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50 GewerberechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / AllgLeitsatz
Zurückweisung von Anträgen eines UVS auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung der LKW-TafelV wegen entschiedener Sache sowie von Anträgen auf Aufhebung bzw Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des GüterbeförderungsG 1995 mangels PräjudizialitätSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im folgenden: UVS) stellte anläßlich bei ihm anhängiger Berufungsverfahren die Anträge
"1. der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, daß folgende Bestimmungen bis 10. Jänner 1998 gesetzwidrig waren:
a) §2 der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über die im Güterkraftverkehr zu verwendenden Tafeln (LKW-Tafel-Verordnung), BGBl. Nr. 304/1995, in eventu iVm. der unmittelbar vorausgehenden Überschrift 'Besondere Bestimmungen hinsichtlich Mietkraftfahrzeuge für den gewerblichen Gütertransport';
in eventu
b) §2 iVm. Anlage 2 der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über die im Güterkraftverkehr zu verwendenden Tafeln (LKW-Tafel-Verordnung), BGBl. Nr. 304/1995, in eventu iVm. der vorausgehenden Überschrift 'Besondere Bestimmungen hinsichtlich Mietkraftfahrzeuge für den gewerblichen Gütertransport';
2. der Verfassungsgerichtshof möge als verfassungswidrig aufheben:
die Wendung 'und §6 Abs1' in Z27 des Bundesgesetzes, mit dem das Güterbeförderungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 17/1998 (bzw. in §28 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 - GütbefG, BGBl. Nr. 593/1995 idF BGBl. I Nr. 17/1998).
in eventu
3. der Verfassungsgerichtshof möge die Wendung 'und §6 Abs1' in Z27 des Bundesgesetzes, mit dem das Güterbeförderungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 17/1998 (bzw. in §28 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 - GütbefG, BGBl. Nr. 593/1995 idF BGBl. I Nr. 17/1998), als verfassungswidrig aufheben und feststellen, daß die Bestimmungen in Antrag 1. bis 10. Jänner 1998 gesetzwidrig waren;
in eventu
4. der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, daß folgende Bestimmung verfassungswidrig war:
die Wendung '6 und' in §23 Abs2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 - GütbefG, BGBl. Nr. 593/1995".
2. Den im zu G101/98 und V48/98 vor dem Verfassungsgerichtshof protokollierten Anträgen liegt ein Berufungsverfahren vor dem UVS zugrunde, in dem der Berufungswerber das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 6. Februar 1997 wegen am 10. und 24. April 1996 begangener Verwaltungsübertretungen nach §2 Abs1, 2, 3 Z1 bis 3, 4 und 5 der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über die im Güterkraftverkehr zu verwendenden Tafeln (LKW-Tafel-Verordnung), BGBl. 1995/304, (im folgenden: LKW-Tafel-Verordnung), iVm. §23 Abs1 Z2 (laut UVS hätte §23 Abs1 Z6 angewendet werden müssen) und Abs2 des Bundesgesetzes über die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen (Güterbeförderungsgesetz 1995), BGBl. 1995/593, (im folgenden: Güterbeförderungsgesetz 1995), bekämpft. Mit diesem Straferkenntnis wurden über den Berufungswerber Geldstrafen im Ausmaß von jeweils
S 5.000,- verhängt, weil er es als gewerberechtlicher Geschäftsführer zu verantworten habe, daß entgegen dem Gebot des §2 der LKW-Tafel-Verordnung an dem angemieteten LKW keine "Mietfahrzeugtafel" angebracht gewesen war.
Den zu G102/98, V49/98 vor dem Verfassungsgerichtshof protokollierten Anträgen liegt ein Berufungsverfahren zugrunde, in dem über den Berufungswerber mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 13. Februar 1997 gemäß §2 Abs1, 2, 3 Z1 bis 3, 4 und 5 LKW-Tafel-Verordnung iVm. §23 Abs1 Z2 (laut UVS hätte auch hier wieder §23 Abs1 Z6 angewendet werden müssen) und Abs2 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. 1995/593, eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,- verhängt wurde, weil er es als gewerberechtlicher Geschäftsführer zu verantworten habe, daß zum Kontrollzeitpunkt (15. Mai 1996, 23.00 Uhr) am angemieteten LKW keine "Mietfahrzeugtafel" angebracht gewesen war.
