TE Vfgh Erkenntnis 2000/3/10 G19/99

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Veröffentlicht am 10.03.2000
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art21 Abs3
B-VG Art87 Abs2
B-VG Art129
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
VwGG §18
VwGG §8, §9

Leitsatz

Aufhebung der die Weisungsgebundenheit des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes gegenüber dem Bundeskanzler begründenden Vorschrift des VwGG betreffend Personalangelegenheiten wegen Widerspruchs zum verfassungsmäßig festgelegten Kontrollsystem des B-VG bezüglich der gesamten öffentlichen Verwaltung; Präjudizialität der Bestimmung im Anlaßverfahren betreffend eine Beschwerde gegen eine - von der Berufungskommission überprüfte - dienstrechtliche Entscheidung des Präsidenten

Spruch

§18 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die Beschwerdeführerin des Anlaßbeschwerdefalls B2590/97 stand als Oberkommissärin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; ihre damalige Dienststelle war der Verwaltungsgerichtshof. Aufgrund ihres im Hinblick auf einen Dienstauftrag gestellten Begehrens auf Feststellung, daß eine ihrer Auffassung nach nicht zulässige qualifizierte Verwendungsänderung vorliege, erließ der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes an sie einen mit 2. Juni 1997 datierten Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Zu Ihrem Antrag vom 13. Mai 1997 wird gemäß §40 Abs2 BDG 1979 iVm §1 Abs1 Z9 DVV festgestellt, daß die Befolgung des Dienstauftrages vom 7. Mai 1997 zu Ihren Dienstpflichten gehört."

Über die dagegen erhobene Berufung entschied die gemäß §41a BDG eingerichtete Berufungskommission beim Bundeskanzleramt in Handhabung der Verfassungsbestimmung des Abs6 dieses Paragraphen mit Bescheid vom 2. September 1997. Der Spruch dieses Bescheides hat folgenden Wortlaut:

"Der Berufung wird nicht stattgegeben. Der Spruch der erstinstanzlichen Behörde wird gemäß §66 Abs4 AVG wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, daß es sich bei der mit Dienstauftrag vom 7. Mai 1997 verfügten Verwendungsänderung nicht um eine qualifizierte Verwendungsänderung im Sinne des §40 Abs2 BDG handelt."

Diese Berufungsentscheidung ist Gegenstand der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde zu B2590/97.

II. Der Verfassungsgerichtshof hält es für zweckmäßig, zunächst die im gegebenen Zusammenhang in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des B-VG sowie des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. 10, zu zitieren:

a) B-VG:

"Artikel 21. (1)-(2) ...

(3) Soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist, wird die Diensthoheit gegenüber den Bediensteten des Bundes von den obersten Organen des Bundes ausgeübt. Die Diensthoheit gegenüber den Bediensteten der Länder ..."

"Artikel 134. (1)-(5) ...

(6) Alle Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes sind berufsmäßig angestellte Richter. Die Bestimmungen des Artikels 87, Abs(1) und (2), und des Artikels 88, Abs(2), finden auf sie Anwendung. Am 31. Dezember des Jahres, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden, treten die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes kraft Gesetzes in den dauernden Ruhestand."

"Artikel 87. (1) Die Richter sind in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig.

(2) In Ausübung seines richterlichen Amtes befindet sich ein Richter bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluß der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind.

(3) ..."

b) VwGG:

"§5. Urlaube erteilt dem Präsidenten der Bundeskanzler, den sonstigen Mitgliedern der Präsident. Ein Urlaub von mehr als zwei Monaten bedarf der Zustimmung des Bundeskanzlers.

§8. Der Präsident leitet den Verwaltungsgerichtshof. Er wird im Verhinderungsfall vom Vizepräsidenten und, wenn auch dieser verhindert ist, vom rangältesten sonstigen in Wien anwesenden Mitglied des Gerichtshofes vertreten. Dies gilt auch, wenn die Stelle des Präsidenten oder des Vizepräsidenten unbesetzt ist.

§9. (1) Zu den Leitungsgeschäften gehören neben den im vorliegenden Bundesgesetz dem Präsidenten übertragenen Aufgaben die nähere Regelung des Dienstbetriebes nach den hiefür geltenden Vorschriften und die Dienstaufsicht über das gesamte Personal. Der Präsident hat insbesondere unter Bedachtnahme auf einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang die Tage festzusetzen, an denen die Senate zur Beratung und Verhandlung zusammenzutreten haben.

(2) Dem Präsidenten obliegt es auch, bei voller Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit der Mitglieder auf eine möglichst einheitliche Rechtsprechung Bedacht zu nehmen.

(3) ...

§18. Die Angelegenheiten des nichtrichterlichen Personals und der sachlichen Erfordernisse des Verwaltungsgerichtshofes werden unter der Verantwortung des Bundeskanzlers geführt."

III. Aus Anlaß der oben erwähnten Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof am 4. Dezember 1998, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §18 im Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. 10, einzuleiten. Er nahm vorläufig an, daß er die bezogene Gesetzesstelle bei seiner Entscheidung im Beschwerdefall anzuwenden hätte und legte die für diese Auffassung maßgeblichen Erwägungen sowie seine verfassungsrechtlichen Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Vorschrift wie folgt dar:

"1.a) Der Verfassungsgerichtshof dürfte bei Entscheidung über die vorliegende Beschwerde zu klären haben, ob der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes und die Berufungskommission überhaupt zuständig waren, in dieser Sache in erster und in zweiter Instanz zu entscheiden.

Hätte sich nämlich die Berufungskommission eine ihr nicht zustehende Kompetenz angemaßt, oder hätte sie bei ihrer Berufungsentscheidung eine etwaige sachliche Unzuständigkeit des in erster Instanz einschreitenden Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes nicht wahrgenommen, so wäre die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden (vgl. zu diesem Grundrecht die ständige Judikatur, z.B. VfSlg. 13.141/1992, 13.381/1993, 13.656/1993, 14.534/1996).

b) §38 BDG enthält nähere Bestimmungen über die Versetzung eines Beamten, insbesondere darüber, unter welchen Voraussetzungen eine solche Maßnahme zulässig ist, sowie über das einzuhaltende Verfahren. Dem Abs7 zufolge ist die Versetzung mit Bescheid zu verfügen. Nach §40 BDG ist eine Verwendungsänderung unter bestimmten Umständen einer Versetzung gleichzuhalten. Um die Frage, ob eine solche 'qualifizierte Verwendungsänderung' vorliegt, geht es in diesem Beschwerdefall.

