TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/17 2000/21/0078

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Veröffentlicht am 17.06.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §32;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/21/0080

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerden 1.) der L in St. Pölten, vertreten durch Dr. Werner Pennerstorfer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 12, und 2.) der D in St. Pölten, vertreten durch den Vater N, dieser vertreten durch Dr. Friedrich Nusterer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich je vom 20. Dezember 1999, betreffend zu 1.) Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Aufenthaltsverbot, Zl. Fr 4066/99, und zu 2.) Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Ausweisung, Zl. Fr 4067/99, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der Zweitbeschwerdeführerin wird abgewiesen.

Begründung

Mit den zitierten Bescheiden wies die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 1. Oktober 1999 betreffend Aufenthaltsverbot und Ausweisung mit folgender Begründung zurück: Die Beschwerdeführer hätten die erstinstanzlichen Bescheide am 5. Oktober 1999 übernommen. Erst am 20. Oktober 1999 seien bei der Bundespolizeidirektion St. Pölten die Berufungen eingelangt. Da die Rechtsmittelfrist am 18. Oktober 1999 geendet hätte, die Berufungen jedoch erst am 20. Oktober 1999 eingebracht worden seien, seien diese verspätet und gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden nach deren Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung und nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer bringen vor, sie hätten rechtzeitig, nämlich am 19. Oktober 1999 knapp vor 18.00 Uhr die Berufungen zur Post gegeben; die Erstbeschwerdeführerin legte überdies einen Auszug aus dem Übergabsbuch des Postamtes vor, aus dem hervorgehe, dass die Berufung mit der Aufgabenummer 27804 am 19. Oktober 1999 aufgegeben worden sei. Lediglich wegen der Tatsache, dass der Poststempel vom Schalterbeamten bereits auf den nächsten Tag, den 20. Oktober 1999, umgestellt worden sei, sei dieses Datum auf der Einschreibebestätigung als Postaufgabetag vermerkt. Der belangten Behörde sei vorzuwerfen, dass sie vor Zurückweisung der Berufungen das Parteiengehör zu wahren gehabt hätte.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerden zum Erfolg. Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, § 66 Abs. 4 AVG/51) hat die Behörde vor Zurückweisung einer Berufung als verspätet dem Berufungswerber die offenbare Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten; der Partei ist gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, vom Ermittlungsergebnis Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift führt zu einem rechtserheblichen Verfahrensmangel, wenn nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Abgesehen davon, dass die belangte Behörde einem Irrtum unterlag, wenn sie bereits den 18. Oktober 1999 als letzten Tag der Frist gewertet hat (vgl. § 32 AVG), räumte sie - in der Stellungnahme zugestanden - den Beschwerdeführern kein Parteiengehör zur Frage der Verspätung dieser Rechtsmittel ein. Dieser Verfahrensmangel ist relevant, ist doch - auch auf Grund der in Fotokopie vorgelegten Eintragung aus dem Übergabsbuch des zuständigen Postamtes - nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Überprüfung des Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis, nämlich zur Feststellung einer fristgerechten Postaufgabe der Berufung am 19. Oktober 1999, hätte gelangen können.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Das Mehrbegehren der Zweitbeschwerdeführerin war abzuweisen, weil ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.

Wien, am 17. Juni 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000210078.X00

Im RIS seit

28.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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