TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/16 2000/02/0211

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Veröffentlicht am 16.06.2003
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Index

L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12;
AlVG 1977 §7 Abs2;
GdO Stmk 1967 §14 Abs1;
GdO Stmk 1967 §18 Abs1;
GdO Stmk 1967 §44 Abs3;
GdO Stmk 1967 §85 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des ME in S, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Hauptplatz 12/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 28. Juni 2000, Zl. LGS600/ALV/1218/2000-Mag. GR/Kö, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 28. Juni 2000 hat die belangte Behörde die Leistung der Notstandshilfe an den Beschwerdeführers gemäß § 33 in Verbindung mit den §§ 7, 12, 24 und 38 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) mangels Arbeitslosigkeit mit Wirksamkeit vom 1. Mai 2000 eingestellt.

Begründet wird dieser Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer als Vizebürgermeister einer steiermärkischen Gemeinde eine Beschäftigung im Sinne des AlVG ausübe. Nach dem Steiermärkischen Gemeinde-Bezügegesetz (Stmk. GBezG) stünden dem Beschwerdeführer als Vizebürgermeister einer näher bezeichneten, rund 1200 Einwohner zählenden steiermärkischen Gemeinde unverzichtbare, monatliche Bezüge in der Höhe von S 7.853,-- brutto, Sonderzahlungen (13. und 14. Monatsbezug), sowie die Vergütung der tatsächlich mit der Geschäftsführung verbundenen Barauslagen zu. Abzüglich der von ihm zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge verbleibe dem Beschwerdeführer jedenfalls ein Einkommen, welches die Geringfügigkeitsgrenze von S 3.977,-- monatlich übersteige.

Bei den genannten Bezügen nach dem Stmk. GBezG handle es sich um eine Gegenleistung für die Mandatsausübung, also um Einkommen und nicht um eine Entschädigung für den durch die Ausübung der Tätigkeit entstandenen Mehraufwand. Dies finde seine Bestätigung insbesondere darin, dass tatsächliche Aufwendungen nach dem Stmk. GBezG gesondert vergütet würden und selbst in Perioden mit geringeren Aufwendungen auf Bezüge und Sonderzahlungen nicht verzichtet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer

1.

der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2.

die Anwartschaft erfüllt und

3.

die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Nach Abs. 2 leg. cit steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Nach Abs. 3 leg. cit. gilt als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 insbesondere nicht:

a)

wer in einem Dienstverhältnis steht;

b)

wer selbstständig erwerbstätig ist;

c)

.....

d)

wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist....

§ 24 leg. cit. lautet:

"Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes

(1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen.

(2) Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen."

§ 33 leg. cit. lautet:

"Voraussetzungen des Anspruches

(1) Arbeitslosen, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Karenzgeld erschöpft haben, kann auf Antrag Notstandshilfe gewährt werden.

(2) Notstandshilfe ist nur zu gewähren, wenn der (die) Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht (§ 7 Abs. 2 und 3) und sich in Notlage befindet."

§ 38 leg. cit. lautet:

"Allgemeine Bestimmungen

Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden."

Nach § 3 Abs. 1 Stmk. GBezG beginnt der Anspruch auf Bezüge mit dem Tag der Angelobung und endet mit dem Tag des Ausscheidens aus der Funktion.

Gemäß § 4 leg. cit. gebührt außer den Bezügen dem Organ der Gemeinde für jedes Kalendervierteljahr eine Sonderzahlung in der Höhe von einem Sechstel der Summe der Bezüge, die ihm nach diesem Landesgesetz für das betreffende Kalendervierteljahr tatsächlich zustehen (13. und 14. Monatsbezug).

Nach § 5 Abs. 1 leg. cit. sind die Bezüge im Voraus am Anfang eines jeden Monats auszuzahlen. Ist der Auszahlungstag kein Arbeitstag, sind die Bezüge und die Sonderzahlung am vorhergehenden Arbeitstag auszuzahlen.

