Index
E3L E09301000;Norm
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde der M GmbH in W, vertreten durch Dr. Walter Fleissner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerstraße 21, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IV, vom 11. August 1998, Zl. RV/098-11/14/98, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1993 bis 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Abspruch über Umsatzsteuer für das Jahr 1995 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Umfang der Bekämpfung der Absprüche des angefochtenen Bescheides über Umsatzsteuer für die Jahre 1993 und 1994 wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung des Unternehmens der Beschwerdeführerin wurde von der Prüferin die von der Beschwerdeführerin geleistete kostenlose Bereitstellung von Mahlzeiten an ihre Dienstnehmer als tauschähnlicher Umsatz nach § 3 Abs. 14 UStG 1972 und § 3a Abs. 2 UStG 1994 der Umsatzsteuer unterzogen. Der Einkauf der Mahlzeiten durch die Beschwerdeführerin von einem Unternehmen sei mit Vorsteuerabzug erfolgt.
Gegen die nach Wiederaufnahme der betroffenen Verfahren vom Finanzamt neu erlassenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1993 bis 1995, in welchen die abgegebenen Mahlzeiten der Umsatzsteuer unterworfen wurden, erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie Folgendes vorbrachte:
Sie stelle ihren Mitarbeitern kostenlose Verpflegung in der Weise zur Verfügung, dass zwei Wochen im Vorhinein von einem Menü-Service-Unternehmen Tiefkühlkost bestellt werde. Diese Tiefkühlkost werde wöchentlich an das Unternehmen geliefert und könne von den Mitarbeitern je nach Bedarf in der Küche als Mittagessen verzehrt werden. Für das Unternehmen der Beschwerdeführerin bestehe die Erforderlichkeit, dass die Mitarbeiter über die Mittagszeit nicht das Büro verließen. Die einzelnen Geschäftsfelder würden von den Mitarbeitern nämlich in hohem Maß selbständig betreut, sodass es unumgänglich sei, dass die Mitarbeiter auch während der Mittagspause entsprechend den spezifischen Notwendigkeiten in einem Großhandelsbetrieb für Kunden oder Lieferanten telefonisch erreichbar seien, um den laufenden Geschäftsgang (Terminlieferungen etc.) aufrecht zu erhalten. Zu diesem Zweck sei, wovon sich auch die Prüferin habe überzeugen können, in der Küche auch ein Telefonapparat installiert. Nach den Dienstverträgen und der Betriebsvereinbarung bestehe kein Anspruch der Arbeitnehmer auf ein Mittagessen, welches ihnen die Beschwerdeführerin nicht schulde. Es gälten die normalen kollektivvertraglichen Bestimmungen für Handelsangestellte. Die kostenlose Abgabe von Verpflegung könnte durch die Beschwerdeführerin jederzeit eingestellt werden, ohne dass die Arbeitnehmer weniger arbeiten müssten. Es bestehe wie im Falle des Urteiles des EuGH vom 16. Oktober 1997 in der Rechtssache C-258/95-Fillibeck die in Rede stehende Leistung des Unternehmens der Beschwerdeführerin in keinem Zusammenhang mit dem Umfang der Arbeitsverpflichtung der Arbeitnehmer und es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Teil der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer für die Verpflegung aufgewendet werde. Es fehle damit an einer Gegenleistung der Arbeitnehmer, weshalb kein tauschähnlicher Umsatz vorliegen könne. Auch Eigenverbrauch könne nicht vorliegen, da weder der Unternehmer unternehmerische Gegenstände außerhalb des Unternehmens verwende oder verwenden lasse noch es sich um nichtabzugsfähige Aufwendungen handle.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Nach der durch das Abgabenänderungsgesetz 1984, BGBl. Nr. 531/1984 in der Fassung BGBl. Nr. 281/1990, gestalteten Bestimmung des § 3 Abs. 14 UStG 1972 gelte die ohne ein besonders berechnetes Entgelt erfolgende Beförderung der Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber oder ein von ihm beauftragtes Beförderungsunternehmen sowie die ohne besonders berechnetes Entgelt erfolgende Verschaffung von Versicherungsschutz durch den Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer nicht als tauschähnlicher Umsatz, heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides. Diese Regelung sei aber in das Umsatzsteuergesetz 1994 nicht übernommen worden. Des Weiteren habe der Gesetzgeber des Umsatzsteuergesetzes 1972 und seiner Novellen zwischen der kostenlosen Beförderung von Dienstnehmern und der kostenlosen Verabreichung von Mahlzeiten grundlegend unterschieden, sodass kostenlose Mahlzeiten und andere Naturalleistungen immer als tauschähnliche Umsätze zu behandeln gewesen seien. Das kostenlose Angebot im Betrieb zu verzehrender Tiefkühlkost an die Arbeitnehmer sei kein Geschenk der Beschwerdeführerin an ihre Arbeitnehmer, sondern habe eine Gegenleistung, nämlich das Dulden des Verbotes des Verlassens des Betriebes und das Erbringen von Arbeitsleistung während der im Arbeitszeitgesetz geregelten Arbeitspausen. Der dem Urteil des EuGH vom 16. Oktober 1997 zugrunde liegende Sachverhalt könne mit dem vorliegenden Sachverhalt schon deswegen nicht verglichen werden, weil dem die Arbeitnehmerbeförderung betreffenden Sachverhalt Leistungen des Arbeitgebers außerhalb der geschuldeten Arbeitszeit zugrunde lägen, während im vorliegenden Fall Leistung und Gegenleistung innerhalb der Arbeitszeit, wenngleich in vom Arbeitszeitgesetz vorgeschriebenen Ruhepausen, erfolgten.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Nach § 1 Abs. 1 Z. 1 des bis zum Ablauf des Jahres 1994 in Geltung gestandenen Umsatzsteuergesetzes 1972 unterlagen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
§ 1 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. unterwarf der Umsatzsteuer den Eigenverbrauch, § 1 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. die Einfuhr von Waren im Sinne des Zollgesetzes.
