TE Vwgh Beschluss 2003/6/11 2003/10/0072

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Veröffentlicht am 11.06.2003
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §57 Abs2;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art102 Abs1;
B-VG Art132;
VwGG §27 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, in der Beschwerdesache der NK in W, vertreten durch Dr. Ulrich O. Daghofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Albrechtgasse 3, gegen den Landeshauptmann von Steiermark wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit eines Auftrages gemäß § 24 Lebensmittelgesetz 1975, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes des Landes Steiermark vom 22. Juli 2002 wurde gemäß § 24 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. Nr. 86/1975, in Verbindung mit § 57 AVG, die Zubereitung und Abgabe von Lebensmitteln in dem von der Beschwerdeführerin geführten Gasthof wegen hygienischer Missstände untersagt und der gesamte Betrieb wegen Gefährdung der menschlichen Gesundheit geschlossen. Der Bescheid erging wegen Gefahr in Verzug gemäß § 57 Abs. 1 AVG ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung gemäß § 57 Abs. 2 AVG.

Auf Grund eines Ansuchens der Beschwerdeführerin wurde nach Einleitung des ordentlichen Ermittlungsverfahrens eine lebensmittelpolizeiliche Revision am 16. August 2002 durchgeführt, bei der festgestellt wurde, dass der Reinigungszustand in sämtlichen Betriebsräumlichkeiten entsprechend und ein Großteil der Mängel als behoben anzusehen sei. Der Bescheid vom 22. Juli 2002 wurde anlässlich des Lokalaugenscheines aufgehoben und die Wiederinbetriebnahme des Gaststättenbetriebs gewährt.

Da die belangte Behörde keine förmliche Entscheidung über die Vorstellung traf, erhob die Beschwerdeführerin die vorliegende Säumnisbeschwerde.

Es wird darin nicht in Abrede gestellt, dass der mit Vorstellung bekämpfte Mandatsbescheid am 16. August 2002 aufgehoben wurde. Die Beschwerdeführerin vertritt jedoch die Auffassung, dass (damit) "nicht geklärt worden" sei, ob nun die Sperre des Betriebes zu Recht erfolgt sei oder nicht. An der Klärung dieser Frage habe die Beschwerdeführerin ein rechtliches Interesse, da es davon auch abhänge, ob ihr Amtshaftungsansprüche gegenüber dem Land Steiermark zustünden und ob gegen sie ein Straferkenntnis wegen Offenhaltung des Betriebes verhängt werden könne. Mit der Aufhebung des Bescheides sei die Vorstellung nicht erledigt. Die Vorstellung hätte den Zweck, den Bescheid ex tunc "aufgehoben zu bekommen".

Die Beschwerde ist mangels Ausschöpfung des Devolutionszuges gemäß § 27 VwGG in Verbindung mit § 73 Abs. 2 AVG unzulässig.

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Selbst im Falle einer gesetzlichen Abkürzung des Instanzenzuges setzt eine Säumnisbeschwerde voraus, dass der Beschwerdeführer die höchste sachlich in Betracht kommende Oberbehörde vergeblich angerufen hat (vgl. den hg. Beschluss vom 6. Mai 1992, Zl. 92/01/0396, mit Hinweis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1947, VwSlg. 213 A/1947).

Die oberste Behörde ist jene Behörde, die anzurufen der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren rechtlich in der Lage war (vgl. etwa die Nachweise der Rechtsprechung bei Mayer, B-VG Kommentar, I.2. zu Art. 132). Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist somit, dass die oberste im Wege eines Devolutionsantrages anrufbare Behörde des jeweiligen Vollzugsbereiches angerufen wurde. Eine Säumnisbeschwerde ist daher in Angelegenheiten, in denen das AVG anzuwenden ist, nur zulässig, wenn zuvor die oberste Behörde des jeweiligen Vollzugsbereiches mit Devolutionsantrag angerufen wurde (§ 73 Abs. 2 AVG; vgl. z.B. Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts7, Rz 642 und 643, und für einen Fall der mittelbaren Bundesverwaltung beispielsweise den hg. Beschluss vom 15. September 1992, Zl. 92/04/0153).

Im Beschwerdefall richtet sich die Säumnisbeschwerde gegen die behauptete Säumnis des Landeshauptmannes von Steiermark in einer Angelegenheit des Lebensmittelrechts. Da die Angelegenheiten des Lebensmittelrechts, welches sich auf den Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z 12 B VG stützt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 8466/1978), gemäß Art. 102 Abs. 1 B-VG in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, besteht im Falle der Säumnis des Landeshauptmannes die Möglichkeit eines Devolutionsantrages gemäß § 73 Abs. 2 AVG an den zuständigen Bundesminister (vgl. den schon genannten hg. Beschluss vom 15. September 1992, Zl. 92/04/0153, sowie für die Geltendmachung der Säumnis mit der Erledigung einer Vorstellung nach § 57 Abs. 2 AVG den hg. Beschluss vom 29. Februar 1984, Zl. 84/11/0032).

Im Beschwerdefall fehlt sohin schon die Voraussetzung, dass die oberste anrufbare Behörde angerufen wurde.

Auf die Frage, ob bei einer Sachlage wie der vorliegenden die von der Beschwerdeführerin behauptete Entscheidungspflicht der Vorstellungsbehörde nach Aufhebung des mit Vorstellung bekämpften Bescheides besteht, ist daher nicht mehr einzugehen.

Die gegen den Landeshauptmann des Landes Steiermark gerichtete Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 11. Juni 2003

Schlagworte

Allgemein Besondere Rechtsgebiete Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003100072.X00

Im RIS seit

26.08.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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