Gemäß §41a leg. cit. wird beim Bundeskanzleramt eine Berufungskommission eingerichtet. Absatz 6 dieses Paragraphen lautet:

'(6) (Verfassungsbestimmung) Die Berufungskommission entscheidet über Berufungen gegen in erster Instanz ergangene Bescheide in Angelegenheiten der §§38, 40 und 41 Abs2.'

Der Verfassungsgerichtshof nimmt im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung an, daß nach dieser Verfassungsnorm alle in Angelegenheiten der §§38, 40 und 41 Abs2 BDG - von welcher Dienstbehörde immer (also auch etwa vom Präsidenten des Rechnungshofes (s. VfSlg. 14.855/1997)) - in erster Instanz erlassenen Bescheide bei der Berufungskommission angefochten werden können, die in zweiter und letzter Instanz zu entscheiden hat (s. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Besoldungsreform-Gesetz 1994, 1577 BlgNR, 18. GP, S 159; vgl. z.B. VfSlg. 14.658/1996, 14.811/1997, 14.812/1997, 14.855/1997).

Anscheinend war sohin die Berufungskommission zuständig, über die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes erhobene Berufung zu entscheiden.

c) Die Berufungskommission erörterte die Frage, ob der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes zuständig war, den bei ihr angefochtenen Bescheid in erster Instanz zu erlassen, nicht, sondern nahm dessen Kompetenz offenbar als selbstverständlich an, weshalb sie auch §18 VwGG 1985 nicht in ihre Überlegungen einbezog.

.....

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß die Berufungskommission aber verpflichtet gewesen wäre, die Bestimmung anzuwenden. Wie in der Folge (Pkt. 2) noch näher darzutun sein wird, ist nämlich anscheinend bei Beantwortung der Frage, wer in Angelegenheiten, die das nichtrichterliche beamtete Personal des Verwaltungsgerichtshofes betreffen, als Dienstbehörde einzuschreiten hat, neben anderen Vorschriften (s.u. 2.e) auch §18 VwGG 1985 zu beachten.

Daraus folgt anscheinend, daß auch der Verfassungsgerichtshof diese Gesetzesbestimmung bei Entscheidung über die vorliegende Beschwerde anzuwenden hätte und daß diese Norm daher - ungeachtet dessen, daß sie von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides vernachlässigt wurde - präjudiziell in der Bedeutung des Art140 Abs1 B-VG sein dürfte (vgl. VfSlg. 13.499/1993, S 750; ebenso VfSlg. 12.744/1991, S 746, und VfSlg. 13.448/1993, S 476 - jeweils betreffend Verfahren nach Art139 Abs1 B-VG).

2. Der Verfassungsgerichtshof beurteilt die Frage, welche Behörde nach der bestehenden Rechtslage für die das nichtrichterliche beamtete Personal des Verwaltungsgerichtshofes betreffenden Dienstrechtsangelegenheiten zuständig ist, vorläufig folgendermaßen:

a) Die Zuständigkeit in Dienstrechtsangelegenheiten richtet sich dem §2 Abs1 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 (DVG) zufolge primär nach den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen. Soweit in diesen Rechtsvorschriften keine Bestimmungen über die Zuständigkeit enthalten sind, gelten die folgenden Absätze des §2 DVG.

Zu beurteilen ist somit primär, ob die 'einschlägigen Gesetze und Verordnungen' (§2 Abs1 DVG) Regelungen über die Zuständigkeit des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes enthalten.

Aus Gründen der Zweckmäßigkeit ist es jedoch geboten, sich zunächst mit §2 Abs2 DVG zu befassen. Diese Bestimmung lautet:

'(2) Die obersten Verwaltungsorgane sind innerhalb ihres Wirkungsbereiches als oberste Dienstbehörde in erster Instanz zuständig. Solche Zuständigkeiten können mit Verordnung ganz oder zum Teil einer unmittelbar nachgeordneten Dienststelle als nachgeordneter Dienstbehörde übertragen werden, (...). Im Fall einer solchen Übertragung (Anm.: siehe die Dienstrechtsverfahrensverordnung 1981, BGBl. 162 - DVV) ist die nachgeordnete Dienstbehörde in erster Instanz und die oberste Dienstbehörde in zweiter Instanz zuständig.'

Unter den 'obersten Verwaltungsorganen' sind jedenfalls die im Art19 B-VG genannten 'obersten Organe der Vollziehung' (ausgenommen die Staatssekretäre) - also im Bundesbereich neben dem Bundespräsidenten die Bundesregierung, der Bundeskanzler und die übrigen Bundesminister - zu verstehen; dazu kommen im Bundesbereich noch einige weitere Organe, für die verfassungsrechtliche Spezialvorschriften gelten, nämlich der Präsident des Nationalrates (Art30 Abs4 und 6 B-VG), der Präsident des Rechnungshofes (Art21 Abs3 und Art125 B-VG) und der Vorsitzende der Volksanwaltschaft (Art148h Abs1 und 2 B-VG) (s. Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, II. Bd., Wien 1992, Anm. 5 zu §2 DVG). Ob auch der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes als 'oberstes Verwaltungsorgan' anzusehen ist, läßt sich aus §2 Abs2 DVG nicht ableiten. Aus dieser Bestimmung ergibt sich also nicht, wer die für das nichtrichterliche beamtete Personal des Verwaltungsgerichtshofes zuständige Dienstbehörde erster Instanz ist.

b) Der Weg, über die §§38 ff. BDG, insbesondere über §41a Abs6 BDG (s.o.1.b), eine Lösung des anstehenden Problems zu finden, erweist sich als Sackgasse. Diese Bestimmungen besagen nämlich nicht, welche Behörde in Versetzungs- und Verwendungsänderungs-Fällen in erster Instanz einzuschreiten hat.

