TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/16 2000/02/0206

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Veröffentlicht am 16.06.2003
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Index

L10015 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Salzburg;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12;
AlVG 1977 §14 Abs1;
GdO Slbg 1994;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des Ing. JT in H, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger, Dr. Dieter Perz, Dr. Georg Wallner und Dr. Markus Warga, Rechtsanwälte in 5400 Hallein, Ederstraße 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 20. Juni 2000, Zl. LGS SBG/4/1218/2000, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 20. Juni 2000 hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 1. März 2000 auf Gewährung von Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit gemäß § 12 Abs. 1 und Abs. 6 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) abgewiesen.

Begründet wird dieser Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer seit 31. Oktober 1996 das Amt des Vizebürgermeisters der Gemeinde H inne habe und für diese Tätigkeit nach dem (Salzburger) Gemeindeorgane-Bezügegesetz, LGBl. Nr. 39/1976 (GBezG), eine Entschädigung in der Höhe von 20 % der Bürgermeisterentschädigung (monatlich S 8.188,--) erhalte.

Die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer aus seiner Tätigkeit als Vizebürgermeister einer Salzburger Gemeinde ein Entgelt im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG beziehungsweise des § 5 Abs. 2 AlVG beziehe, sei vor allem mit der Frage verknüpft, ob es sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Vizebürgermeister um eine Beschäftigung im Sinne des § 12 AlVG handle.

Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0125, umfasse der Begriff der Beschäftigung im Sinne des § 12 AlVG jede mit einem Erwerbseinkommen verbundene Tätigkeit und damit von vornherein einen größeren Kreis von Tätigkeiten, die einander in ihrer Wertigkeit hinsichtlich des Erwerbszweckes entsprechen würden. Die Tätigkeit eines politischen Mandatars mit Einkünften im Sinne des Bezügegesetzes entspreche nach dieser Entscheidung dem weiten Beschäftigungsbegriff des § 12 AlVG. Daraus folge, dass Bezüge nach dem Bezügegesetz nicht als Entschädigung für den mit der Ausübung eines öffentlichen Mandates verbundenen Mehraufwand, sondern als Einkommen (als Gegenleistung für die Mandatsausübung) zu sehen seien.

Ein weiterer Hinweis dafür, dass es sich bei dem Bezug des Beschwerdeführers um ein Entgelt im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG beziehungsweise § 5 Abs. 2 ASVG handle, sei darin zu erblicken, dass Einkünfte aus einer politischen Funktion einkommenssteuerrechtlich als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit (§ 25 Abs. 1 Z 4 EStG) oder als sonstige Einkünfte (§ 29 Z 4 EStG) behandelt würden.

Aus den genannten Gründen sei die politische Tätigkeit des Beschwerdeführers als Beschäftigung im Sinne des § 12 AlVG zu werten, aus der der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung ein über der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Entgelt bezogen habe, weshalb Arbeitslosigkeit zum Antragszeitpunkt nicht vorgelegen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer

1.

der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2.

die Anwartschaft erfüllt und

3.

die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Nach Abs. 2 leg. cit steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Nach Abs. 3 leg. cit. gilt als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 insbesondere nicht:

a)

wer in einem Dienstverhältnis steht;

b)

wer selbstständig erwerbstätig ist;

c)

.....

d)

wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist....

Nach Abs. 6 lit. a leg. cit. gilt jedoch als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt.

Gemäß § 18 Abs. 1 der Salzburger Gemeindeordnung 1994, LGBl. Nr. 107/1994, sind der Gemeinderat, der Gemeindevorstand, der Bürgermeister und im Falle der Ermächtigung durch die Gemeindevertretung die Ausschüsse Organe der Gemeinde.

Gemäß § 25 Abs. 1 tritt die Gemeindevertretung nach Notwendigkeit, wenigstens aber in jedem Vierteljahr einmal, zusammen.

Nach § 34 Abs. 1 leg. cit. besteht die Gemeindevorstehung aus dem Bürgermeister und weiteren Mitgliedern der Gemeindevertretung als Gemeinderäten.

Der erste Gemeinderat führt gemäß Abs. 3 leg. cit. die Bezeichnung "Vizebürgermeister".

Die auf den Beschwerdefall zeitraumbezogen anzuwendenden Bestimmungen des Gemeindeorgane-Bezügegesetzes, LGBl. Nr. 39/1976, lauten:

"§ 2

Entschädigung der Mitglieder der Gemeindevertretung

(1) Das Amt eines Mitgliedes der Gemeindevertretung ist ein Ehrenamt.

(2) ....