3. Die für die konkreten Normenkontrollverfahren maßgeblichen
Bestimmungen lauten:
3.1. §2 LKW-Tafel-Verordnung samt Überschrift hat folgenden
Wortlaut:
"Besondere Bestimmungen hinsichtlich Mietkraftfahrzeuge für den
gewerblichen Gütertransport
§2. (1) Die im Rahmen der Konzession für die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern angemieteten Kraftfahrzeuge müssen außen an der rechten Längsseite mit zwei Tafeln gemäß Anlage 2 versehen sein.
(2) Beide Tafeln müssen entsprechend den Angaben in §1 Abs2, 3 und 5 ausgeführt sein.
(3) Auf einer Tafel muß gemäß Anlage 2 Z1 auf roter Grundfarbe in weißer, vollständig sichtbarer, dauernd gut lesbarer und unverwischbarer Schrift eingepreßt sein:
1.
Auf der linken Seite der Aufdruck 'Mietfahrzeug', wobei das Wort 'MIET' in Großbuchstaben mit einer Höhe von 57 mm und darunter das Wort 'FAHRZEUG' in Großbuchstaben mit einer Höhe von 16 mm eingepreßt sein muß;
2.
unterhalb der Aufschrift 'Mietfahrzeug' in Großbuchstaben mit einer Höhe von 17 mm der Name der Standortgemeinde des Vermieters;
3.
unterhalb des Namens der Standortgemeinde (Z2) in Großbuchstaben mit einer Höhe von 14 mm der Name
(Firmenname) des vermietenden Gewerbebetreibenden (Unternehmens).
(4) Unterhalb des Standeszeichens (§1 Abs5) muß in weißer Schrift mit einer Ziffernhöhe von 17 mm das dem Kraftfahrzeug zugewiesene Kennzeichen (§48 KFG 1967) eingepreßt sein.
(5) Auf der zweiten Tafel muß gemäß Anlage 2 Z2 oder 3 auf der linken Seite in schwarzer, vollständig sichtbarer, dauernd gut lesbarer und unverwischbarer Schrift auf der entsprechenden Grundfarbe die der Konzessionsart entsprechende Bezeichnung (§§3 und 4) sowie die Bezeichnung der die Tafel ausgebenden Behörde eingepreßt sein."
3.2. §6 Abs1 und §23 Güterbeförderungsgesetz 1995 idF BGBl. 1995/593 samt Überschrift haben folgenden Wortlaut:
"Bestimmungen über die Gewerbeausübung
§6. (1) Die zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern verwendeten Kraftfahrzeuge müssen an deren rechten Außenseite mit einer Tafel versehen sein, auf der der Name des Gewerbetreibenden - gegebenenfalls auch der des Geschäftsführers oder Filialgeschäftsführers -, der Standort des Gewerbebetriebes sowie die Art der Konzession (§2 Abs2) ersichtlich sind. Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr bestimmt durch Verordnung die Ausmaße und näheren Einzelheiten dieser Tafel, einschließlich einer unterschiedlichen Farbgebung für den Güternahverkehr und den Güterfernverkehr, sowie deren Ausgaben.
(2) ...
(3) ...
(4) ...
(5) ...
ABSCHNITT VII
Strafbestimmungen
§23. (1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 100000 S zu ahnden ist, wer
1.
die Anzahl der Kraftfahrzeuge ohne Genehmigung gemäß §3 Abs2 vermehrt;
2.
§6 zuwiderhandelt;
3.
Beförderungen gemäß §7 ohne die hiefür erforderliche Bewilligung durchführt;
4.
§11 zuwiderhandelt;
5.
die gemäß §12 festgelegten Tarife nicht einhält;
6.
andere als die in Z1 bis 5 genannten Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes sowie zwischenstaatlicher Vereinbarungen gemäß §8 dieses Bundesgesetzes
oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nicht einhält;
7.