§41a Abs6 BDG baut vielmehr auf §2 DVG auf. Dies ergibt sich schon aus den Erläuterungen zu der das Besoldungsreform-Gesetz 1994, BGBl. 550, betreffenden Regierungsvorlage, 1577 BlgNR, 18. GP, S 159, wo es zu §41a Abs6 BDG heißt:

'Aus verfassungsrechtlichen Gründen wird die im Abs6 vorgesehene Schaffung eines Instanzenzuges gegen Entscheidungen eines obersten Organes mit Verfassungsbestimmung normiert.

Die derzeit in Ressorts mit nachgeordneten Dienstbehörden mögliche Berufung gegen Bescheide der Dienstbehörden erster Instanz an die oberste Dienstbehörde im Sinne eines ordentlichen Rechtsmittels soll entfallen und nur mehr die Berufung an die Berufungskommission als ordentliches Rechtsmittel offenstehen.'

c) Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Judikatur (z.B. VwGH 19.5.1980 Zl. 862/80, 15.11.1982 Zl. 82/12/0046, und 30.4.1984 Zl. 83/12/0090) davon aus, daß der Bundeskanzler in Dienstrechtssachen, die das Personal des Verwaltungsgerichtshofes betreffen, zweite Instanz sei. Zum Teil wird in den genannten Entscheidungen anscheinend implizit die Kompetenz des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes als Dienstbehörde erster Instanz angenommen. Der Verwaltungsgerichtshof leitet die Zuständigkeit des Bundeskanzlers aus Abschnitt A Z4 des Teiles 2 der Anlage zu §2 des Bundesministeriengesetzes (BMG) 1973, BGBl. 389, (wiederverlautbart als Bundesministeriengesetz 1986, BGBl. 76), ab. Danach gehören zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes: 'Personelle Angelegenheiten der obersten Organe der Vollziehung mit Ausnahme des Bundespräsidenten'.

Diese Ableitung dürfte allerdings schon deshalb verfehlt sein, weil durch die Anführung einer Angelegenheit in der Anlage zu §2 des Bundesministeriengesetzes anscheinend keine Kompetenzzuweisung erfolgt ist (vgl. VfSlg. 10.510/1985, S 805 f.; anders nur §13 leg.cit. (vgl. VfSlg. 9347/1982); s. auch Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz. 684 ff.).

Im besonderen erfaßt die erwähnte Bestimmung in der Anlage zu §2 BMG offenkundig nur die Personalangelegenheiten der Bundesminister persönlich, nicht aber die Personalangelegenheiten der Beamten des jeweils von ihnen geleiteten Ressorts.

Auch aus der in Z3 des erwähnten Abschnittes A des Teiles 2 der Anlage zu §2 BMG vorgesehenen Aufgabenzuweisung an das Bundeskanzleramt ('Angelegenheiten der Verfassungs- und der Verwaltungsgerichtsbarkeit') scheint sich keine Zuständigkeit des Bundeskanzlers zu ergeben, über Berufungen gegen Bescheide des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden; aus dieser Bestimmung ist anscheinend lediglich abzuleiten, daß der Bundeskanzler in diesen Angelegenheiten der ressortzuständige Bundesminister ist; eine materielle Aufgabenzuweisung dürfte damit aber nicht erfolgt sein.

d) Der Bundespräsident hat seinerzeit mit Abs4 der Entschließung vom 12. August 1924, betreffend die Ausübung des Rechtes zur Ernennung von Bundesangestellten, BGBl. 312, unter Bezugnahme auf Art66 Abs1 B-VG genehmigt, daß der Bundeskanzler u.a. den Ersten Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes ermächtigt, sämtliche Beamte der allgemeinen Verwaltung bei diesem Gerichtshof (soweit die Ernennung nicht dem Bundespräsidenten vorbehalten ist) zu ernennen. Diese Entschließung wurde mit ArtIV Abs2 der Entschließung des Bundespräsidenten BGBl. 54/1995 mit Ablauf des 31. Dezember 1994 aufgehoben. Eine vergleichbare Bestimmung findet sich in der neuen Entschließung nicht mehr, sodaß eine solche Entschließung des Bundespräsidenten als eine hier in Betracht zu ziehende Rechtsnorm wohl ausscheidet und Erörterungen über sie im gegebenen Zusammenhang zu entfallen haben.

e) Nun scheinen vor allem die §§5, 8 und 9 VwGG 1985 dafür ins Treffen geführt werden zu können, daß der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Dienstbehörde erster Instanz für das nichtrichterliche beamtete Personal dieses Gerichtshofes sei. Aus diesen Bestimmungen könnte nämlich allenfalls gefolgert werden, daß er (kraft dieser speziellen Vorschriften) Dienstbehörde ist. In dieselbe Richtung scheint auch §18 VwGG 1985 (Text s.o. 1.c) zu gehen, wonach die 'Angelegenheiten des nichtrichterlichen Personals ... unter der Verantwortung des Bundeskanzlers geführt' werden. Diese Wendung könnte jedoch auch dahin verstanden werden, daß der Bundeskanzler in den erwähnten Angelegenheiten als Dienstbehörde erster Instanz einzuschreiten hätte.

3. Die Frage dürfte sich also darauf konzentrieren, in welchem Verhältnis die soeben zitierten Bestimmungen zueinander stehen - insbesondere, was unter der Wendung 'unter der Verantwortung des Bundeskanzlers' im §18 VwGG 1985 zu verstehen ist.

Eine Betrachtung entsprechender Regelungen in früheren Rechtsvorschriften, welche die Einrichtung und Organisation des Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshofes (bzw. von deren Vorläufern) zum Gegenstand hatten, ergibt folgendes Bild:

a) Nach §9 des Gesetzes vom 18. April 1869, RGBl. 44, 'betreffend die Organisation des Reichsgerichtes, das Verfahren vor demselben und die Vollziehung seiner Erkenntnisse', war das Reichsgericht (das war der Vorläufer des nunmehrigen Verfassungsgerichtshofes) ermächtigt, 'dem Ministerrath das ihm nöthige Kanzlei- und Hilfspersonale zu bezeichnen und dasselbe in Anspruch zu nehmen'.

b) Das Gesetz vom 22. Oktober 1875, RGBl. 36/1876, betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes, beruht anscheinend in dieser Hinsicht auf dem gleichen Grundgedanken: §46 dieses Gesetzes normierte, daß die 'näheren Bestimmungen über die innere Einrichtung des Verwaltungsgerichtshofes, dann über das bei demselben anzustellende Personale ... auf dem Verordnungswege getroffen' werden.