(3) Darüber hinaus haben die Mitglieder der Gemeindevertretung Anspruch auf Ersatz

a) der ihnen aus besonderem Anlaß bei Besorgung von Gemeindeangelegenheiten erwachsenden notwendigen Auslagen und

b) des tatsächlichen Verdienstentganges.

§ 3

Entschädigung von Mitgliedern der Gemeindevorstehung

(1) Dem Bürgermeister gebührt für die Ausübung seines Amtes eine Entschädigung, deren Höhe in Anlehnung an das Gehaltsschema der Gemeindebeamten, abgestuft nach der Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) der Gemeinde gemäß dem Ergebnis der jeweils letzten Volkszählung, durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen ist. .....

(2) Dem ersten Gemeinderat gebührt eine Entschädigung in der Höhe von 20 v.H. der Bürgermeisterentschädigung (Abs. 1). ...

(...)

(6) Auf die Entschädigung darf nicht verzichtet werden. Auf ihre Flüssigmachung finden die für den Monatsbezug und die Sonderzahlungen der Gemeindebeamten geltenden Bestimmungen sinngemäß und mit der Maßgabe Anwendung, daß für einen Monatsteil zu Beginn der Amtsdauer der verhältnismäßige Teil des Monatsbezuges mit Funktionsbeginn zusteht. ....

(7) Reisegebühren, die aus Anlaß von Dienstreisen anfallen, können nach den für einen Gemeindebeamten der Dienstklasse VII, Gehaltsstufe 9, geltenden reisegebührenrechtlichen Vorschriften verrechnet werden. Dies gilt nicht, soweit die Kosten der Dienstreisen unmittelbar von der Gemeinde oder von dritter Seite (zB vom Land) getragen werden.

§ 4

Einmalige Zuwendung

(1) Dem Bürgermeister gebührt, wenn er das Amt ununterbrochen mindestens fünf Jahre oder eine volle Amtsperiode ausgeübt hat, nach seinem Ausscheiden aus dem Amt eine einmalige Zuwendung. ...

(2) Für Vizebürgermeister gilt Abs. 1 mit der Abweichung, daß dem ersten Gemeinderat die einmalige Zuwendung in der Höhe eines Drittels und einem weiteren Vizebürgermeister eine solche in der Höhe eines Viertels der einmaligen Zuwendung zukommt, die einem Bürgermeister gebührt."

Die Tätigkeit eines Vizebürgermeisters ist - wie sich aus den einschlägigen Bestimmungen der Salzburger Gemeindeordnung 1994 zweifelsfrei ergibt - Ausübung eines politischen Mandates und daher weder eine selbständige noch eine unselbständige Erwerbstätigkeit in Sinne des § 12 AlVG. Ob die Ausübung einer solchen Tätigkeit Arbeitslosigkeit ausschließt, hängt daher davon ab, ob diese Tätigkeit in ihrer Wertigkeit einer Erwerbszwecken (dh. der fortlaufenden Schaffung von Einkünften in Geld oder Güterform) dienenden Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG entspricht, wie dies im Falle der Abgeordneten zum Nationalrat im hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Slg. Nr. 14.130/A, der Fall gewesen ist. Sowohl die Bestimmungen der Salzburger Gemeindeordnung über die zeitliche Mindestanspruchannahme von Mitgliedern der Gemeindevertretung (eine Sitzung vierteljährlich), aber auch die im Gemeindeorgane-Bezügegesetz vorgesehene relativ geringe Höhe des Bezuges von 20 % der "Bürgermeisterentschädigung" (dies führt im gegenständlichen Fall zu monatlichen Einkünften im hier maßgebenden Zeitraum von S 8.188,--) sprechen gegen eine solche Annahme.

Es ergibt sich daher bei einer Gesamtbetrachtung der im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtslage eine Bewertung der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Vizebürgermeister einer Salzburger Gemeinde dahin, dass sie dem Amt eines Bürgermeisters einer niederösterreichischen Gemeinde im Sinne des Erkenntnisses vom 13. November 1990, Slg. Nr. 13.308/A, beziehungsweise dem Amt eines Bezirksrates im Sinne der Wiener Stadtverfassung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/08/0133) näher steht und mit den im hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Slg. Nr. 14.130/A, als anspruchsschädlich beurteilten Tätigkeiten nicht vergleichbar ist. Die Mandatsausübung des Beschwerdeführers ist daher keine Erwerbstätigkeit und somit auch keine Beschäftigung im Sinne des § 12 AlVG; sie steht deshalb für sich allein genommen der Annahme von Arbeitslosigkeit nicht entgegen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren betreffend Umsatzsteuer war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.

Wien, am 16. Juni 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000020206.X00

Im RIS seit

30.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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