Ge- und Verbote auf Grund von Abkommen mit Staatengemeinschaften über den grenzüberschreitenden Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen nicht befolgt.
(2) Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 Z1, 2 und 5 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß §366 Abs1 Z1 GewO 1994 hat die Geldstrafe mindestens 5 000 S zu betragen. Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 Z6 und 7 hat die Geldstrafe mindestens 20 000 S zu betragen."
Mit Bundesgesetz vom 9. Jänner 1998, mit dem das Güterbeförderungsgesetz geändert wird, BGBl. I 1998/17, (im folgenden: Novelle 1998), wurden neben anderen Bestimmungen die hier maßgeblichen §§6 Abs1 (Z5 des BGBl. I 1998/17) und 23 Abs1 Z6, 23 Abs2 (Z21 und 24 des BGBl. I 1998/17) des Güterbeförderungsgesetzes 1995 neu gefaßt. Außerdem wurde §28 (Z27 des BGBl. I 1998/17) in das Güterbeförderungsgesetz 1995 eingefügt. Diese Bestimmungen lauten auszugsweise:
"Bestimmungen über die Gewerbeausübung
§6. (1) Die zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern verwendeten Kraftfahrzeuge müssen außen an der rechten Längsseite mit einer Tafel versehen sein, auf der der Name des Gewerbetreibenden, der Standort des Gewerbebetriebes, die Art der Konzession (§2 Abs2) sowie das Kennzeichen des Kraftfahrzeuges ersichtlich sind. Mietfahrzeuge müssen mit zwei Tafeln versehen sein; auf einer Tafel müssen Name und Standort des vermietenden Unternehmens, auf der anderen die Konzessionsart (§2 Abs2) sowie die gemäß §20 Abs6 zuständige Behörde ersichtlich sein. Den Mietfahrzeugen gemäß §3 Abs3 dritter Satz gleichgestellte Fahrzeuge müssen nur mit einer Tafel versehen sein, auf der die Konzessionsart sowie die für den Unternehmer gemäß §20 Abs6 zuständige Behörde ersichtlich sind. Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr hat durch Verordnung festzusetzen:
1.
Maße und Beschriftung,
2.
Farbe,
3.
Ausgabe,
4.
Rückgabe,
5.
Kostentragung für die Herstellung und Verwaltung und
6.
Anbringung
der Tafeln.
Abschnitt VII
Strafbestimmungen
§23. (1) ...
1.
...
2.
...
3.
...
4.
...
5.
...
6.
andere als die in Z1 bis 5 genannten Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund
dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nicht einhält
7.
...
8.
...
9.
...
(2) Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 Z1, 2, 5 und 6 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß §366 Abs1 Z1 GewO 1994 hat die Geldstrafe mindestens 5 000 S zu betragen. Bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 Z3 und Z7 bis 9 hat die Geldstrafe mindestens 20 000 S zu betragen.
(3) ...
Inkrafttreten
§28. §3 Abs3 und §6 Abs1 treten mit 1. September 1995 in Kraft."
4.1. Der antragstellende UVS beruft sich zur Begründung der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen darauf, daß er als Tatsachen- und Rechtsinstanz in den Berufungsverfahren §2 der LKW-Tafel-Verordnung iVm. deren Anlage 2, §23 Abs1 Z6 sowie §23 Abs2 Güterbeförderungsgesetz 1995 idF BGBl. 1995/593, weiters §6 Abs1 sowie §28 idF der Novelle 1998 anzuwenden hätte.
