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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §24;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde der E L und I L in W, vertreten durch Dr. Christian Hauser, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Prechtlgasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom 30. Oktober 1998, Zl. GA 16-96/3303/07, betreffend Feststellung der Einkünfte 1993 und 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerinnen (Ehefrau und Tochter) bildeten eine Erbengemeinschaft nach dem im August 1993 verstorbenen Dr. L., welcher den Gewinn aus seiner Tätigkeit als Notar gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hatte.
Im Bericht über das Ergebnis einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgehalten, dass anlässlich des Todes Dris. L. von der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG übergegangen und ein Veräußerungsgewinn ermittelt worden sei. Gegenständlich seien aber die wesentlichen Betriebsgrundlagen weder in einem einheitlichen Vorgang an verschiedene Erwerber veräußert noch in das Privatvermögen überführt, die Notariatskanzlei vielmehr bis zum Veräußerungszeitpunkt (30. September 1994) weitergeführt worden. Daher habe kein zwingender Grund für einen Wechsel der Gewinnermittlungsart zum Todestag Dris. L. bestanden. Die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sei vielmehr bis zur Veräußerung weiterzuführen und erst dann ein Übergangsgewinn und ein Veräußerungsgewinn zu ermitteln.
Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und erließ für die Beschwerdeführerinnen hinsichtlich der Jahre 1993 und 1994 nach Wiederaufnahme der Verfahren entsprechende Bescheide über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO.
In der dagegen erhobenen Berufung wandten sich die Beschwerdeführerinnen gegen die Verweigerung der Anerkennung des Wechsels der Gewinnermittlungsart und brachten vor, gemäß § 19 Notariatsordnung (NO) ende das Notariat mit dem Tod des Notars. Es bestehe eine Vakanz, die vorübergehend von einem Kanzleiverweser, der dem Notariatsstand anzugehören habe, bis zur endgültigen Neubesetzung des Notariats weitergeführt werde. Anders als bei anderen freien Berufen könne die Witwe eines Notars das Notariat nicht weiterführen. Die Feststellung, die Notariatskanzlei sei bis zum Veräußerungszeitpunkt weitergeführt worden, sei daher zwar richtig, jedoch unvollständig. Das Notariat sei von Dr. Wolfgang St. als Kanzleiverweser bis zur (Neu-)Besetzung weitergeführt worden. Somit gehe auch die Begründung, dass wesentliche Betriebsgrundlagen auf die Erben übergegangen seien, ins Leere. Nicht einmal hinsichtlich der Mietrechte könne von einer Übertragung auf die Erben gesprochen werden. Den Bescheiden liege jedoch nicht nur eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung, sondern auch eine falsche rechtliche Würdigung zu Grunde. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 9. September 1993, 92/16/0190, klar ausgesprochen, dass nach dem Tod eines "Freiberuflers mit Einnahmen-Ausgabenrechnung" eine Todfallsbilanz zu erstellen sei. Daraus ergebe sich zwingend ein Wechsel der Gewinnermittlungsart. "Nicht abgerechnete Leistungen zum Todestag" seien bei richtiger Anwendung der bilanzsteuerrechtlichen Vorschriften in der Bilanz zum Todestag zu erfassen, ebenso Investitionsrücklagen. Dies entspreche auch dem Grundsatz der Versteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip und rechne nicht den Erben Erträge zu, die der Erblasser erwirtschaftet habe.
