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41/04 Sprengmittel Waffen Munition;Norm
WaffG 1996 §25 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des L in Wien, vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. April 2000, Zl. SD 274/00, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Administrationsbüro, vom 21. März 2000 wurde dem Beschwerdeführer die am 20. Februar 1974 ausgestellte, näher bezeichnete Waffenbesitzkarte gemäß § 25 Abs. 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 6 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), entzogen. Nach Wiedergabe des Inhaltes der erwähnten Bestimmungen stellte die Erstbehörde fest, der Beschwerdeführer sei mit Schreiben vom 12. Juli 1999 aufgefordert worden, gemäß § 5 Abs. 1 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 313/1998 (2. WaffV), den Nachweis zu erbringen, dass er voraussichtlich mit Schusswaffen sachgemäß umgehen werde. Da der Beschwerdeführer an der Feststellung des für die waffenrechtliche Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes nicht mitgewirkt habe, besitze er nicht mehr die im § 8 WaffG geforderte Verlässlichkeit, wobei die Erstbehörde anschließend noch darauf verwies, dass der Beschwerdeführer vom "Ergebnis der Beweisaufnahme" verständigt worden sei und keine Stellungnahme abgegeben habe.
Bei dieser "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" handelt es sich - nach der Aktenlage - um ein an den Beschwerdeführer gerichtetes Schreiben der Erstbehörde vom 16. November 1999 mit im Wesentlichen folgendem Inhalt:
"Mit Schreiben vom 12.7.1999 wurden Sie aufgefordert, !XX! gem. § 5 der 2. WaffV den Nachweis zu erbringen, dass
Sie voraussichtlich mit Schusswaffen sachgemäß umgehen werden (siehe Beilage).
Da Sie an der Feststellung des für die waffenrechtliche Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes nicht mitgewirkt haben, muss angenommen werden, dass Sie nicht mehr die im § 8 des WaffG 1996 geforderte Verlässlichkeit besitzen. Sollten Sie den erforderlichen Schulungsnachweis nicht binnen eines Monates nach Erhalt dieses Schreibens anhersenden, ist beabsichtigt, Ihnen gem. § 8 Abs. 6 WaffG 1996 Ihre waffenrechtliche Urkunde zu entziehen.
!XX! gem. § 58 Abs. 4 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 WaffG 1996 eine Rechtfertigung abzugeben, jedoch haben Sie die Frist ungenützt verstreichen lassen. Es wird Ihnen nunmehr neuerlich und letztmalig Gelegenheit gegeben, beiliegende Rechtfertigung anherzusenden. Sollten Sie die Rechtfertigung, welche gebührenfrei ist, nicht innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens abgeben, wird Ihnen Ihre Waffenbesitzkarte gem. § 58 Abs. 4 WaffG 1996 entzogen.
Sie haben Gelegenheit, dazu binnen 1 Woche nach Zustellung dieser Verständigung schriftlich Stellung zu nehmen und können während dieser Zeit auch Akteneinsicht nehmen.
...
Beilagen erwähnt"
In der gegen den eingangs erwähnten erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Berufung machte der Beschwerdeführer weitgehend nur mit allgemein gehaltenen Ausführungen Begründungsmängel geltend und führte insoweit fallbezogen lediglich ins Treffen, zur Aufforderung mit Schreiben der Erstbehörde vom 16. November 1999 habe der Beschwerdeführer am 24. November 1999 "seine Rechtfertigung" - der Beschwerdeführer benötige die Waffe aus näher dargestellten Gründen zum Schutz des Eigentums - abgegeben, worauf im erstinstanzlichen Bescheid "in keiner Form Bezug genommen" worden sei. Es sei aktenwidrig und unrichtig, dass der Beschwerdeführer zum "Ergebnis der Beweisaufnahme" keine Stellungnahme abgegeben und deshalb an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. April 2000 wurde der Berufung keine Folge gegeben. Begründend stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer sei mit Schreiben vom 16. November 1999 aufgefordert worden, (einerseits) eine Rechtfertigung für den Waffenbesitz gemäß § 58 Abs. 4 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 WaffG abzugeben sowie (andererseits) gemäß § 5 der 2. WaffV den Nachweis zu erbringen, dass er voraussichtlich mit Schusswaffen sachgemäß umgehen werde. Bei der Erstbehörde sei am 1. Dezember 1999 lediglich die "eingeforderte Rechtfertigung" eingelangt. Den Nachweis für die Befähigung zum sachgemäßen Umgang mit Waffen habe der Beschwerdeführer hingegen nicht "geliefert".