4.2. In der Sache hegt der UVS in seinen Anträgen (die zu G101/98, V48/98 sind mit den zu G102/98, V49/98 protokollierten Anträgen inhaltsgleich) das Bedenken, daß weder in §6 Abs1 Güterbeförderungsgesetz 1995 noch in einer anderen Bestimmung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 vor der Novelle BGBl. I 1998/17 Regelungen über Mietfahrzeuge und demgemäß auch keine Regelungen über zusätzliche Anforderungen, wie zB eine zusätzliche "Mietfahrzeugtafel" für die Verwendung von Mietkraftfahrzeugen vorgesehen seien. Daher werde durch §2 der LKW-Tafel-Verordnung etwas geregelt, was durch das Güterbeförderungsgesetz 1995 nicht vorbestimmt sei bzw. wofür keine ausreichend bestimmten gesetzlichen Grundlagen vorhanden seien.
Dasselbe gelte aber auch für die nach §2 Abs2 und 5 iVm. den in Anlage 2 getroffenen Regelungen hinsichtlich der "Fernverkehrs"- und "Nahverkehrs"-Tafeln für Mietkraftfahrzeuge. Eine Anordnung zur Regelung der genannten Tafeln für gemietete Kraftfahrzeuge sei §6 Abs1 Güterbeförderungsgesetz 1995 nicht zu entnehmen. Jedenfalls widerspreche §2 Abs2 und 5 der LKW-Tafel-Verordnung dem §6 Abs1 Güterbeförderungsgesetz 1995 in der Weise, daß anstelle der gesetzlichen Anordnung, daß auf der Tafel der "Standort des Gewerbebetriebes" anzuführen sei, in der angefochtenen Bestimmung der Verordnung "die Bezeichnung der die Tafel ausgebenden Behörde" eingepreßt sein müsse (§2 Abs5 der LKW-Tafel-Verordnung).
Es sei aus dem Umstand, daß die "Mietfahrzeugtafel" nach Anlage 2 Z1 von einer anderen Behörde (die für den Standort des Vermieters zuständige Bezirksverwaltungsbehörde) als die Tafel nach Anlage 2 Z2 oder 3 (die für die Ausfertigung des Gewerbescheins zuständige Bezirksverwaltungsbehörde) ausgegeben werde, ersichtlich, daß es sich um eine andere Tafel als jene gemäß §6 Abs1 Güterbeförderungsgesetz 1995 iVm. §1 Abs4 LKW-Tafel-Verordnung handle.
Dadurch, daß der Gesetzgeber im Güterbeförderungsgesetz 1995 keine Unterscheidung zwischen von der Konzession erfaßten Fahrzeugen gemäß §3 bzw. §3a leg.cit. und angemieteten Kraftfahrzeugen getroffen habe und daher keine gesonderte Regelung für angemietete Kraftfahrzeuge in §6 vorgesehen habe, entspreche die angefochtene Bestimmung der LKW-Tafel-Verordnung nicht dem Gesetz.
Im Hinblick auf die Richtlinie 84/647/EWG des Rates vom 19. Dezember 1984 "über die Verwendung von ohne Fahrer gemieteten Fahrzeugen im Güterkraftverkehr" habe der UVS Zweifel dahingehend, ob durch die (direkte) Anwendung des Gemeinschaftsrechts (auch in Form einer EU-konformen Auslegung innerstaatlichen Rechts) das Legalitätsprinzip gemäß Art18 Abs2 B-VG eine inhaltliche Änderung dahingehend erfahren habe, daß die Verwaltungsbehörde gleichsam aufgrund des Gemeinschaftsrechts Verordnungen erlassen könne. Es stelle sich die Frage, ob die Behörde eine Richtlinie, weil sie nicht hinreichend bestimmt und nicht unmittelbar anwendbar sei, unter Außerachtlassung des Grundsatzes des Stufenbaus der Rechtsordnung und des Legalitätsprinzips gemäß Art18 Abs2 B-VG gleichsam nach freier Wahl ins nationale Recht umsetzen dürfe, oder ob nicht doch - zunächst - der Gesetzgeber berufen sei, eine Umsetzung herbeizuführen, welche Rechtsauffassung der UVS vertrete.
