TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/16 2003/02/0094

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Veröffentlicht am 16.06.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §63 Abs3;
VStG §24;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des S C V in Wien, vertreten durch Dr. Helmut Adelsberger, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 4/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. Februar 2003, Zl. UVS-03/P/19/2561/2002/1, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheiten Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 29. Jänner 2002 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 4. Mai 2001 um 21.30 Uhr an einem näher genannten Ort in Wien als Lenker eines dem polizeilichen Kennzeichen nach bezeichneten Kraftfahrzeuges nach ursächlicher Beteiligung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden es unterlassen, 1. sofort anzuhalten und 2. ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen, obwohl dem Zweitbeteiligten die Identität nicht nachgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch zu 1. § 4 Abs. 1 lit. a StVO und zu 2. § 4 Abs. 5 StVO verletzt, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO bzw. gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO Geldstrafen in der Höhe von je EUR 80,-- (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.

Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 6. Februar 2002 zugestellt.

Mit seinem Schreiben vom 20. Februar 2002 (eingelangt bei der Bundespolizeidirektion Wien am selben Tag) erklärte der Beschwerdeführer, gegen das erwähnte Straferkenntnis das Rechtsmittel der Berufung zu ergreifen; eine schriftliche Begründung werde folgen. Mit dem am 25. Februar 2002 eingelangten Schriftsatz holte der Beschwerdeführer diese Begründung nach.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Februar "3003" (richtig: 2003) wies diese die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass nach der zwingenden Vorschrift des § 63 Abs. 3 AVG, welche gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren bei schriftlichen Berufungen Anwendung zu finden habe, die Berufung nicht nur den Bescheid bezeichnen müsse, gegen den sie sich richte, sondern auch einen begründeten Berufungsantrag enthalten müsse. Auf das Erfordernis eines solchen Antrages sei in der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen worden. Innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist sei der Behörde jedoch kein entsprechender Berufungsantrag zugekommen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne die im § 63 Abs. 5 AVG in Verbindung mit § 24 VStG vorgesehene zweiwöchige Berufungsfrist nicht zum Zwecke der nachträglichen Begründung einer Berufung verlängert werden; die Berufung, sei, sofern der begründete Berufungsantrag erst nach Ablauf der Berufungsfrist nachgebracht werde, als verspätet zurückzuweisen.

Im vorliegenden Fall sei die Berufung am letzten Tag der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist eingebracht, der angekündigte Berufungsantrag jedoch erst am 25. Februar 2002, also erst nach Ablauf der Berufungsfrist bei der Behörde erster Instanz abgegeben worden, weshalb spruchgemäß vorzugehen gewesen sei.

Nach § 63 Abs. 3 AVG, welche Bestimmung - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - gemäß § 24 VStG auch im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Bis zur Novellierung des AVG durch BGBl. I Nr. 158/1998 stellte das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages einen nicht behebbaren, zur Zurückweisung einer Berufung führenden Mangel dar. Auf die damalige Rechtslage und auf die zu dieser Rechtslage ergangene Rechtsprechung stützt sich der angefochtene Bescheid.

Durch die mit 1. Jänner 1999 in Kraft getretene Novellierung des AVG erhielt § 13 Abs. 3 leg. cit. (dieser ist gemäß § 24 VStG gleichfalls im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) eine Neufassung mit folgendem Wortlaut:

"(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."

Nach dieser Neufassung ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen somit die Behörde nicht zur sofortigen Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen. Im Gegensatz zu der bis zur Neufassung geltenden Rechtslage stellt § 13 Abs. 3 AVG nicht mehr auf Formgebrechen ab, sondern ganz allgemein auf "Mängel". Damit sind auch solche Mängel, die bisher zur Zurückweisung zu führen hatten, wie etwa das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages, einer Verbesserung zuzuführen. Fehlt ein begründeter Berufungsantrag, ist die Berufung nach § 13 Abs. 3 AVG (§ 24 VStG) zur Verbesserung zurückzustellen (vgl. dazu aus der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das hg. Erkenntnis vom 21. November 2002, Zl. 2002/07/0088). Im Falle der fristgerechten Entsprechung eines solchen Mängelbehebungsauftrages gilt die Berufung als ursprünglich richtig (d.h. rechtzeitig und vollständig ausgeführt) eingebracht.

Der Beschwerdeführer erhob innerhalb der Berufungsfrist eine auch so bezeichnete, unbegründete Berufung gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien. Die Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, gemäß § 13 Abs. 3 AVG (in der dargestellten novellierten Fassung) mit einem Mängelbehebungsauftrag vorzugehen, sofern der Beschwerdeführer nicht - wie allerdings ohnedies geschehen - bereits vorher die Begründung nachgeholt hätte. Spätestens ab dem Zeitpunkt der "Nachholung" lag aber eine mängelfreie Berufung vor (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 21. November 2002).

Dadurch dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die Berufung zurückgewiesen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. An Barauslagen waren hingegen nur EUR 180,-- zuzusprechen, weil an Eingabengebühr nur dieser Betrag (und nicht EUR 181,50) zu entrichten waren und weitere Barauslagen nicht ersichtlich sind.

Wien, am 16. Juni 2003

Schlagworte

Berufungsverfahren Verbesserungsauftrag Bejahung Berufungsverfahren Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003020094.X00

Im RIS seit

17.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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