteilung nach § 42 Abs. 3 lit. b ist der Antrag von den die Ausscheidung begehrenden Mitgliedern zu stellen.
(6) Ein Teilungsverfahren ist einzustellen, wenn sich im Zuge des Ermittlungsverfahrens ergibt, dass die Teilung unzulässig ist."
Die in § 42 Abs. 4 lit. b bis d TFLG 1996 für alle Formen der Teilung - losgelöst von der Frage der Berechtigung zur Antragstellung - statuierten Bedingungen der rechtlichen Zulässigkeit einer Teilung, die kumulativ vorliegen müssen (zutreffend Lang, Tiroler Agrarrecht II, Wien 1991, 282, siehe dazu auch das zur ähnlichen Rechtslage nach dem Steiermärkischen Agrargemeinschaftengesetz 1985 ergangene hg. Erkenntnis vom 26. April 2001, 97/07/0075), lassen erkennen, dass das öffentliche Interesse an der Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft, dem die Gesetzgebung auf dem Gebiete der Bodenreform insgesamt dient (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, 97/07/0217), das entscheidende Kriterium auch für die Beantwortung der Frage darstellt, ob die Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke - mit oder ohne gleichzeitige Auflösung der Agrargemeinschaft - geschehen oder unterbleiben soll. Subjektive Bedürfnisse der Eigentümer von Stammsitzliegenschaften haben gegenüber der entscheidenden Frage des Vorliegens einer Verbesserung der Agrarstruktur, einer dauernden (objektiven wirtschaftlichen) Vorteilhaftigkeit einer Teilung oder ihres Unterbleibens für die Stammsitzliegenschaften und der Gewährleistung der pfleglichen Behandlung und zweckmäßigen Bewirtschaftung der im Teilungsfall zu bildenden Teilflächen völlig zurückzutreten, weshalb etwa Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedern der Agrargemeinschaft für sich allein in keiner Weise geeignet sind, eine von einem Mitglied begehrte Sonderteilung als zulässig erscheinen zu lassen (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2002, 2001/07/0164).
Im Beschwerdefall hat die AB zur Frage des Vorliegens der gesetzlich in § 42 Abs. 4 TFLG 1996 normierten Zulässigkeitsbedingungen einer Teilung im erstinstanzlichen Bescheid zwar einige Betrachtungen angestellt, die auf den ersten Blick durchaus stimmig anmuten und das Vorliegen der gesetzlichen Zulässigkeitsbedingungen für eine Teilung fraglich erscheinen lassen. Konkrete Sachverhaltsfeststellungen zur Frage des Vorliegens oder Fehlens der gesetzlichen Teilungsvoraussetzungen des § 42 Abs. 4 TFLG 1996 hat die AB im erstinstanzlichen Bescheid aber aus der rechtlichen Überlegung nicht getroffen, dass der Antrag des Beschwerdeführers im Umfang seiner Stützung auf § 42 Abs. 3 lit. a TFLG 1996 schon am Erfordernis eines Antrages von mehr als der Hälfte der Mitglieder der Agrargemeinschaft im Sinne des § 43 Abs. 4 TFLG 1996 und in seiner Stützung auf § 42 Abs. 3 lit. b TFLG 1996 daran scheitern müsse, dass eine Anwendung dieser Teilungsform bei einer nur aus zwei Mitgliedern bestehenden Agrargemeinschaft rechtlich von vornherein ausscheide. Die belangte Behörde ist der AB auf diesem Weg der Rechtsauslegung im angefochtenen Bescheid im Ergebnis gefolgt. Der von den Agrarbehörden eingeschlagene Weg einer Abstandnahme von der Prüfung des Vorliegens der Teilungsvoraussetzungen des § 42 Abs. 4 TFLG 1996 war methodisch konsequent und wäre rechtlich dann nicht zu beanstanden, wenn die behördliche Rechtsauslegung, dem Eigentümer der über einen Minderheitsanteil verfügenden Stammsitzliegenschaft einer aus nur zwei Mitgliedern bestehenden Agrargemeinschaft sei die Möglichkeit verwehrt, das Vorliegen der Teilungsvoraussetzungen auf Grund eigener Antragstellung an die Agrarbehörde prüfen zu lassen, zu teilen wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof kann der behördlichen Gesetzesanwendung aus folgenden Erwägungen aber nicht beipflichten:
Während der Grundsatzgesetzgeber die Frage der Antragslegitimation für das Teilungsverfahren in § 28 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, BGBl. Nr. 103/1951, dem Ausführungsgesetzgeber überlassen hat, zeigt zunächst schon der Wortlaut der von der Antragslegitimation handelnden Vorschriften des § 43 Abs. 4 und 5 TFLG 1996, dass der Tiroler Ausführungsgesetzgeber bei Schaffung dieser Regelungen den Sonderfall einer nur aus zwei Mitgliedern bestehenden Agrargemeinschaft inhaltlich nicht ausdrücklich geregelt hat.