In 'Ausführung' dieser Gesetzesbestimmung erging die Verordnung des Gesamtministeriums vom 5. August 1876, RGBl. 95. Deren Pkt. 2 Abs2 zufolge hatte der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes u. a. den Kanzleidirektor aus der Mitte der Räte und den Präsidialsekretär aus den sonstigen Konzeptsbeamten des Verwaltungsgerichtshofes zu ernennen. Nach Pkt. 3 erfolgte die Besetzung derjenigen Dienstposten des Verwaltungsgerichtshofes, für welche die Ernennung nicht dem Kaiser vorbehalten war, im Wege der 'Concursausschreibung' durch den Verwaltungsgerichtshof selbst. Gemäß Pkt. 5 hatte für Personalangelegenheiten, namentlich für Dienstbesetzungen und für die Disziplinarbehandlung der nichtrichterlichen Beamten und der Diener des Verwaltungsgerichtshofes, der Präsident dieses Gerichtshofes eine Kommission einzusetzen, die mit Stimmenmehrheit zu entscheiden hatte.

c) Mit §2 des Gesetzes vom 6. Februar 1919, StGBl. 88, über die Errichtung eines deutschösterreichischen Verwaltungsgerichtes (VwGG 1919), wurden für den Wirkungskreis und die Organisation dieses Gerichtshofes sowie für das Verfahren vor demselben unter anderem das zitierte Gesetz RGBl. 36/1876 und die Verordnung RGBl. 95/1876 in Geltung gesetzt. Dem §5 VwGG 1919 zufolge werden 'Änderungen der Bestimmungen über die innere Einrichtung des deutschösterreichischen Verwaltungsgerichtshofes, dann über das bei ihm anzustellende Personal sowie Änderungen der Geschäftsordnung ... vom deutschösterreichischen Verwaltungsgerichtshofe selbst entworfen und durch den Staatskanzler dem Staatsrate zur Genehmigung vorgelegt. Sie sind im Staatsgesetzblatte zu verlautbaren.'

In Durchführung des §5 VwGG 1919 erging die Vollzugsanweisung der Staatsregierung vom 26. Juli 1919, StGBl. 419, über die Erlassung einer Dienstvorschrift für den deutschösterreichischen Verwaltungsgerichtshof. Die §§1 ('Oberste Leitung'), 63 ('Besetzung von Dienstposten') und 64 ('Abteilungen für Personalangelegenheiten') dieser Dienstvorschrift lauteten auszugsweise:

'§1.

(1) Die Leitung und Überwachung der Geschäftsführung des Gerichtshofes steht dem Präsidenten zu.

(2) ...'

'§63.

(1) Der Präsident bestimmt den Kanzleidirektor aus den Mitgliedern, den Präsidialsekretär aus den sonstigen Konzeptsbeamten des Gerichtshofes.

(2) Vor der Besetzung erledigter Ratsstellen sowie auch sonstiger systemisierter Beamten- und Dienerstellen ist die Bewerbung zu eröffnen. ...

(3) Die Besetzung der Dienstposten, wofür die Ernennung nicht dem Präsidenten der Nationalversammlung vorbehalten ist (Artikel 7 des Gesetzes vom 14. März 1919, St.G.Bl. Nr. 180), geschieht durch den Gerichtshof selbst (§64, Absatz 2) unter Bedachtnahme auf die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften.

(4) ...

§64.

(1) Der Personalsenat hat über die Besetzungsvorschläge nach dem 2. Absatze des §3 des Gesetzes vom 6. Februar 1919 Beschluß zu fassen.

(2) Die Personalangelegenheiten der nicht zu den Mitgliedern zählenden Beamten und der Diener des Gerichtshofes sind bis zu der allgemeinen Regelung in der bisherigen Art zu behandeln.

(3) ...'

d) §13 Abs1 des (damaligen) Verfassungsgerichtshofgesetzes, BGBl. 454/1925, erhielt durch die zweite Verfassungsgerichtshofgesetz-Novelle, BGBl. 112/1930, folgende Fassung:

'Die Angelegenheiten, die das dem Verfassungsgerichtshof angehörende Verwaltungspersonal und die sachlichen Erfordernisse betreffen, werden unter der Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers geführt.'

Die Erläuternden Bemerkungen zu der diese Novelle betreffenden Regierungsvorlage (441 BlgNR, III. GP) besagen hiezu:

'Die neue Fassung dieses Paragraphen, die meritorisch keine Änderung enthält, entspricht einerseits besser der Terminologie der sonstigen dienstrechtlichen Normen, anderseits paßt sie sich richtiger der Praxis an, die sich in diesen Fragen herausgebildet hat.'

e) Etwa zur gleichen Zeit, nämlich am 2. Juni 1930, wurde ein neues Verwaltungsgerichtshofgesetz, BGBl. 153/1930 (VwGG 1930), erlassen. Es enthielt im §13 Abs1 eine dem soeben zitierten §13 Abs1 des VerfGG idF der Novelle BGBl. 112/1930 und dem späteren §18 VwGG 1985 gleichende Regelung folgenden Wortlauts: '...'

§13 Abs2 VwGG 1930 sah die Einrichtung eines Personalsenates vor, der vor allen Ernennungen zu hören war.

In den Erläuterungen zu der das VwGG 1930 betreffenden Regierungsvorlage (464 BlgNR, III. GP) wird zu §13 ausgeführt:

'Dieser Paragraph stellt hinsichtlich des nichtrichterlichen Personals und der sachlichen Erfordernisse die Übereinstimmung zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof her.'

4. Die Vorgängerbestimmungen des §18 VwGG 1985 dürften es eher nahelegen, diese Norm nicht im Sinn des allgemeinen Sprachgebrauches (s. den folgenden Pkt. 5) zu interpretieren, sondern dahin, daß der Verwaltungsgerichtshof stets autonom gestellt war und ist. Demnach träfe den Bundeskanzler bloß die Verantwortung für die Vorsorge, daß die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes realisiert werden und dessen Aufgaben erfüllt werden können, so insbesondere, daß der Verwaltungsgerichtshof personell entsprechend ausgestattet ist.

