TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/17 99/21/0020

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Veröffentlicht am 17.06.2003
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art7;
EheG §23 Abs1;
EheG §23;
FrG 1997 §15 Abs2;
FrG 1997 §15 Abs3;
FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
VertriebenenV Aufenthaltsrecht Kosovo-Albaner 1999/II/133;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des H in Enzersdorf, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. November 1998, Zl. Fr 2842/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 und 9 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein bis 17. Juni 2001 befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer sei am 20. Juni 1991 nach Österreich eingereist und habe am 11. September 1991 eine österreichische Staatsangehörige geehelicht. Auf Grund dieser Heirat sei ihm ein bis 16. September 1996 gültiger Befreiungsschein ausgestellt worden. Dem Beschwerdeführer seien aufenthaltsrechtliche Titel bis 31. Oktober 1997 erteilt worden. Über einen nachfolgenden Verlängerungsantrag sei wegen des gegenständlichen Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes noch nicht entschieden worden. Mit Urteil vom 19. November 1996 sei die Ehe für nichtig erklärt worden. Diese sei nämlich nur deshalb geschlossen worden, damit der Beschwerdeführer eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung erhalte. Für die Eingehung der Scheinehe habe seine Ehefrau auch Geschenke bekommen. Insofern sei die Ehe infolge eines Vermögensvorteils geschlossen worden und es sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG verwirklicht. Weiters sei der Beschwerdeführer zwei Mal nach § 99 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 StVO 1960 (Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) rechtskräftig bestraft worden; nämlich am 26. März 1996 und am 20. Oktober 1997. Durch diesen Sachverhalt sei der "Sondertatbestand" des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht.

Unbestreitbar liege im gegenständlichen Fall die Eingehung einer Scheinehe zum Zweck der Erlangung eines arbeitsmarktrechtlichen Titels vor. Die Eingehung einer Scheinehe durch einen Fremden stelle einen evidenten Rechtsmissbrauch dar. Wie schwerwiegend der Gesetzgeber das Eingehen einer Scheinehe zur Erlangung arbeitsmarkt- oder aufenthaltsrechtlicher Bewilligungen qualifiziere, sei eindeutig aus dem im Fremdengesetz 1997 normierten "Scheinehenpaket" zur Verhinderung derartiger Missbräuche erkennbar. Die Eingehung der Scheinehe liege zwar nun ca. sieben Jahre zurück, doch könne im Fall des Beschwerdeführers von keinem späteren Wohlverhalten gesprochen werden. Dieser sei - wie bereits ausgeführt - in den Jahren 1996 und 1997 insgesamt zwei Mal rechtskräftig wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand bestraft worden. Unter Berücksichtigung des "Gesamtunrechtsverhaltens" des Beschwerdeführers könne die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht absehen. Es müsse jederzeit damit gerechnet werden, dass der Beschwerdeführer abermals schwerwiegend gegen die österreichische Rechtsordnung verstoße.

Der Beschwerdeführer könne sich im Sinn des § 37 FrG nicht auf ein Familienleben mit seiner ehemaligen Ehefrau stützen. Er habe keine "besonderen familiären Beziehungen zu in Österreich lebenden Personen". Allenfalls sei ihm auf Grund des nun ca. siebenjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich und seiner Beschäftigungszeiten ein zu berücksichtigendes Privatleben zuzubilligen. Das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes müsse jedoch wesentlich schwerwiegender qualifiziert werden als sein gegenläufiges privates Interesse. Dem Beschwerdeführer sei im Berufungsverfahren der Umstand der zweimaligen Bestrafung wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand nochmals zur Kenntnis gebracht worden. In seiner Stellungnahme habe er lediglich lapidar gemeint, mit der offenbar bereits beabsichtigten Vorgangsweise nicht einverstanden zu sein; die Übertretungen gemäß § 5 StVO lägen bereits Jahre zurück. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass die rechtskräftige Bestrafung im ersten Fall lediglich zweieinhalb Jahre und im letzten Fall lediglich ein Jahr zurückliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Vorweg ist festzuhalten, dass ungeachtet des bereits eingetretenen Ablaufs der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers für die Erledigung der Beschwerde nicht verneint werden kann, weil über den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung des Aufenthaltstitels "auf Grund des gegenständlichen Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bis dato noch nicht entschieden" wurde, die Behörde somit offensichtlich nach § 15 Abs. 2 FrG vorgegangen ist. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2002, Zlen. 98/21/0273, 0274, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird. Die dort im Hintergrund stehende Ausweisung ist als aufenthaltsbeendende Maßnahme einem Aufenthaltsverbot gleich zu halten.)