Ist der unter Berufung auf das Schrifttum (Lang, a.a.O., 281) vertretenen Auffassung, die Mehrheitsdefinition in § 43 Abs. 4 TFLG 1996 bestimme sich nicht nach Köpfen, sondern nach Anteilen, grundsätzlich gewiss beizupflichten, lässt die Formulierung dieser Gesetzesbestimmung jedoch auch erkennen, dass an die Möglichkeit der Vereinigung der Mehrheit der Anteile bei einer einzigen Liegenschaft vom Gesetzgeber nicht gedacht worden ist. Die Vorschrift des § 43 Abs. 4 TFLG 1996 soll nach ihrem hervorleuchtenden Zweck nämlich die Mehrheit der Agrargemeinschaftsmitglieder davor schützen, dass der Wunsch einer Minderheit nach einem Ausscheiden aus der Gemeinschaft dazu führen könnte, dass die von der Mehrheit weiterhin gewollte Gemeinschaft zwischen den verbleibenden Mitgliedern aufgehoben würde. Den in der Minderheit stehenden Agrargemeinschaftsmitgliedern wurde durch § 43 Abs. 5 TFLG 1996 (als Ausgleich) das mehrheitsunabhängige Individualrecht verliehen, den Antrag auf Sonderteilung durch Ausscheiden aus der Agrargemeinschaft bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung derselben zu stellen und solcherart ein agrarbehördliches Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit des gewünschten Ausscheidens im Lichte der dafür entscheidenden öffentlichen Interessen an der Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft (§ 42 Abs. 4 lit. b bis d TFLG 1996) in Gang zu setzen.
Das mit der behördlichen Gesetzesanwendung gefundene Ergebnis des Ausschlusses jeglicher Möglichkeit des Minderheitsmitgliedes einer aus nur zwei Mitgliedern bestehenden Agrargemeinschaft, das Vorliegen oder Fehlen der Teilungsvoraussetzungen von der dafür zuständigen Behörde rechtlich prüfen zu lassen, steht mit dem Gesetzeszweck des § 43 TFLG 1996 nicht im Einklang, weil der Schutzzweck des § 43 Abs. 4 TFLG 1996 bei einer bloß zweigliedrigen Agrargemeinschaft wegfällt. Das im § 43 Abs. 4 TFLG 1996 statuierte Mehrheitserfordernis erweist sich auf den - gesetzlich nicht geregelten - Sonderfall einer aus nur zwei Mitgliedern bestehenden Agrargemeinschaft somit als nicht anwendbar, sodass bei einer solchen Agrargemeinschaft, bei der eine Sonderteilung im Sinne des § 42 Abs. 3 lit. b TFLG 1996 begrifflich nicht in Betracht kommt, jedem ihrer Mitglieder das Recht offen steht, die Einzelteilung nach § 42 Abs. 3 lit. a TFLG 1996 zu beantragen.
Der im angefochtenen Bescheid getroffene Hinweis der belangten Behörde auf das zu einer zweigliedrigen Agrargemeinschaft ergangene hg. Erkenntnis vom 25. April 1989, 85/07/0301, trägt die behördliche Sichtweise deswegen nicht, weil die Frage des Mehrheitserfordernisses für die Beschlussfähigkeit in der Vollversammlung der Agrargemeinschaft nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes mit der Frage des Mehrheitserfordernisses für die Antragstellung zu einer Einzelteilung eben nicht verglichen werden kann. Der Grund dafür liegt in der Unterschiedlichkeit der Konsequenzen, die sich aus einem unmöglich gewordenen Zusammenwirken der Agrargemeinschaftsmitglieder ergeben: Können Vollversammlungsbeschlüsse aus diesem Grunde nicht mehr zustande kommen, dann stehen der Agrarbehörde im Grunde des § 37 TFLG 1996 alle gebotenen Aufsichtsinstrumente zur Durchsetzung der Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes und der Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke zur Verfügung. Der Wegfall der rechtlichen Möglichkeit, das Vorliegen der gesetzlichen Teilungsvoraussetzungen von der Agrarbehörde überprüfen zu lassen, kann hingegen zur Folge haben, dass eine Agrargemeinschaft gegen den Willen eines ihrer Mitglieder aufrecht erhalten wird, obwohl ihre Aufhebung der Verbesserung der Agrarstruktur diente und für die Stammsitzliegenschaften dauernd vorteilhafter wäre als die Aufrechterhaltung der Gemeinschaft. Ein solches Ergebnis geriete damit auch zum Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung in ein nicht zu übersehendes Spannungsverhältnis (siehe hiezu die zum Fall der Einbeziehung in eine Bringungsgemeinschaft nach dem Salzburger Güter- und Seilwegegesetz 1970 vom Gerichtshof im hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1995, 95/07/0160, angestellten Erwägungen).
Da die belangte Behörde, von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Gesetzesauslegung ausgehend, die Prüfung der Frage unterlassen hat, ob die in § 42 Abs. 4 TFLG 1996 normierten materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der vom Beschwerdeführer beantragten Einzelteilung vorliegen, sondern in Konsequenz ihrer Gesetzesauslegung den Primärantrag des Beschwerdeführers auf Einzelteilung nach § 42 Abs. 3 lit. a TFLG 1996 in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides zurückgewiesen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 27. Mai 2003
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1998070134.X00Im RIS seit
11.07.2003Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008