In diese Richtung geht auch der literarische Beitrag von Hinterauer, Zur monokratischen Justizverwaltung des Verwaltungsgerichtshofes, in: Der Rechtsstaat in der Krise (FS Loebenstein (Hrsg. Adamovich/Kobzina), 1991, S 61 ff.), der im hier maßgebenden Abschnitt (S 67) meint, die in Rede stehende Gesetzesstelle sei so auszulegen, 'daß dem Bundeskanzler als Ressortchef in Angelegenheiten des nichtrichterlichen Personals nur die politische und rechtliche Verantwortung für diese Angelegenheit verbleibt' (vgl. dazu allerdings den folgenden Pkt. 5).

Bereits Tezner, Das Freie Ermessen der Verwaltungsbehörden, Leipzig/Wien 1924, S 183, kam zu einem ähnlichen Ergebnis, indem er bezüglich der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ausführte:

'... Eine durch Art18 der Bundesverfassung geforderte gesetzliche Grundlage für eine der Bundesregierung zukommende Ressortgewalt nach Art jener, wie sie dem Justizminister gegenüber den ordentlichen Gerichten zukommt, findet sich nicht. Der Natur der Sache nach kann, um nur die wichtigste Funktion der Ressortgewalt des Justizministers hervorzuheben, von einer Aufsichtsgewalt sei es der Gesamtregierung, sei es eines Ressortministers über die Geschäftsführung der zur Kontrolle eben dieser Gesamtregierung wie der einzelnen Ressortminister berufenen beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes, des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes, keine Rede sein, denn eine wirksame Kontrolle dieser Gerichte ist nicht denkbar, wenn ihre Amtsführung in welcher Beziehung immer der dienstlichen nach unkontrollierbarem Ermessen zu treffenden Verfügung der zu kontrollierenden staatlichen Organe unterliegt, am allerwenigsten dann, wenn diese Organe nach ihrem Ermessen über die den beiden Gerichten dienenden sachlichen Mittel ihres Amtsbetriebes verfügen, somit auch diesen Betrieb stören und unterbinden können, so wie sie es für gut befinden. ...'

Wäre §18 VwGG 1985 im Sinne dieser Literaturmeinung zu verstehen, so stünde er wohl der Auffassung nicht entgegen, daß der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Dienstbehörde erster Instanz für das nichtrichterliche Personal dieses Gerichtshofes ist (s.o. 2. e) und - mangels Einrichtung eines Instanzenzuges - auch als letzte Instanz in Dienstrechtssachen fungiert, sofern nicht eine spezielle Vorschrift (wie hier §41a Abs6 BDG) ausnahmsweise anderes vorsieht.

5.a) Der allgemeine Sprachgebrauch legt allerdings nahe, aus der im §18 VwGG 1985 verwendeteten Wortfolge 'unter der Verantwortung des Bundeskanzlers' abzuleiten, diese Bestimmung sei dahin zu verstehen, daß dem Bundeskanzler in den Angelegenheiten des nichtrichterlichen Personals des Verwaltungsgerichtshofes ein oberstes Entscheidungs- und Weisungsrecht zukommen soll; andernfalls wäre er doch anscheinend ohne effektive Einflußmöglichkeit auf das Geschehen in diesen Angelegenheiten und somit nicht in der Lage, seine Verantwortung (gegenüber dem Parlament) wahrzunehmen; die Übertragung von Verantwortung für das Verhalten eines anderen scheint die rechtliche Möglichkeit vorauszusetzen, dieses Verhalten zu bestimmen.

b) Bei diesem Inhalt scheint aber §18 VwGG 1985 der Bundesverfassung zu widersprechen:

So dürfte es die Bundesverfassung ausschließen, daß der Präsident jenes Gerichtshofes, dessen Aufgabe es (anders als etwa jene des Obersten Gerichtshofes) typischerweise ist, die Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung zu sichern, in Dienstrechtsangelegenheiten, die sein Personal betreffen, einem obersten Organ der Vollziehung (Art19 B-VG) unterstellt wäre. Würde der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes einem obersten Organ der Vollziehung nachgeordnet sein, so würde dies nämlich (so meint der Verfassungsgerichtshof vorläufig) zumindest den Anschein einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Verwaltungsgerichtshofes bewirken (vgl. hiezu die zu Art6 EMRK ergangene Judikatur). Dann aber stünde §18 VwGG 1985 anscheinend im Widerspruch zum System der Bundesverfassung. Dem B-VG dürfte nämlich ein Rechtsstaatskonzept zugrundeliegen, das wesentlich durch besondere Garantien der Rechtmäßigkeit des Staatshandelns geprägt ist; einen Teil dieser besonderen Garantien bildet die Verwaltungsgerichtsbarkeit, deren Aufgabe in der gerichtlichen Kontrolle der gesamten staatlichen Verwaltung besteht. Die Justizverwaltung dieses Gerichtshofes der Leitungsgewalt des Bundeskanzlers, also eines obersten Verwaltungsorganes, zu unterstellen, wäre daher anscheinend verfassungswidrig.

Die dargelegte Problematik spiegelt sich auch - wenngleich zum Teil mit rechtspolitischen Argumentationen - in der Literatur wider (vgl. die - zwar auf den Verfassungsgerichtshof bezogenen, aber auf den Verwaltungsgerichtshof übertragbaren - Ausführungen von Welan, Der Verfassungsgerichtshof, in: Demokratie und Verfassung in Österreich (Hrsg. Pelinka/Welan), 1971, S 259 ff.; s. auch Klecatsky, Über die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Menschenwürde und freiheitliche Rechtsordnung (FS Geiger - Hrsg. Leibholz/Faller/Mikat/Reis), 1974, S 942 f.; Ermacora, 100 Jahre Justizverwaltung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts, in: Die Entwicklung der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit (FS zum 100jährigen Bestehen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes - Hrsg. Lehne/Loebenstein/Schimetschek), 1976, S 335 ff.; Hinterauer, aaO, S 61 ff.)."

IV. Die Bundesregierung erstattete aufgrund ihres Beschlusses vom 27. April 1999 eine Äußerung mit dem Begehren, das eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren einzustellen oder - hilfsweise - auszusprechen, daß §18 VwGG nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Für den Fall der Gesetzesaufhebung beantragte die Bundesregierung gemäß Art140 Abs5 B-VG die Bestimmung einer Frist von 18 Monaten für das Außerkrafttreten.