Bei der vom zuständigen Bundesminister in direkter Umsetzung einer EU-Richtlinie erlassenen Regelung in der LKW-Tafel-Verordnung würde daher gegenständlich der Verfassungsgerichtshof nicht die Gesetzmäßigkeit der LKW-Tafel-Verordnung zu prüfen haben, sondern er würde durch die inhaltliche Prüfung der LKW-Tafel-Verordnung zu prüfen und auszusprechen haben, ob sie der vom Bundesminister zitierten EU-Richtlinie entspreche. Eine solche Kompetenz komme dem Verfassungsgerichtshof aber weder nach Art139 Abs1 B-VG noch nach dem EU-Vertrag zu. Vielmehr falle diese Prüfung in die alleinige Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes.
Zur rückwirkenden Inkraftsetzung des §6 Abs1 idF der Novelle 1998 durch §28 dieser Novelle äußert der UVS das Bedenken, daß dadurch eine Verhaltensnorm, die verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert werde, rückwirkend geändert werde. Ein "Straftäter" könne sich aber nur auf die zum Tatzeitpunkt tatsächlich geltende Rechtslage stützen und daran sein Verhalten messen. Auch wenn konkrete Regelungen über die Ausstattung von Kraftfahrzeugen mit "Mietfahrzeugtafeln" in der zitierten Verordnung enthalten seien, finden sie jedoch im Güterbeförderungsgesetz 1995 (in der alten Fassung) keine gesetzliche Deckung, weshalb im Vertrauen auf die höherrangige Norm ein Unrechtsbewußtsein des Berufungswerbers nicht gegeben sein könne. Es sei daher durch die rückwirkende Inkraftsetzung des §6 Abs1 idF der Novelle 1998 das Rückwirkungsverbot des Art7 Abs1 EMRK verletzt.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes seien im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetzesänderungen, die die Rechtsposition der Rechtsunterworfenen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, die Gravität des Eingriffs und das Gewicht der für den Eingriff sprechenden Gründe maßgeblich. Die rückwirkend in Kraft gesetzte Regelung des §6 Abs1 idF der Novelle 1998 - als gesetzliche Grundlage für die bereits in Geltung stehende LKW-Tafel-Verordnung - stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtsposition der betroffenen Rechtsunterworfenen dar, zumal die Ausfolgung der Tafel mit Entlehn- und Manipulationsgebühren für den Gewerbetreibenden behaftet sei und die Ausstellung der Tafeln eine Maßnahme der Einschränkung der freien Erwerbsausübung darstelle. Sachliche Gründe für die Gesetzesänderung - die nur im Hinblick auf das (damals) anhängige Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof V118/97 erfolgt sei - gebe es nicht. So habe der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 10402/1985 keine sachliche Rechtfertigung in rückwirkenden Maßnahmengesetzen gesehen, die ausschließlich für beim Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren anzuwenden wären.
Hinsichtlich der Bestimmung des §23 Abs2 Güterbeförderungsgesetz 1995 gebe es keine sachliche Rechtfertigung dafür, daß die Nichteinhaltung der aufgrund des zitierten Gesetzes erlassenen Verordnungen (etwa aufgrund des §6 Güterbeförderungsgesetz 1995) mit mindestens S 20.000,- zu ahnden sei, wogegen Zuwiderhandlungen gegen §6 Güterbeförderungsgesetz 1995 nur mit einer Mindestgeldstrafe von S 5.000,- bedroht seien. So werde für das Delikt des Nichtmitführens der grundsätzlich vorgesehenen "Güternah/fernverkehrstafel" eine wesentlich geringere Mindeststrafe vorgesehen als für das Nichtmitführen der "Mietfahrzeugtafeln", welche Pflicht sich lediglich aus der bereits genannten LKW-Tafel-Verordnung ergebe. Eine sachliche Rechtfertigung für eine derartige unterschiedliche Behandlung gleich zu wertender Straftatbestände sei nicht zu ersehen. Bedenkt man im übrigen, daß §6 Abs1 Güterbeförderungsgesetz 1995 lediglich eine Verordnungsermächtigung zur näheren Ausgestaltung der "Güternah-/fernverkehrstafeln" enthalte, so ergebe eine Zuwiderhandlung etwa gegen die Farbe oder die Ausmaße der Tafel eine wesentlich höhere Mindeststrafe (das Vierfache!) als das gänzliche Nichtanbringen der Tafel. Eine solche Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wonach der Gesetzgeber an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen habe.
5. Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr hat zur angefochtenen Verordnungsbestimmung eine Äußerung erstattet und darin beantragt, die diesbezüglichen Anträge des UVS abzuweisen. Der Bundesminister führt in dieser Stellungnahme aus, daß es durch den EU-Beitritt Österreichs notwendig wurde, in Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 19. Dezember 1984 "über die Verwendung von ohne Fahrer gemieteten Fahrzeugen im Güterkraftverkehr", 84/647/EWG, Abl. Nr. L 335/72 vom 22. Dezember 1984, in der Fassung der Richtlinie des Rates vom 24. Juli 1990, 90/398/EWG, Abl. Nr. L 202/46 vom 31. Juli 1990, Regelungen zu treffen, damit auch Mietkraftfahrzeuge, mit denen nunmehr nach Gemeinschaftsrecht auch gewerblicher Gütertransport durchgeführt werden dürfe, mit einer vom Güterbeförderungsgesetz 1995 vorgeschriebenen Tafel versehen werden können. Besagte Richtlinie bestimme in Art3, daß Mitgliedstaaten Sorge zu tragen haben, daß Mietfahrzeuge unter den gleichen Bedingungen verwendet werden können, wie sie für die den Unternehmen gehörenden Fahrzeuge gelten. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 14391/1995) sei gemäß dem Prinzip der richtlinienkonformen Auslegung innerstaatlichen Rechts nationales Recht im Lichte der Richtlinie und deren Zielsetzung auszulegen, sodaß die Verordnung im Gesetz ihre Deckung finde.
6. Die Bundesregierung nahm zu den, das Güterbeförderungsgesetz 1995 betreffenden Bedenken des UVS Stellung und beantragte, den Anträgen ebenfalls nicht stattzugeben:
Hinsichtlich der Bedenken gegen das rückwirkende Inkraftsetzen des §6 Abs1 idF der Novelle 1998 durch §28 dieser Novelle geht die Bundesregierung davon aus, daß die Berufungswerber in den vor dem UVS anhängigen Verfahren Handlungen gesetzt hätten, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem Recht bereits strafbar wären. Daß sich dieser Tatbestand auf Grundlage einer - wie der UVS in seinem Antrag behauptet - gesetzwidrigen Verordnung ergebe, ändere nichts an der Tatsache, daß die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung "nach inländischem Recht" bereits strafbar gewesen wäre. Im Hinblick auf die den Gleichheitsgrundsatz betreffenden Bedenken könne von einer Verschlechterung der Rechtsposition der Rechtsunterworfenen mit Wirkung für die Vergangenheit keine Rede sein, weil bereits im Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der bekämpften Norm das durch diese Norm gebotene Verhalten aufgrund der Bestimmungen des §2 der LKW-Tafel-Verordnung rechtlich geboten gewesen wäre.
Auch die behauptete Verfassungswidrigkeit der Wendung "6 und" im §23 Abs2 Güterbeförderungsgesetz 1995 liegt nach Auffassung der Bundesregierung nicht vor:
Der antragstellende UVS verkenne in diesem Zusammenhang, daß sich die Z6 des verwiesenen §23 Abs1 Güterbeförderungsgesetz 1995 keinesfalls ausschließlich auf die LKW-Tafel-Verordnung, sondern auch auf alle anderen als die in den Z1 bis 5 genannten Gebote und Verbote des Bundesgesetzes sowie auf die zwischenstaatlichen Vereinbarungen gemäß §8 des Bundesgesetzes und auf die aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen beziehe. Der Gesetzgeber sei - auch im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes - nicht gehalten, für jeden Tatbestand eine eigene Verwaltungsstrafnorm zu schaffen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt, eine pauschalierende Regelung zu treffen und dabei Härtefälle in Kauf zu nehmen. Auch die leichte Handhabbarkeit einer Regelung sei vom Verfassungsgerichtshof als sachlicher Rechtfertigungsgrund einer Regelung anerkannt worden. Der Gesetzgeber dürfe bei der Festlegung der Höhe von Verwaltungsstrafen von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen. Es müsse daher bei der gesetzestechnischen Behandlung der Verwaltungsstraftatbestände im Güterbeförderungsgesetz 1995 auf eine Durchschnittsbetrachtung abgestellt werden, wenn man vermeiden wolle, daß Verwaltungsstraftatbestände mit jeweils individuell festzusetzenden Verwaltungsstrafdrohungen "seitenlang aufgezählt werden". Der Gesetzgeber habe den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum sohin nicht überschritten.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat in den - in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm. §35 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Normenkontrollverfahren erwogen:
Die Anträge sind nicht zulässig.
