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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des K in G, geboren 1970, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. Mai 2000, Zl. 213.550/0-III/07/99, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem zweiten, die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone feststellenden Spruchteil wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, nach seinen Angaben ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, reiste am 8. Juni 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am nächsten Tag die Gewährung von Asyl. Bei seiner in englischer Sprache durchgeführten Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 1. Juli 1998 gab er im Wesentlichen an, er stamme aus dem Dorf Kishiri, das südlich von Kenema am "Moa-River" gelegen sei. Er spreche Englisch und "Kreo" und gehöre zum Stamm der "Mendi". Zu seinen Fluchtgründen behauptete der Beschwerdeführer, er sei nach dem Auffinden von Waffen und Munition im Getreidespeicher seines Vaters von Soldaten unter dem Verdacht, wie sein (unmittelbar davor von diesen Soldaten erschossener) Vater die Rebellen zu unterstützen, verhaftet und in ein Armeegefängnis (in Freetown) gebracht worden. Dort hätte ihn - ohne dass eine Gerichtsverhandlung durchgeführt worden wäre - der Tod erwartet. Aufgrund der Intervention des Priesters aus seinem Dorf habe ihn ein ranghoher Offizier ("Major") aus der Todeszelle befreit und seine Flucht (per Flugzeug und in Begleitung eines Schleppers) organisiert.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. Mai 2000 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers - nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - im Spruchpunkt 1. gemäß § 7 AsylG abgewiesen und im Spruchpunkt 2. wurde gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei.
Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer - entgegen seinen Behauptungen - nicht aus Sierra Leone stamme. Sie stützte diese Auffassung insbesondere auf die näher begründete Unrichtigkeit der in der Berufungsverhandlung gemachten Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Sprachkenntnissen, zu den Währungseinheiten und zum Preisniveau in Sierra Leone sowie "zur Abrundung" unter anderem auch darauf, dass der Beschwerdeführer den Namen jenes Bezirkes nicht habe nennen können, zu dem sein Heimatdorf gehöre. Komme der Beschwerdeführer nicht aus Sierra Leone, so könne auch der von ihm vorgetragenen Fluchtgeschichte kein Glauben geschenkt werden. Rechtlich folgerte die belangte Behörde, da das Vorbringen "absolut unglaubwürdig" sei, könne die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.
Zur Feststellung gemäß § 8 AsylG führte die belangte Behörde fallbezogen zunächst - unter Bezugnahme auf die Beweiswürdigung im Asylteil - aus, dem Beschwerdeführer sei die Glaubhaftmachung hinsichtlich individueller Gefährdungsmomente "in keinster Weise gelungen". Dass die (insbesondere) Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone auch nicht aus anderen Gründen unzulässig sei, erläuterte die belangte Behörde wie folgt:
"Hinsichtlich der allgemeinen Verhältnisse in Sierra Leone, die seit Ende April 2000 von wiederaufflammenden Bürgerkriegsgeschehnissen und Übergriffen von Rebellenverbänden gekennzeichnet sind, ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt hat, dass 'von Rebellengruppen' ausgehenden Gefahren dem § 37 Abs. 1 FrG 1993 nicht subsumierbar sind. Die im § 37 Abs. 1 FrG 1993 bezeichnete Gefahr (unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, Todesstrafe), vor welcher der Fremde geschützt werden soll, ist nämlich nur dann eine iS dieser Bestimmung, wenn sie von dem betreffenden Staat ausgeht oder von ihm gebilligt wird (Hinweis E 11.3.1993, 93/18/0083).
Weiters wurde vom VwGH bereits erkannt, dass 'die Tatsache, dass es in der Heimat des Fremden zu kriegerischen Handlungen kommt, keinen Grund bildet, darin eine Gefährdung bzw. Bedrohung des Fremden iSd § 37 Abs. 1 FrG 1993 und des § 37 Abs. 2 FrG 1993 zu erblicken' (VwGH vom 23.6.1994, Zahl 94/18/0295).
Gleiches muss sohin in Bezug auf § 57 Abs. 1 FrG 1997 gelten.
Letztlich ist auszuführen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Glaubhaftmachung einer konkreten Gefährdungssituation (im Sinne des § 57 FrG) das Feststehen der Identität voraussetzt (vgl. VwGH 21.2.1997, 97/18/0061). Da im konkreten Fall die Identität des Asylwerbers mangels jeglichen Dokumentes nicht feststeht, war es der Behörde auch aus diesem Grund verwehrt, festzustellen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Sierra Leone unzulässig sei."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Eine im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle aufzugreifende Unschlüssigkeit liegt jedoch - auch bei Bedachtnahme auf die (allerdings weitgehend allgemein und nicht spezifisch fallbezogen vorgetragenen) Ausführungen in der Beschwerde - nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Entscheidung daher gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt zugrunde zu legen. Ausgehend davon ist eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung in Bezug auf das Asylbegehren nicht zu erkennen, weshalb die Beschwerde insoweit, als sie sich gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides richtet, in Anwendung des § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Zum Ausspruch nach § 8 AsylG hat die belangte Behörde zwar auf die wiederaufflammenden Bürgerkriegsgeschehnisse und Übergriffe von Rebellenverbänden seit Ende April 2000 verwiesen, diese Umstände jedoch aus den wiedergegeben rechtlichen Überlegungen für nicht maßgeblich erachtet. Auf eine wortgleiche Argumentation wurde auch der Bescheid der belangten Behörde vom 17. Mai 2000 gestützt, der mit dem hg. Erkenntnis vom 21. November 2002, Zl. 2000/20/0313, in seinem den Ausspruch über den Abschiebungsschutz betreffenden Teil wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben wurde. Die belangte Behörde hat demzufolge auch im vorliegenden Beschwerdefall aus den im zitierten Erkenntnis genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, in Bezug auf die Refoulemententscheidung die Rechtslage verkannt (vgl. in diesem Sinn zuletzt auch das Erkenntnis vom 24. April 2003, Zl. 2000/20/0357). Der zweite Spruchteil des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Das Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.
Wien, am12. Juni 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000200264.X00Im RIS seit
31.07.2003