In einer Stellungnahme des Prüfers zur Berufung wurde ausgeführt, dass die Witwe Dris. L. zwar aus berufsrechtlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, die Kanzlei selbständig weiterzuführen - daher sei Dr. St. als Notarsubstitut eingesetzt worden -, dies schließe jedoch nicht aus, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen auf sie (bzw. auf die Erbengemeinschaft) übergegangen seien. Dem Notarsubstitut stehe zwar ein Anteil an den laufenden Gewinnen zu, die Substanz des Betriebes, welche in der Bilanz der Erbengemeinschaft ausgewiesen werde, sei jedoch eindeutig auf die Erbengemeinschaft übergegangen und auch dieser zuzurechnen. Laut Kaufvertrag zwischen der Erbengemeinschaft und dem Erwerber der Kanzlei Dr. H. vom 5. Juni 1994 seien diverse Gegenstände und Fahrnisse laut einer dem Vertrag angeschlossenen Liste, die gesamten Handakte und Privattestamente, sowie die Mietrechte um einen Gesamtkaufpreis in Höhe von S 1,8 Mio an den Erwerber der Kanzlei übergeben worden. Es sei daher davon auszugehen, dass die wesentlichen Grundlagen des Betriebes durch Erbfolge unentgeltlich auf die Erbengemeinschaft übergegangen seien. Bei einem solchen unentgeltlichen Übergang des Betriebes eines Einnahmen-Ausgaben-Rechners sei weder ein Übergangs- noch ein Veräußerungsgewinn zu ermitteln. In diesem Zusammenhang sei noch darauf zu verweisen, dass zum Todestag Dris. L. ein Übergangsgewinn, jedoch kein Gewinn auf Grund einer Betriebsaufgabe ermittelt worden sei.
Über Ersuchen des Finanzamtes wurde der zwischen der Verlassenschaft nach Dr. L. als verkaufender Partei und Dr. H als kaufender Partei abgeschlossene Kaufvertrag über die Notariatskanzlei vorgelegt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Nach berufsrechtlichen Vorschriften (§ 19 NO) ende ein Notariat mit dem Tod des Notars. Personen ohne Berufsbefugnis könnten demnach ein Notariat auch nicht nach dem Tod des Notars weiterführen. Vielmehr sei ein Kanzleiverweser, der dem Berufsstand der Notare angehöre, zu bestellen. Ungeachtet dieser berufsrechtlichen Vorschriften läge nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Betriebsaufgabe zum Todestag vor, wenn der Betrieb auf den Erben übergehe. Von einem Übergang könne dann gesprochen werden, wenn auf den Erben nicht nur einzelne Wirtschaftsgüter, sondern betrieblich verwendete Wirtschaftsgüter, die als die wesentlichen Betriebsgrundlagen anzusehen seien, übergehen. Es komme nicht darauf an, ob eine berufsrechtliche Befugnis zur Betriebsfortführung durch den Erben bestehe. Die Erbengemeinschaft habe die Notariatskanzlei als Ganzes übernommen und auch - über den Kanzleiverweser - weitergeführt. Mit Kaufvertrag vom 5. Juni 1994 seien neben diversen Gegenständen und Fahrnissen die gesamten Handakte und Privattestamente sowie die Mietrechte veräußert worden. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass der gesamte Betrieb, zumindest aber die wesentlichen Betriebsgrundlagen, mit dem Todestag des Erblassers unentgeltlich auf die Erbengemeinschaft übergegangen sei. Die Erbengemeinschaft habe also die Überschussermittlung des Erblassers ohne Berücksichtigung des Übergangsvorganges fortzusetzen. Von einem zwingenden Wechsel der Gewinnermittlungsart könne daher keine Rede sein. Ein freiwilliger Wechsel der Gewinnermittlungsart sei aber grundsätzlich nur zu Beginn eines Kalenderjahres möglich. Dem in der Berufung erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1993 könne ein zwingender Wechsel der Gewinnermittlungsart nicht entnommen werden. Dieses Erkenntnis basiere nämlich von vornherein auf einer Gewinnermittlung eines Freiberuflers durch Betriebsvermögensvergleich. Zu einem Wechsel anlässlich des Todes sei es in dem dem Erkenntnis zu Grunde liegenden Beschwerdefall gar nicht gekommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Vor dem Hintergrund einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen die Beschwerdeführerinnen, die belangte Behörde habe in Verletzung ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht die Fortführung des Betriebes und den Übergang wesentlicher Betriebsgrundlagen unterstellt, ohne diese "Feststellungen zu ermitteln" oder näher zu begründen.