§ 3 UStG 1972 war mit "Lieferung, sonstige Leistung" überschrieben, definierte in seinem ersten Absatz grundsätzlich den Begriff der Lieferung, in seinem Abs. 9 den Begriff der sonstigen Leistungen und normierte in seinem Abs. 14 in dessen für Zeiträume ab dem Jahre 1990 durch BGBl. Nr. 281/1990 gestalteten Fassung Folgendes:
"Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht.
Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder in einer sonstigen Leistung besteht. Die ohne ein besonders berechnetes Entgelt erfolgende Beförderung der Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber oder ein von ihm beauftragtes Beförderungsunternehmen sowie die ohne ein besonders berechnetes Entgelt erfolgende Verschaffung von Versicherungsschutz durch den Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer gelten nicht als tauschähnlicher Umsatz."
Auch das ab dem Jahre 1995 geltende Umsatzsteuergesetz 1994 unterwirft in seinem § 1 Abs. 1 Z. 1 die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.
§ 1 Abs. 1 Z. 2 UStG 1994 unterwirft der Umsatzsteuer den Eigenverbrauch im Inland, § 1 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. die Einfuhr von Gegenständen.
§ 3 UStG 1994 ist mit "Lieferung" überschrieben und beschreibt diese.
§ 3a UStG 1994 ist mit "Sonstige Leistung" überschrieben und trifft zu dieser Regelungen.
§ 3 Abs. 10 UStG 1994 bestimmt, dass ein Tausch vorliegt, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht, während § 3a Abs. 2 UStG 1994 festlegt, dass ein tauschähnlicher Umsatz vorliegt, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder in einer sonstigen Leistung besteht.
Zum Umsatzsteuergesetz 1972 für Zeiträume vor dem Geltungsbereich des § 3 Abs. 14 UStG 1972 in seiner oben wiedergegebenen Fassung hat der Gerichtshof (freiwillige) Leistungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern wiederholt mit der Begründung als umsatzsteuerbar beurteilt, die solchen Leistungen des Arbeitgebers gegenüber stehende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers begründe einen tauschähnlichen Umsatz (siehe die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1984, 82/15/0099, vom 14. Dezember 1987, 85/15/0071, Slg. N.F. Nr. 6277/F, und vom 7. Mai 1990, 89/15/0036 und 89/15/0073, Slg. N.F. Nr. 6493/F und 6495/F). Die von den Arbeitgebern dieser Beschwerdefälle erbrachten Leistungen bestanden unter anderem auch in der Abgabe verbilligter oder kostenloser Mahlzeiten und in Beförderungsdiensten. Aus den Gründen dieser - auf die Abgabe kostenloser Mahlzeiten im Geltungsbereich des UStG 1972 weiterhin anwendbaren - Erkenntnisse, auf welche nach § 43 Abs. 2 letzter Satz VwGG verwiesen wird, war die Beschwerde im Umfang der Bekämpfung der Absprüche des angefochtenen Bescheides über Umsatzsteuer für die Jahre 1993 und 1994 gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Für den Geltungsbereich des für den Umsatzsteuerbescheid 1995 maßgebenden Umsatzsteuergesetzes 1994 allerdings hat die Beschwerdeführerin schon in ihrer Berufung mit Recht auf das Urteil des EuGH vom 16. Oktober 1997, C-258/95-Fillibeck, hingewiesen, in welchem vom EuGH im Anlassfall einer unentgeltlichen Beförderung von Arbeitnehmern ausgesprochen wurde, dass ein Arbeitgeber, der Arbeitnehmer unentgeltlich ohne konkrete Verknüpfung mit der Arbeitsleistung oder dem Lohn ab einer bestimmten Entfernung von der Wohnung zur Arbeitsstätte befördert, keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne des Art. 2 Nr. 1 der
6. Mehrwertsteuerrichtlinie erbringt. Da die auszuführende Arbeit und der bezogene Lohn nicht davon abhängen, ob die Arbeitnehmer die ihnen von ihrem Arbeitgeber gebotene Beförderungsleistung in Anspruch nehmen, kann auch nicht ein Anteil der Arbeitsleistung als Gegenleistung für die Beförderungsleistung angesehen werden, heißt es in Rz 16 des genannten Urteiles.