Gemäß § 5 der 2. WaffV - so begründete die belangte Behörde weiter - habe sich die Behörde im Rahmen des Verfahrens zur Ausstellung einer waffenrechtlichen Urkunde und anlässlich einer Überprüfung gemäß § 25 WaffG davon zu überzeugen, dass der Betroffene voraussichtlich mit Schusswaffen sachgemäß umgehen werde. Den Betroffenen selbst treffe hierbei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Von einer derartigen Mitwirkung könne im gegenständlichen Fall jedoch keine Rede sein, weil der Beschwerdeführer trotz ausdrücklicher Aufforderung zur Nachbringung eines Schulungsnachweises im Sinne des § 5 der
2. WaffV diesen Nachweis innerhalb der dafür gesetzten angemessenen Frist nicht erbracht habe. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit Schusswaffen sachgemäß umgehen werde, sei sohin aus Gründen, die in seiner Person lägen, nicht möglich gewesen. Auf Grund ausdrücklich vorgesehener gesetzlicher Anordnung (§ 8 Abs. 6 WaffG) habe der Beschwerdeführer daher als nicht verlässlich im Sinne des Waffengesetzes zu gelten und es sei ihm die waffenrechtliche Urkunde zu entziehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
§ 25 Abs. 1 und 3 sowie § 8 Abs. 6 WaffG lauten:
"Überprüfung der Verlässlichkeit
§ 25. (1) Die Behörde hat die Verlässlichkeit des Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen, wenn seit der Ausstellung der Urkunde oder der letzten Überprüfung fünf Jahre vergangen sind.
(2) ...
(3) Ergibt sich, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist, so hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen."
"Verlässlichkeit
§ 8 ...
(6) Schließlich gilt ein Mensch als nicht verlässlich, wenn aus Gründen, die in seiner Person liegen, die Feststellung des für die Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes nicht möglich war. Als solcher Grund gilt jedenfalls, wenn der Betroffene sich anlässlich der Überprüfung seiner Verlässlichkeit weigert, der Behörde
1. Waffen, die er nur auf Grund der nach diesem Bundesgesetz ausgestellten Urkunde besitzen darf, samt den zugehörigen Urkunden vorzuweisen;
2. die sichere Verwahrung der in Z 1 genannten Waffen nachzuweisen, obwohl auf Grund bestimmter Tatsachen Zweifel daran bestehen, dass er die Waffen sicher verwahrt."
§ 5 der 2. WaffV lautet:
"Sachgemäßer Umgang mit Waffen
§ 5. (1) Im Verfahren zur Ausstellung einer waffenrechtlichen Urkunde hat sich die Behörde davon zu überzeugen, ob der Antragsteller voraussichtlich mit Schusswaffen sachgemäß umgehen wird; dasselbe gilt anlässlich einer Überprüfung der Verlässlichkeit (§ 25 WaffG).
(2) Als Beweismittel für die Befähigung zum sachgemäßen Umgang mit Waffen kommt neben dem Nachweis ständigen Gebrauches als Dienst-, Jagd- oder Sportwaffe insbesondere die Bestätigung eines Gewerbetreibenden in Betracht, der zum Handel mit nichtmilitärischen Waffen berechtigt ist, wonach der Betroffene auch im - praktischen - Umgang mit (seinen) Waffen innerhalb des letzten halben Jahres geschult wurde."
Die Beschwerde macht im Wesentlichen nur geltend, die Behörde habe dem Beschwerdeführer niemals den Auftrag erteilt, einen entsprechenden Schulungsnachweis zu erbringen. Insoweit sei die Begründung des angefochtenen Bescheides durch den Akteninhalt nicht gedeckt.
Mit diesen Ausführungen verstößt der Beschwerdeführer gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG), hat er es doch unterlassen, einen entsprechenden Einwand im Verwaltungsverfahren vorzutragen. Der Beschwerdeführer hat in der Berufung nämlich ausgeführt, er habe "auf das Schreiben
des Administrationsbüros vom 16.11.1999 ... über Aufforderung
meine Rechtfertigung am 24.11.1999 ... abgegeben". Damit wurde
aber der Erhalt dieses Schreibens zugestanden, ohne dass in eindeutiger Weise eine den Inhalt betreffende Einschränkung dahin gemacht worden wäre, es hätte nur die Aufforderung zur Rechtfertigung im Sinne des § 22 WaffG und keinen Auftrag zur Vorlage eines Nachweises im Sinne des § 5 der 2. WaffV enthalten. Da sich der erstinstanzliche Bescheid aber nur auf Letzteren bezog, wäre der Beschwerdeführer somit bereits im Berufungsverfahren gehalten gewesen, den Zugang einer solchen Aufforderung zu bestreiten.