Die für das erste Kalendervierteljahr gebührende Sonderzahlung ist nach Abs. 2 der genannten Bestimmung am 1. März, die für das zweite Kalendervierteljahr gebührende Sonderzahlung am 1. Juni, die für das dritte Kalendervierteljahr gebührende Sonderzahlung am 1. September und die für das vierte Kalendervierteljahr gebührende Sonderzahlung am 1. Dezember auszuzahlen.

In § 6 leg. cit. wird der Bezug des Bürgermeisters (abgestuft nach der Einwohnerzahl der Gemeinde) näher geregelt.

Nach § 7 leg. cit. gebührt dem Vizebürgermeister ein Bezug in der Höhe von 30 % des Bezuges des Bürgermeisters (§ 6 Abs. 1 und 2).

Nach § 18 Abs. 1 leg. cit. gebührt den Mitgliedern der Organe der Gemeinden, mit Ausnahme der Landeshauptstadt Graz, die Vergütung der tatsächlichen, mit der Geschäftsführung verbundenen Barauslagen.

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass die Einordnung der Funkton eines gewählten Gemeinderates und Vizebürgermeisters in einen Typus "Beschäftigungsverhältnis" gemäß § 12 AlVG nicht möglich sei.

Der Begriff des Erwerbseinkommens umfasst nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ohne Weiteres alle Einkünfte, die mit der Ausübung eines öffentlichen Mandates verbunden sind. Erwerbseinkommen im Sinne des § 12 AlVG sind im gegenständlichen Zusammenhang vielmehr nur dann gegeben, wenn die Bezüge eines öffentlichen Mandatars ein Ausmaß erreichen, welches zeigt, dass sie nicht nur den Zweck haben, mit der Ausübung des Mandates in der Regel verbundene Aufwendungen abzugelten, sondern auch z.B. einen angemessenen Beitrag zum Lebensunterhalt der betreffenden Person zu bilden (vgl. die Zusammenfassung und Bekräftigung der bisherigen Rechtsprechung im hg. Erkenntnis vom 9. August 2002, Zl. 2002/08/0048, welches zum Fall eines Gemeindekassiers im Sinne des Stmk. Bezügegesetzes ergangen ist).

In der bisherigen Rechtsprechung zu Einkünften öffentlicher Mandatare im hier maßgeblichen Zusammenhang, an der weiterhin festzuhalten ist, wurden monatliche Einkünfte aus öffentlichen Mandaten in der Höhe von S 8.003,-- (hg. Erkenntnis vom 13. November 1990, Zl. 89/08/0229, Slg. Nr. 13.308/A), S 4.933,-- (hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/08/0133), S 10.502,-- (hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, Zl. 2001/19/0048), S 4.076,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0044), S 6.077,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0015), S 4.530,-- (hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0012), S 5.823,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0020), S 4.557,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0063), S 11.444,-- (hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0013) und S 7.900,-- (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis vom 9. August 2002, Zl. 2002/08/0048), nicht als die Arbeitslosigkeit ausschließend angesehen. Anders war dies im hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0125, Slg. Nr. 14.130/A, hinsichtlich der (damaligen) Bezüge einer Abgeordneten zum Nationalrat.

Die Bezüge des Beschwerdeführers für die Ausübung seiner Funktion als Vizebürgermeister einer steiermärkischen Gemeinde in der Höhe von S 7.853,-- brutto stehen somit der Annahme von Arbeitslosigkeit keinesfalls entgegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, orientiert sich der Begriff der die Arbeitslosigkeit ausschließenden "Beschäftigung" im Verständnis des § 12 Abs. 1 AlVG aber auch an der Ausgestaltung der Tätigkeit, aus der das Einkommen erzielt wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 2002/08/0063). Dazu ist festzuhalten, dass dem politischen Mandatar jedenfalls so viel Zeit bleiben muss, dass er verfügbar im Sinne des § 7 Abs. 2 AlVG ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 1998, Zl. 97/08/0106, vom 29. März 2000, Zl. 98/08/0063 und vom 27. Juli 2001, Zl. 2000/08/0216). Diesbezügliche Ermittlungen hat die belangte Behörde, da sie die Rechtslage verkannt hat, unterlassen.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 16. Juni 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000020211.X00

Im RIS seit

30.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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