Dieses Beschwerdevorbringen ist verfehlt: Die belangte Behörde hat - ebenso wie bereits der Prüfer in seiner Stellungnahme zur Berufung - im angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf den Vertrag vom 5. Juni 1994 über den Verkauf der Notariatskanzlei (um S 1,8 Mio) Bezug genommen und daraus in nicht als unschlüssig zu erkennender Weise auf den unentgeltlichen Übergang der wesentlichen Betriebsgrundlagen des vom Erblasser geführten Betriebes geschlossen. Die Beschwerdeführerinnen haben nicht behauptet, dass es dem Substituten nicht möglich gewesen wäre, die Notariatskanzlei mit den von ihnen übernommenen Betriebsgrundlagen ohne weiteres weiterzuführen.
In seinem Erkenntnis vom 4. Juni 1985, 85/14/0015, hat der Verwaltungsgerichtshof in Auseinandersetzung mit der Rechtslage zum EStG 1972 und teilweise der davor geltenden Rechtslage zum Ausdruck gebracht, dass der Erbe hinsichtlich des Nachlassvermögens und der daraus erzielten Einkünfte schon mit dem Todestag in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt und der Erbe, wenn im Nachlassvermögen Betriebsvermögen enthalten ist, die Buchwerte des Erblassers zu übernehmen und fortzuführen hat. Dies auch dann, wenn der Erbe den Betrieb nicht weiterführt, sondern ihn - ohne irgendeine betriebliche Tätigkeit zu entfalten - lediglich veräußert. Auch zur im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage des EStG 1988 sieht sich der Verwaltungsgerichtshof durch die Beschwerde nicht veranlasst, von der dargestellten Rechtsansicht abzugehen. Danach ist aber nicht entscheidend, ob eine Fortführung des Betriebes rechtlich oder tatsächlich möglich war (vgl. auch diesbezüglich das zitierte Erkenntnis vom 4. Juni 1985).
Wenn in der Beschwerde behauptet wird, Dr. H. habe die Mietrechte nicht - wie von der belangten Behörde unrichtig festgestellt worden sei - von der Erbengemeinschaft, sondern auf Grund einer Vereinbarung mit dem Liegenschaftseigentümer erworben, ist dieses Vorbringen unter Berücksichtigung der Vereinbarungen laut dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kaufvertrag aktenwidrig. Gleiches gilt hinsichtlich der nach den Vereinbarungen ausdrücklich als Teil der verkauften Notariatskanzlei bezeichneten Privattestamente und Handakte. Soweit in der Beschwerde ausgeführt wird, die öffentlichen wie privaten Urkunden des Notars seien der rechtsgeschäftlichen Disposition seiner Erben entzogen (gewesen), ist darauf hinzuweisen, dass die nach der NO zu führenden Geschäfts- und Beurkundungsregister und die in § 116 NO angeführten sowie weitere Unterlagen im Kaufvertrag insofern gesonderte Erwähnung fanden, als hinsichtlich deren Übernahme auf das Übernahmeprotokoll zwischen der Verlassenschaft und dem Substituten Dr. St verwiesen wurde, wonach sich dieser verpflichtet habe, "diese Sachen" bei Beendigung der Substitution dem Amtsnachfolger weiterzugeben.
Die vor dem Hintergrund eines anderen als des von der belangten Behörde in - wie ausgeführt - nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise als erwiesen angenommenen Sachverhaltes gerügte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erweist sich einerseits aus den bereits angeführten Gründen und auch im Hinblick auf das von der Beschwerdeführerin zitierte Erkenntnis vom 9. September 1993, 92/16/0190, ebenfalls als nicht gegeben:
Wie von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend zum Ausdruck gebracht wurde, ist aus dem zitierten Erkenntnis für die Beantwortung der im Beschwerdefall strittigen Frage nach einer zwingenden Änderung der Gewinnermittlungsart nichts zu entnehmen, weil nach dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Sachverhalt ein Erblasser seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt hatte. Eine gebotene Änderung der Gewinnermittlungsart kam daher schon deshalb nicht in Betracht. Im Übrigen hatte das zitierte Erkenntnis Fragen der Erbschaftssteuer zum Inhalt.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 4. Juni 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1998130238.X00Im RIS seit
15.07.2003