Im einzelnen führte die Bundesregierung insbesondere folgendes aus:

"I. Einleitende Bemerkungen:

1. .....

2. In diesem Gesetzesprüfungsverfahren stellt sich ua. die Rechtsfrage, welche Behörde in den Angelegenheiten des Dienstrechtes des Personals der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes Dienstbehörde erster Instanz ist. Die Bundesregierung stellt dazu vorweg folgendes außer Streit:

2.1 Gemäß §2 Abs1 erster Satz DVG richtet sich die Zuständigkeit in Dienstrechtsangelegenheiten nach den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen.

Nicht einschlägig im Sinne dieser Bestimmung sind jedenfalls Bestimmungen der Anlage 2 zu §2 des Bundesministeriengesetzes 1986 (vgl. auch die Ausführungen in Pkt. 2.b) des Einleitungsbeschlusses), weil

'... die den Wirkungsbereich der Bundesministerien allgemein umschreibenden Rechtsnormen für sich allein das betreffende Bundesministerium weder zu Maßnahmen genereller, noch individueller Art auf dem betreffenden Sachgebiet berechtigen. Dies folgt schon aus dem Gebot des Art18 B-VG, demgemäß die Verwaltung nur auf Grund der Gesetze geführt werden darf und jeglicher Verwaltungsakt im materiellen Gesetz selbst eine inhaltlich hinreichende Determinierung erfahren muß. ... Auf Grund der Zuweisung eines Sachgebietes zum Wirkungsbereich eines Bundesministeriums ist das betreffende Bundesministerium daher zu den besorgenden Maßnahmen nur insoweit berufen, als materiell-rechtliche gesetzliche Regelungen bestehen und die Zuständigkeit des Bundes auf Grund der Bundesverfassung auf diesen Sachgebieten reicht.' (RV 483 BlgNR XIII. GP, 21)

2.2 Soweit in den einschlägigen Rechtsvorschriften keine Zuständigkeitsbestimmungen enthalten sind, gelten gemäß §2 Abs1 erster Satz DVG subsidiär dessen Abs2 bis 9.

Gemäß §2 Abs2 erster Satz DVG sind die obersten Verwaltungsorgane innerhalb ihres Wirkungsbereiches als oberste Dienstbehörde in erster Instanz zuständig. Eine Zuständigkeit des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes kann sich aus dieser Bestimmung schon deswegen nicht ergeben, weil er nicht oberstes Verwaltungsorgan ist (so zutreffend VwGH 19.5.1980, Zl. 862/80; vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II (1992), Anm. 5 zu §2 DVG). Gleichfalls unanwendbar wäre §2 Abs2 letzter Satz DVG, weil der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes in der Aufzählung der nachgeordneten Dienstbehörden (§2 DVV) nicht aufgezählt ist (VwGH 19.5.1980, Zl. 862/80).

.....

Unter der Annahme, daß in den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen keine Bestimmungen über die Zuständigkeit enthalten sind - was jedoch nicht der Fall ist; s. Pkt. II.1 -, wäre gemäß §2 Abs2 erster Satz DVG der Bundeskanzler als oberstes Verwaltungsorgan als oberste Dienstbehörde in erster Instanz zuständig.

II. Zu den Prozeßvoraussetzungen:

1. Die Bundesregierung teilt die in Pkt. 1 der Äußerung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. April 1999 .... vertretene Auffassung, daß §18 VwGG 1985 im Anlaßverfahren nicht präjudiziell sein kann.

Im Rahmen der vom Verfassungsgerichtshof vorzunehmenden Beurteilung, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden ist, ist allein maßgebend, welche Behörde in erster Instanz sachlich zuständig war. Es können daher nur Zuständigkeitsbestimmungen denkmöglich präjudiziell sein.

§18 VwGG 1985 regelt nun gerade nicht, welche Behörde zuständig ist, die administrativen Angelegenheiten des Verwaltungsgerichtshofes zu führen, sondern setzt die Zuständigkeit einer anderen Behörde zur Führung dieser Angelegenheiten als gegeben voraus: Es ist der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, der den Verwaltungsgerichtshof gemäß §8 erster Satz VwGG 1985 zu leiten hat. Zu den Leitungsgeschäften gehören gemäß §9 Abs1 erster Satz VwGG 1985 die nähere Regelung des Dienstbetriebes und die Dienstaufsicht über das gesamte Personal.

Ob der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes in der von ihm in erster Instanz entschiedenen Sache nicht an Weisungen gebunden war oder, wie in §18 VwGG 1985 vorgesehen, diese Sache 'unter der Verantwortung' (unter Bindung an Weisungen) des Bundeskanzlers zu führen hatte, ist für die vom Verfassungsgerichtshof im Anlaßfall zu treffende Sachentscheidung voraussetzungsgemäß ohne Bedeutung; maßgebend ist einzig und allein, ob der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes zuständig war, diese Sache in erster Instanz zu entscheiden; dies ergibt sich jedoch nicht aus §18 VwGG 1985, sondern ausschließlich aus den §§8 und 9 VwGG 1985.

2. Sollte der Verfassungsgerichtshof die Präjudizialität des §18 VwGG 1985 dem Grunde nach bejahen, wird geltend gemacht, daß nur die Wortfolge 'Nichtrichterliches Personal und' in der Überschrift und die Wortfolge 'des nichtrichterlichen Personals und' im Text der Bestimmung denkmöglich präjudiziell sein können.

III. Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes:

.....

In dieser Abhandlung (sc. Zur monokratischen Justizverwaltung des Verwaltungsgerichtshofes, FS Loebenstein (1991), 61 (67)) stellt Hinterauer zu §18 VwGG 1985 folgende Überlegung an:

'Wenn man davon ausginge, daß der Präsident des VwGH gegenüber dem Bundeskanzler als Ressortchef dieselbe Stellung einnähme wie der Chef jeder nachgeordneten Dienststelle eines Ressorts, dann käme dieser Gesetzesstelle kein Sinn zu, weil die Verantwortung des Bundeskanzlers eine Selbstverständlichkeit wäre. Die Gesetzesstelle ist daher so auszulegen, daß dem Bundeskanzler als Ressortchef in Angelegenheiten des nichtrichterlichen Personals nur die politische und rechtliche Verantwortung für die Angelegenheiten verbleibt.'