1. Zu §2 der LKW-Tafel-Verordnung:
1.1. Mit Erkenntnis vom 3. Dezember 1998, VfSlg. 15354/1998, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß §2 der LKW-Tafel-Verordnung nicht gesetzwidrig ist und den auf Aufhebung dieser Verordnungsbestimmung gerichteten Antrag des UVS Oberösterreich abgewiesen.
Der Verfassungsgerichtshof begründete diese Entscheidung im Kern damit, daß aufgrund des aus Art5 EG-Vertrag abzuleitenden Gebots richtlinienkonformer Interpretation innerstaatlichen Rechts "in der Verordnungsermächtigung des §6 Abs1 Güterbeförderungsgesetz 1995 (idF BGBl. 1995/593) jedenfalls seit dem Beitritt Österreichs zur EU auch Verordnungsregelungen ihre gesetzliche Deckung finden, die die Ausgestaltung von LKW-Tafeln für Mietfahrzeuge betreffen".
1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann über bestimmt umschriebene Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes bzw. ob der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung nur einmal befunden werden. Eine solche Entscheidung schafft für die gleichen Bedenken (nach allen Seiten hin) Rechtskraft (vgl. VfSlg. 5872/1968, 6296/1970, 6391/1971, 6550/1971, 9186/1981, 9216/1981, 10311/1984, 10578/1985, 10841/1986, 12661/1991, 13085/1992, 14356/1995, 14711/1996, 14795/1997, 15199/1998, VfGH 8.6.1999, G30/99).
Die Anträge auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit näher bezeichneter Bestimmungen in der LKW-Tafel-Verordnung (§2; in eventu §2 iVm. der Anlage 2 der Verordnung; in eventu iVm. der unmittelbar vorausgehenden Überschrift der genannten Verordnung) richten sich gegen dieselben Normenbestandteile wie die vom Verfassungsgerichtshof bereits im Verfahren zu V118/97 geprüften (siehe VfSlg. 15354/1998), und die vom UVS vorgetragenen Bedenken stimmen auch mit jenen (wortgleich) überein, über die der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 15354/1998 entschieden hat.
1.3. Die Anträge auf Feststellung, daß die genannten Verordnungsbestimmungen gesetzwidrig waren, waren daher wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
2. Zur rückwirkenden Inkraftsetzung des §6 idF der Novelle 1998 durch §28 dieser Novelle sowie der Wendung "6 und" in §23 Abs2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995:
2.1. Gemäß Art140 Abs1 iVm. Art129a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen unter anderem auf Antrag eines unabhängigen Verwaltungssenates, wenn dieser gegen die Anwendung solcher Normen aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat. Der Verfassungsgerichtshof geht entsprechend seiner ständigen Judikatur (VfSlg. 9811/1983, 10296/1984, 12189/1989, 14551/1996, 14696/1996) davon aus, daß er nicht berechtigt ist, durch seine Präjudizialitätsentscheidung einen unabhängigen Verwaltungssenat, der einen Gesetzesprüfungsantrag gemäß Art140 Abs1 B-VG stellt, an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates in der Hauptsache vorgreifen würde. Ein Antrag dieses Rechtsschutzorganes gemäß Art140 Abs1 B-VG darf daher vom Verfassungsgerichtshof nur dann zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig, also gleichsam denkunmöglich ist, daß die angefochtene Gesetzesbestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates im Anlaßfall bildet.
