TE Vfgh Erkenntnis 2000/3/10 B1583/99 ua

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Veröffentlicht am 10.03.2000
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Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/16 Sonstiges

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung einer Gesetzesbestimmung; teilweise Abweisung eines Kostenbegehrens

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch die jeweils angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu B 1583/99 die mit 29.500 S bestimmten Prozeßkosten, den Beschwerdeführern zu B 1623,1624/99 bzw. zu B 1681,1682/99 die mit je 32.000 S bestimmten Prozeßkosten und den Beschwerdeführern zu B 1683-1685/99 bzw. zu B 1686-1688/99 die mit je 34.500 S bestimmten Prozeßkosten zuhanden ihrer Rechtsvertreter binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die Beschwerdeführer sind Universitätsprofessoren an der Universität Graz. Mit Bescheiden vom 16. April 1999 bzw. vom 26. April 1999 stellte der Rektor dieser Universität die den Beschwerdeführern gebührenden Prüfungsentschädigungen für die in jeweils näher bezeichneten Abrechnungszeiträumen vom Wintersemester 1997/98 bis zum Wintersemester 1998/99 erfolgte Abnahme einer jeweils bestimmten Anzahl mündlicher und schriftlicher Diplomteilprüfungen unter Bezugnahme auf §4 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, BGBl. 463/1974, in der Fassung des Art ArtVII Z6 des Bundesgesetzes BGBl. I 109/1997, jeweils betragsmäßig fest.

1.2. In den dagegen erhobenen Berufungen begehrten die Beschwerdeführer im Ergebnis die Zuerkennung der Abgeltung in dem noch vor der Novellierung durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 gebührenden höheren Ausmaß.

1.3. Der Akademische Senat wies die Rechtsmittel mit Bescheiden vom 17. August 1999 (welche auf Sitzungsbeschlüssen vom 12. Mai 1999 beruhten) ab und begründete diese Berufungsentscheidungen im wesentlichen damit, daß er §4 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen in der Fassung des Art ArtVII Z6 des Bundesgesetzes BGBl. I 109/1997 anzuwenden hatte, welcher anordnet, daß mündliche und schriftliche Prüfungsteile einer Fachprüfung nur einfach abgegolten werden.

2. Gegen diese Bescheide des Akademischen Senates wenden sich die vorliegenden, auf Art Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in welchen insbesondere die Verletzung in Rechten wegen der Anwendung einer als verfassungswidrig kritisierten Gesetzesbestimmung geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der Bescheide begehrt wird.

3. Der Akademische Senat der Universität Graz hat als belangte Behörde jeweils die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung von Gegenschriften jedoch Abstand genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden, die er in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 Abs2 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden hat, erwogen:

1. Mit Erkenntnis vom 29. November 1999, G 159/99 u.a.Zlen., hat der Gerichtshof §4 Abs2 zweiter Satz des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, BGBl. 463/1974, in der Fassung des Art ArtVII Z6 des Bundesgesetzes BGBl. I 109/1997, als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

3. Dem in Art Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).

4. Die nichtöffentliche Beratung des Verfassungsgerichtshofes im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 29. November 1999 statt. Die vorliegenden Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof am 27. September 1999, am 1. Oktober 1999 bzw. am 13. Oktober 1999 eingelangt, waren also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; die ihnen zugrundeliegenden Fälle sind somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

5. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung der angefochtenen Bescheide die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.

Die angefochtenen Bescheide sind daher aufzuheben.

III. 1. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von jeweils

4.500 öS sowie Pauschalgebühr in der Höhe von 2.500 S (B 1583/99), von 5.000 S (B 1623,1624/99 bzw. B 1681,1682/99) bzw. von 7.500 S (B 1683-1685/99 bzw. B 1686-1688/99) enthalten.

Dem darüber hinausgehenden Begehren des Beschwerdeführers zu B 1623,1624/99 auf Kostenzuspruch in der Höhe von insgesamt 59.000 S war nicht Folge zu geben, weil die beiden den Beschwerden zugrundeliegenden Bescheide bloß unterschiedliche Abrechnungszeiträume betroffen haben. Für diese Beschwerden waren daher die üblichen Kosten (und nicht - wie begehrt - der doppelte Satz) zuzusprechen (s. VfGH 25.9.1987, B 276/87, 15.12.1999, B 587/99 u. a. Zlen.).

Schlagworte

VfGH / Kosten, VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B1583.1999

Dokumentnummer

JFT_09999690_99B01583_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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