Schließlich verweist der Verfassungsgerichtshof noch auf Ausführungen von Tezner (Das freie Ermessen der Verwaltungsbehörden (1924), 183).

2. Sowohl der Einleitungsbeschluß als auch Hinterauer legen ihren Schlußfolgerungen die Prämisse zugrunde, die im §13 VwGG 1930 vorgesehene Verantwortung des Bundeskanzlers für die Führung der Justizverwaltung des Verwaltungsgerichtshofes stelle einen plötzlichen Bruch mit einer jahrzehntelangen Kontinuität der Unabhängigkeit ('Autonomie') dieses Gerichtshofes in der Führung der Justizverwaltung dar. Laut Hinterauer (aaO, 70) wurde

'... (e)rst mit dem VwGG 1930 (...) eine - nach Ansicht des Verfassers - verfassungsrechtlich bedenkliche Rechtslage geschaffen, indem die Angelegenheiten des nichtrichterlichen Personals und der sachlichen Erfordernisse des Gerichtshofes unter der Verantwortung des Bundeskanzlers zu führen sind.'

...

2.1.6 Durch §12 der Zweiten Verfassungsgerichtshofgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 112/1930, erhielt §13 VfGG 1925 eine neue Fassung; siehe die folgende Textgegenüberstellung:

Bisherige Fassung             Neue Fassung

§13.(1) Die Angelegenheiten,  §13.(1) Die Angelegenheiten, die

die das dem                   das dem Verfassungsgerichtshof

Verfassungsgerichtshof        angehörende Verwaltungspersonal

beigegebene Personal und die  und die sachlichen Erfordernisse

sachlichen Erfordernisse      betreffen, werden unter der

betreffen, werden vom         Verantwortlichkeit des

Bundeskanzler geführt.        Bundeskanzlers geführt.

(2) Der Präsident des         (2) Vor allen Ernennungen, die

Verfassungsgerichtshofes ist  das Verwaltungspersonal

ermächtigt, von dem           betreffen, ist der aus dem

Bundeskanzler das             Präsidenten, dem Vizepräsidenten

erforderliche Personal zu     und den ständigen Referenten des

beanspruchen.                 Verfassungsgerichtshofes

                              bestehende Personalsenat zu

(3) Der aus dem Präsidenten, hören.

dem Vizepräsidenten und den

ständigen Referenten

bestehende Personalsenat

erstattet dem Bundeskanzler

die Besetzungsvorschläge über

das dem Verfassungsgerichtshof

beigegebene Personal. Die Besetzungsvorschläge haben,

wenn genügend Bewerber

vorhanden sind, mindestens

drei Personen, wenn aber mehr

als eine Stelle zu besetzen

ist, mindestens doppelt

soviel Personen zu umfassen

als Stellen zu besetzen sind.

Dazu wird in den Erläuternden Bemerkungen (441 BlgNR III. GP, 6) ausgeführt:

'Die neue Fassung dieses Paragraphen, die meritorisch keine Änderung enthält, entspricht einerseits besser der Teminologie der sonstigen dienstrechtlichen Normen, anderseits paßt sie sich richtiger der Praxis an, die sich in diesen Fragen herausgebildet hat.'

.....

Wesentlich aufschlußreicher ist dagegen ein Vergleich der beiden Textfassungen des §13: Zunächst fällt auf, daß in der bisherigen Fassung des §13 Abs1 von dem dem Verfassungsgerichtshof beigegebenen, in der neuen Fassung dieser Bestimmung hingegen von dem dem Verfassungsgerichtshof angehörenden Verwaltungspersonal die Rede ist (vgl. Welan, Der Verfassungsgerichtshof, in Pelinka/Welan (Hrsg.), Demokratie und Verfassung in Österreich (1971), 213 (261)). Während die bisherige Fassung des §13 Abs1 davon sprach, daß die administrativen Angelegenheiten vom Bundeskanzler zu führen sind, waren sie nach der neuen Fassung dieser Bestimmung (nur mehr) unter dessen Verantwortung zu führen; der bisherige §13 Abs2, aus dem sich für den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes die Notwendigkeit ergab, das erforderliche Personal vom Bundeskanzler zu beanspruchen, entfiel. All dies deutet darauf hin, daß durch die Neufassung des §13 Abs1 die Führung der administrativen Angelegenheiten durch den Verfassungsgerichtshof selbst ermöglicht werden sollte. Der Hinweis im Text des §13 auf die Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers für die Führung dieser Aufgaben stellt jedoch klar, daß das Weisungsrecht des Bundeskanzlers als notwendige Voraussetzung seiner Ministerverantwortlichkeit durch diese Neufassung nicht berührt wird. In dieser Hinsicht - aber auch nur in dieser - enthält die neue Fassung gegenüber der bisherigen 'meritorisch keine Änderung'.

Auf das Wesentliche zusammengefaßt, ermöglichte die Neufassung des §13 VfGG 1925 durch die zweite VfGG-Novelle (nur) die dekonzentrierte Besorgung der bisher dem Bundeskanzler vorbehaltenen administrativen Angelegenheiten durch den Verfassungsgerichtshof (seinen Präsidenten), nicht aber deren weisungsfreie ('autonome') Besorgung.

2.1.7 Was die weitere Rechtsentwicklung anlangt, beschränkt sich die Bundesregierung auf die Feststellung, daß §13 VfGG 1953 dem §13 VfGG 1925 wörtlich und inhaltlich entspricht.

.....

2.2.4 Mit dem Inkrafttreten der Bundesverfassung stellte sich die Rechtslage wie folgt dar:

Gemäß §1 des Übergangsgesetzes (ÜG), BGBl. Nr. 2/1920, wurden alle zu diesem Zeitpunkt in Geltung stehenden Gesetze und Vollzugsanweisungen (Verordnungen) des Staates - einschließlich der Reichsgesetze - in die vom B-VG beherrschte Rechtsordnung übergeleitet, soweit sie mit den Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes nicht in Widerspruch standen. §38 dieses Gesetzes lautete:

'§38

Zu Artikel 136.