Trotzdem ist die Beschwerde aus nachstehenden Überlegungen im Ergebnis berechtigt:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die vorgelegten Verwaltungsakten das (erste) Aufforderungsschreiben vom 12. Juli 1999, auf dessen behauptete Nichtbeantwortung sich die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides primär stützt, nicht enthalten und diesbezüglich auch sonst kein aktenmäßiger Vorgang ersichtlich ist. Das dürfte wohl der Grund dafür sein, dass die belangte Behörde dieses Schreiben im angefochtenen Bescheid nicht mehr erwähnt und ihre Begründung ausschließlich darauf basiert, dass der Beschwerdeführer der Aufforderung vom 16. November 1999 zur Erbringung des "erforderlichen Schulungsnachweises" nicht entsprochen habe. Dadurch wurde das (Urgenz)Schreiben vom 16. November 1999 in der Begründung des angefochtenen Bescheides als "Erstaufforderung" dargestellt, obwohl diese Aufforderung nach ihrem Inhalt auf der unterlassenen Reaktion des Beschwerdeführers zum (im erstinstanzlichen Bescheid behaupteten) Schreiben vom 12. Juli 1999 aufbaut. Insoweit erweist sich der angefochtene Bescheid als aktenwidrig.
Es bleibt aber nicht nur im Dunkeln, welchen Inhalt ein allfälliges Schreiben vom 12. Juli 1999 in Bezug auf die Aufforderung an den Beschwerdeführer zum Nachweis der Verlässlichkeit hatte, zumal auch die Erstbehörde hiezu keine näheren Feststellungen getroffen hatte, sondern es ist an Hand der Aktenlage für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht nachvollziehbar, welchen Inhalt die im Schreiben vom 16. November 1999 im ersten Punkt angesprochene Beilage hatte. Aus der Nichtbefolgung der im Schreiben vom 16. November 1999 selbst enthaltenen Aufforderung zur Vorlage des "erforderlichen Schulungsnachweises" binnen Monatsfrist durfte die belangte Behörde aber noch nicht auf die mangelnde Verlässlichkeit des Beschwerdeführers schließen. Der diesem Schluss zugrundeliegende Vorwurf der mangelnden Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hätte nämlich zunächst eine der maßgeblichen Rechtslage entsprechende Aufforderung zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht vorausgesetzt (vgl. im Zusammenhang mit § 4 der 2. WaffV das hg. Erkenntnis vom 26. April 2001, Zl. 2000/20/0387 mwN; siehe zur Notwendigkeit der "klaren Umschreibung des Begutachtungsthemas" in Bezug auf ein vorzulegendes Gutachten auch das hg. Erkenntnis vom 30. September 1998, Zl. 98/20/0269). Dem wird aber die Aufforderung im Schreiben vom 16. November 1999 nicht gerecht, weil sie sich ausdrücklich nur auf die in § 5 Abs. 2 der 2. WaffV bloß beispielsweise angeführte Erbringung eines "Schulungsnachweises" bezieht, ohne auf die in dieser Bestimmung jedenfalls auch erwähnte Möglichkeit zur Berufung auf bestimmte andere Beweismittel für die Befähigung zum sachgemäßen Umgang mit Waffen (Nachweis ständigen Gebrauches als Dienst-, Jagd- oder Sportwaffe) hinzuweisen. Unter diesen Umständen kann schon von einer Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht die Rede sein, sodass es keiner weiteren Erörterung bedarf, unter welchen Voraussetzungen ihr Vorliegen die Anwendung des § 8 Abs. 6 erster Satz WaffG rechtfertigen könnte.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, wobei die nach § 24 Abs. 3 VwGG entrichtete Gebühr auf Euro umzurechnen war. Das darüber hinaus gehende Begehren im Kostenverzeichnis findet in der angeführten Verordnung keine Deckung.
Wien, am 12. Juni 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000200191.X00Im RIS seit
31.07.2003