Für die im Beschwerdefall den Arbeitnehmern der Beschwerdeführerin unentgeltlich angebotenen Mahlzeiten kann nichts anderes gelten. Nach dem zwischen der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde nicht strittigen Sachverhalt hingen weder der von den Arbeitnehmern der Beschwerdeführerin bezogene Lohn noch die von ihnen zu verrichtende Arbeit davon ab, ob sie die angebotene Tiefkühlkost zu sich nahmen oder verweigerten.
Dem in der Gegenschrift erhobenen Einwand der belangten Behörde, es sei das genannte Urteil des EuGH erst am 16. Oktober 1997 und somit nach dem Streitzeitraum ergangen und könne keine Rückwirkungen haben, ist zu entgegnen, dass dieses Urteil eine Erkenntnisquelle über die gebotene Auslegung der ab dem 1. Jänner 1995 für Österreich beachtlichen
6. Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt, weshalb aus ihm Hilfe für die Auslegung des innerstaatlichen Rechtes, das mit Art. 2 Nr. 1 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie im Einklang zu stehen hat, erwartet und gewonnen werden kann.
Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift auf Art. 6 Abs. 2 der genannten Richtlinie verweist, wonach die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat (lit. a), und die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke (lit. b), den Dienstleistungen gegen Entgelt gleich gestellt sind, dann ist zu diesem Einwand erneut auf das Urteil des EuGH vom 16. Oktober 1997, C-258/95-Fillibeck, zu verweisen, in welchem vom EuGH auch zu Art. 6 Abs. 2 der genannten Richtlinie im gegebenen Zusammenhang Stellung genommen wird. Bezogen auf den Fall der unentgeltlichen Beförderung von Arbeitnehmern heißt es hiezu im Leitsatz des genannten Urteiles, dass Art. 6 Abs. 2 der
6. Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück mit einem betrieblichen Kraftfahrzeug durch den Arbeitgeber grundsätzlich dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer und damit unternehmensfremden Zwecken dient. Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung, heißt es im Leitsatz weiter, wenn die Erfordernisse des Unternehmens im Hinblick auf besondere Umstände, wie die Schwierigkeit, andere geeignete Verkehrsmittel zu benützen, und wechselnde Arbeitsstätten, es gebieten, dass die Beförderung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übernommen wird, da dann diese Leistung nicht zu unternehmensfremden Zwecken erbracht wird.
Übertragen auf den Beschwerdefall kommt damit eine Umsatzbesteuerung der Überlassung kostenloser Mahlzeiten an Arbeitnehmer auch unter diesem von der belangten Behörde aufgezeigten Gesichtspunkt nicht in Betracht, wenn die Arbeitgeberleistung vorwiegend betrieblichen Interessen dient (vgl. Ruppe, UStG 19942, § 1 Tz 154). In diese Richtung weisen auch die in § 1 Abs. 1 Z. 2 UStG 1994 formulierten Eigenverbrauchsbesteuerungstatbestände. Von einem betrieblichen Interesse der Beschwerdeführerin am Verzehr der angebotenen Speisen durch die Arbeitnehmer zur Vermeidung eines Verlassens der Betriebsräumlichkeiten während der Mittagspause ist die belangte Behörde sachverhaltsmäßig im angefochtenen Bescheid aber gerade ausgegangen. Auf das Vorliegen eines Eigenverbrauchstatbestandes hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid dem entsprechend auch gar nicht gestützt, indem sie vielmehr von einem Leistungsaustausch im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 ausgegangen ist.
Da die belangte Behörde mit der von ihr aufrecht erhaltenen Umsatzbesteuerung der Verpflegungsleistungen der Beschwerdeführerin an ihre Arbeitnehmer für das Jahr 1995 die Rechtslage somit verkannt hat, war der angefochtene Bescheid insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 4. Juni 2003
Gerichtsentscheidung
EuGH 61995J0258 Fillibeck VORABSchlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1998130178.X00Im RIS seit
17.07.2003Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013