Das Gesetz vom 6. Februar 1919, St.G. Bl. Nr. 88, über die Errichtung eines deutschösterreichischen Verwaltungsgerichtshofes, bleibt, soweit es nicht durch die Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes und dieses Gesetzes abgeändert wird, bis auf weiteres als das im Artikel 136 vorgesehene Bundesgesetz in Kraft, wobei §6 dieses Gesetzes anzuwenden ist.'

Aus der mit dieser Bestimmung angeordneten Weiteranwendung des §6 des Gesetzes vom 6. Februar 1919 ergab sich, daß mit dessen Vollziehung der Bundeskanzler betraut war.

Zu den durch das Übergangsgesetz rezipierten Rechtsvorschriften gehörte auch die Dienstvorschrift des deutschösterreichischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Kelsen/Froehlich/Merkl, Die österreichische Bundesverfassung 1920 (1922), 247), allerdings mit drei wesentlichen Änderungen:

-

Gemäß Art65 Abs1 lita B-VG 1920 stand die Befugnis der Ernennung der Bundesangestellten und der sonstigen Bundesfunktionäre dem Bundespräsidenten zu (vgl. Abs4 der Entschließung BGBl. Nr. 312/1924). Falls die - die Besetzung der Dienstposten des nichtrichterlichen Personals regelnden - §§63 Abs3 und 64 Abs2 DV entsprechende Ernennungsbefugnisse des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes beinhaltet haben sollten, sind sie wegen Widerspruchs zu Art65 Abs1 lita B-VG 1920 insoweit nicht rezipiert worden.

-

Gemäß Art21 Abs2 B-VG 1920 wurde die Diensthoheit des Bundes gegenüber seinen Angestellten von den Volksbeauftragten des Bundes (nach der Definition des Art19 B-VG 1920: Bundespräsident, Bundesminister, Staatssekretäre) ausgeübt. Weder das B-VG 1920 noch das ÜG enthielten Bestimmungen, die eine verfassungs- und dienstrechtliche Sonderstellung der Angestellten der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes vorsehen (vgl. demgegenüber §20 Abs4 ÜG, wonach die Beamten und Diener der Nationalversammlung Angestellte der Kanzlei des Präsidenten des Nationalrates wurden und hinsichtlich ihrer Pflichten und Rechte den Bundesangestellten gleichgehalten waren).

In Verbindung mit §6 des Gesetzes vom 6. Februar 1919 ergab sich aus Art21 Abs2 B-VG 1920 die Zuständigkeit des Bundeskanzlers zur Ausübung der Diensthoheit (zur Auslegung dieses Begriffes vgl. VfSlg. 9287/1981; vgl. aber auch die auf ein weiteres Begriffsverständnis hindeutende Vorjudikatur und die bedenkenswerte Kritik von Thienel, Öffentlicher Dienst und Kompetenzverteilung (1990), 292 ff (300 ff)) gegenüber dem richterlichen und nichtrichterlichen Personal des Verwaltungsgerichtshofes. Alle Vorschriften, die den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes zur Ausübung diensthoheitlicher Befugnisse gegenüber dem nichtrichterlichen Personal ermächtigt haben, sind daher wegen Widerspruchs zu Art21 Abs2 B-VG 1920 nicht rezipiert worden; dies gilt insbesondere für §64 Abs2 DV.

-

Aus dem - wohl auch für die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes geltenden - Art87 Abs1 und 2 B-VG 1920 ergab sich eindeutig, daß die Richter nur in jenen Justizverwaltungssachen, die 'nach den Vorschriften des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen' waren, weisungsfrei waren; in allen anderen Justizverwaltungssachen waren sie an die Weisungen ihres Vorgesetzen (Präsident, Bundeskanzler) gebunden (vgl. mutatis mutandis Ringhofer, Gedanken über einen Entwurf zur Abänderung und Ergänzung des Bundes-Verfassungsgesetzes, FS Hellbling (1971), 607 (612); ders., Die österreichische Bundesverfassung (1977), 271 f).

.....

Im März 1930 wurde von der Bundesregierung eine neue Vorlage betreffend die Einrichtung und das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes eingebracht; die Regierungsvorlage aus dem Jahr 1927 wurde zurückgezogen (StenProt III. GP, 3506). Die Formulierung des §13 dieser Regierungsvorlage (464 BlgNR III. GP) entspricht §12 der Regierungsvorlage betreffend die Zweite Verfassungsgerichtshofgesetz-Novelle (470 BlgNR III. GP, 3) und wird ebenfalls mit dem Erfordernis der Übereinstimmung zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof begründet (464 BlgNR III. GP, 16); sie wird im weiteren Verlauf der parlamentarischen Beratungen nicht mehr geändert (vgl. §13 VwGG 1930, BGBl. Nr. 153).

Da sich die Formulierung des §13 VwGG 1930 ebenso an §13 VfGG 1925 (in der Fassung der zweiten VfGG-Novelle) orientiert wie die Formulierung des §13 der RV eines VwGG (30 BlgNR III. GP) an der Stammfassung dieser Bestimmung und es in beiden Fällen die erklärte Absicht des Gesetzgebers war, die administrativen Angelegenheiten des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes übereinstimmend zu regeln, sind Gesetzesmaterialien zu §13 VfGG 1925 (bzw. §12 VfGG 1921) mittelbar auch für die Auslegung des §13 VwGG 1930 von Bedeutung.

Wie unter Pkt. 2.1.6 ausgeführt, ermöglichte die Neufassung des §13 VfGG 1925 durch die zweite VfGG-Novelle (nur) die dekonzentrierte Besorgung der bisher dem Bundeskanzler vorbehaltenen administrativen Angelegenheiten durch den Verfassungsgerichtshof (seinen Präsidenten), nicht aber deren weisungsfreie ('autonome') Besorgung. Nichts anderes kann für den Verwaltungsgerichtshof gelten.

2.3. Zusammenfassend sind aus der unter Pkt. 2.1 und 2.2 dargestellten Rechtsentwicklung der Justizverwaltung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes nach Auffassung der Bundesregierung folgende Schlußfolgerungen zu ziehen:

2.3.1 Die Entstehungsgeschichte des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1921 zeigt, daß die Führung der administrativen Angelegenheiten eines Gerichtshofes des öffentlichen Rechtes unter der Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers der Bundesverfassung nicht widerspricht. Denn die Besorgung dieser Angelegenheiten durch den Bundeskanzler selbst wurde unmittelbar nach Inkrafttreten d

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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