Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des R in W, geboren 1975, vertreten durch Dr. Leopold Riess, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Zeltgasse 3/12, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. November 2000, Zl. 218.142/0-IX/27/00, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, nach den Feststellungen der belangten Behörde ein Staatsangehöriger Jordaniens, reiste am 1. Dezember 1999 in das Bundesgebiet ein und stellte am 6. Dezember 1999 einen Asylantrag. Bei seine Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 6. Dezember 1999 führte der Beschwerdeführer aus, er sei Palästinenser aus Jordanien. Von März bis September 1999 sei er Portier im Informationsbüro der Hamas in Amman gewesen. Er sei immer wieder von Polizei und Geheimdienst vernommen worden. Im August 1999 sei er von der Polizei vorgeladen und dann eine Woche lang im Gefängnis angehalten worden. Dann habe er sich täglich eine Woche lang bei der Polizei melden müssen. Am 14. August 1999 sei er von Geheimdienstleuten von zu Hause zu einem Verhör abgeholt worden. Es sei ihm vorgehalten worden, Aktivitäten für die Hamas zu setzen. Man habe ihn in der Zentrale des Geheimdienstes zwei Tage festgehalten, sodann habe man ihn in das Gefängnis überstellt und bis 7. September 1999 inhaftiert. Bis 21. September 1999 habe er sich wieder täglich bei der Polizei melden müssen. Am 21. September 1999 sei der Beschwerdeführer wieder von Leuten des Geheimdienstes abgeholt und zwei Tage angehalten und verhört worden. Danach sei er für weitere zwei Tage in die Sicherheitsdirektion verlegt worden. Nach seiner Freilassung am 25. September 1999 habe er sich wieder jeden Tag bei der Polizei melden müssen. Er sei sozusagen unter Hausarrest gestanden. Aus Angst, man könne ihn jederzeit wieder inhaftieren, verhören und schlagen, habe der Beschwerdeführer am 5. Oktober 1999 sein Heimatland verlassen. Im Falle einer Abschiebung würde man den Beschwerdeführer sicher inhaftieren, weil man ihn beschuldige, zur Hamas zu gehören.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. Juli 2000 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz abgewiesen. Gemäß § 8 Asylgesetz wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Jordanien zulässig sei. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dem Vorbringen des Beschwerdeführers über Schwierigkeiten mit den jordanischen Behörden könne kein Glaube geschenkt werden. Es sei wohl auszuschließen, dass Aktivisten der Hamas in Jordanien wiederkehrenden Schwierigkeiten ausgesetzt wären, wenn ein Informationsbüro der Hamas in Amman existiere. Die jordanischen Behörden hätten wohl auch kein Interesse an der Person des Beschwerdeführers gehabt, zumal dieser nicht einmal Mitglied der Hamas gewesen sei. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass er im Besitz seines Reisepasses verblieben wäre. Außerdem habe er als Portier des Büros nicht einmal die Hausnummer des Gebäudes, in dem er seinen Dienst versehen habe, nennen können. Fragwürdig sei auch, dass eine Person, die nicht Mitglied der Hamas sei, von dieser als Portier angestellt werde.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer u.a. aus, auch Kollegen von ihm hätten Probleme mit dem Geheimdienst bekommen. In Jordanien sei es üblich, dass der Reisepass nicht abgenommen werde. Wenn dem Beschwerdeführer vorgehalten werde, er habe nicht einmal die Gebäudenummer des Gebäudes, in dem er gearbeitet habe, gekannt, sei dem zu entgegnen, dass dieses Gebäude eben keine Nummer habe. Der Beschwerdeführer wäre aber auf Anfrage jederzeit bereit gewesen, der Behörde die Telefonnummer zu geben. Darüber hinaus werde sich der Beschwerdeführer bemühen, eine Arbeitsbestätigung vom Hamasbüro zu erlangen.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Arbeitsbestätigung hinsichtlich der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Portier bei der Hamas sei bei der belangten Behörde bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht eingelangt. Den Berufungsausführungen sei weiters entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt nicht davon gesprochen habe, dass das Haus, in dem das Informationsbüro des Hamas untergebracht sei, keine Hausnummer habe, sondern bloß, dass ihm diese nicht bekannt sei. Dass der Beschwerdeführer in der Berufung ausführe, er hätte der Behörde auf Anfrage die Telefonnummer des Hamasbüros bekannt gegeben, ohne aber diese in der Berufung zu nennen, spreche ebenfalls gegen die Glaubwürdigkeit seiner Angaben. In der Berufung sei auch dadurch, dass der Beschwerdeführer ausgeführt habe, in Jordanien sei die Abnahme von Reisepässen nicht üblich, kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens des Bundesasylamtes entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt neu behauptet worden. Dabei handle es sich nämlich einerseits um eine bloß unsubstanziierte Behauptung und zum anderen sei auch bei Wegfall dieses vom Bundesasylamt für die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers ins Treffen geführten Argumentes zufolge der übrigen Gründe weiterhin von einer schlüssigen Beweiswürdigung des Bundesasylamtes auszugehen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf von der Durchführung der im Gesetz vorgeschriebenen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG u.a. nur dann Abstand genommen werden, wenn in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 98/20/0551). Der Beschwerdeführer ist in seiner Berufung der Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz durch konkretes Vorbringen entgegengetreten. So hat er einerseits ausgeführt, dass die Abnahme von Reisepässen in Jordanien nicht üblich sei und andererseits hervorgehoben, dass das Gebäude, in dem er gearbeitet habe, über keine Hausnummer verfüge. Er hat auch konkrete Beweise dafür angeboten, dass sein Vorbringen den Tatsachen entspreche, indem er die Telefonnummer des Hamasbüros, in dem er gearbeitet habe, habe bekannt geben wollen. In Anbetracht dieses neuen Vorbringens im Berufungsverfahren, das der Beschwerdeführer auch durch Beweisanbote zu bescheinigen suchte, hätte die belangten Behörde ihre Entscheidung nicht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung treffen dürfen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2000/20/0233).
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangten Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die beantragte Umsatzsteuer in dem in der zitierten Aufwandersatzverordnung vorgesehenen Pauschalbetrag bereits berücksichtigt ist.
Wien, am 12. Juni 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001200174.X00Im RIS seit
22.07.2003