2.2.1. Die Annahme des UVS, daß er §28 idF der Novelle 1998 im Berufungsverfahren anzuwenden hätte, ist offenkundig unzutreffend, weil sich nach §1 Abs2 VStG im Verwaltungsstrafverfahren die Strafe nach der zum Zeitpunkt der Tat geltenden Rechtslage richtet. Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat berühren die bereits eingetretene Strafbarkeit nicht. Sie haben gemäß §1 Abs2 VStG bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz nur hinsichtlich der Strafe zur Folge, daß ein etwaiges nunmehr für den Täter günstigeres Recht zur Anwendung zu kommen hat. Eine Änderung der Rechtslage nach Fällung des Bescheides erster Instanz muß daher bereits aufgrund des §1 Abs2 VStG ohne Bedeutung bleiben.
§28 idF der Novelle 1998 trat gemäß Art49 Abs1 B-VG am 10. Jänner 1998 in Kraft. Da in den anhängigen Verfahren die hier maßgeblichen Zeitpunkte der Begehung der Taten jedenfalls vor diesem Zeitpunkt lagen (10. April 1996, 24. April 1996, 15. Mai 1996), ist es denkunmöglich, daß der UVS den angefochtenen Gesetzesbestandteil in §28 idF der Novelle 1998 anzuwenden hatte.
2.2.2. Der Antrag auf Aufhebung der Wendung "und §6 Abs1" in §28 idF der Novelle 1998 war daher mangels Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung als unzulässig zurückzuweisen.
2.3. Soweit der UVS in den Eventualanträgen die Feststellung begehrt, daß die Wendung "6 und" in §23 Abs2 zweiter Satz Güterbeförderungsgesetz 1995 verfassungswidrig war, ist die angefochtene Wendung für das Verfahren vor dem UVS ebenfalls nicht präjudiziell.
Den Anträgen auf Prüfung liegen Verwaltungsübertretungen zugrunde, wonach der gewerberechtliche Geschäftsführer es unterlassen habe, der Verpflichtung zur Anbringung der "Mietfahrzeugtafeln" Folge zu leisten. Der antragstellende UVS geht davon aus, daß derartige Übertretungen nach §2 der LKW-Tafel-Verordnung zu bestrafen wären und nimmt aus dem Umstand, daß Übertretungen nach §6 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 nur mit mindestens S 5.000,-, Übertretungen der Durchführungsverordnungen des Güterbeförderungsgesetzes hingegen mit mindestens S 20.000,- zu ahnden wären, eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes an.
Dem ist entgegenzuhalten, daß es in den den Anträgen zugrundeliegenden Verwaltungsübertretungen nicht um Fragen der in §2 der LKW-Tafel-Verordnung geregelten näheren Ausgestaltung der "Mietfahrzeugtafeln", sondern darum ging, daß (in beiden den Anträgen des UVS zugrundeliegenden Fällen), überhaupt keine dieser Tafeln am LKW angebracht worden waren. Die Verpflichtung zur Anbringung der "Mietfahrzeugtafeln" ergibt sich jedoch aus §6 Güterbeförderungsgesetz 1995 (vgl. diesbezüglich VfSlg. 15354/1998). Die dem gewerberechtlichen Geschäftsführer vorgeworfene Unterlassungshandlung ist demnach nicht unter eine bei Anwendung der Wendung "6 und" vorauszusetzende Verordnungsbestimmung zu subsumieren.
Es ist daher iS des unter Punkt II.2.1. Gesagten die Wendung "6 und" in §23 Abs2 Güterbeförderungsgesetz 1995 nicht präjudiziell.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Gewerberecht, Güterbeförderung, res iudicata, Rechtskraft, Verwaltungsstrafrecht, VfGH / Bedenken, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:G101.1998Dokumentnummer
JFT_09999689_98G00101_00