Festzuhalten ist weiters, dass der Beschwerdeführer wegen des (bindend festgestellten) Rechtsmissbrauchs bei seiner Eheschließung keine Rechte aus dem auf dem Assoziierungsabkommen EWG-Türkei vom 12. September 1963 gegründeten Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 geltend machen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 98/18/0100, auf dessen Entscheidungsgründe gleichfalls gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Die gegenüber der Ausweisung, die den Fremden zur Ausreise verpflichtet, ohne einer neuerlichen Einreise entgegenzustehen, einen gravierenderen Eingriff in die persönliche Sphäre darstellende Maßnahme des Aufenthaltsverbotes, das den Fremden für die Dauer der Gültigkeit von der Einreise in das Bundesgebiet ausschließt, ist im Fall einer rechtsmissbräuchlichen Eheschließung nur vorgesehen, wenn der Fremde für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat. Der Gesetzgeber bewertet somit die von einem Fremden, der sich die rechtsmissbräuchliche Eheschließung erkauft, ausgehende Gefährdung der öffentlichen Interessen höher als die Gefährdung dieser Interessen durch einen Fremden, der für die Eheschließung keinen Vermögensvorteil leistet. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Fremde den für die Eheschließung geleisteten Vermögensvorteil aus seinem eigenen Vermögen aufbringt oder ihm dafür Mittel von einer dritten Person - etwa geschenkweise - zur Verfügung gestellt werden. Ebenso kann es keinen Unterschied machen, ob der Vermögensvorteil, der die Gegenleistung für die Eheschließung darstellt, vom Fremden selbst oder mit dessen Wissen von einer dritten Person geleistet wird. In all diesen Fällen schreckt der Fremde nicht davor zurück, eine gegen Bezahlung zu Stande gekommene Ehe ohne Führung eines gemeinsamen Familienlebens einzugehen und sich unter Berufung auf diese Ehe fremdenrechtlich relevante Vorteile zu verschaffen. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0227.)

Zutreffend bringt die Beschwerde vor, dass die behördliche Feststellung, die Ehefrau des Beschwerdeführers habe für die Eheschließung "Geschenke bekommen", für die oben aufgezeigte Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG nicht ausreicht. Die belangte Behörde hat weder den Wert des "Geschenks" festgestellt noch eine Feststellung getroffen, dass das "Geschenk" vom Beschwerdeführer oder mit seinem Wissen gegeben wurde. Weiters kann ohne Verwirklichung der genannten Z. 9 ein Aufenthaltsverbot auch nicht unter bloßem Hinweis auf eine rechtsmissbräuchlich geschlossene Ehe auf § 36 Abs. 1 FrG gestützt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2002, Zl. 99/21/0255).

Vorliegend stellte die belangte Behörde aber auch fest, dass der Beschwerdeführer zwei Mal nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden sei. Diesen Feststellungen tritt die Beschwerde nicht entgegen, sondern meint lediglich, dass die Bestrafungen gemäß § 5 Abs. 1 StVO "nicht verifiziert sind, da die entsprechenden Verwaltungsakte nicht beigeschafft wurden, dem Bf keine Akteneinsicht gewährt wurde und somit Nichtigkeit vorliegt". Mit diesem Vorbringen wird die durch den Akteninhalt gedeckte Tatsache der zweimaligen Bestrafung nicht erfolgreich in Zweifel gezogen und es legt die Beschwerde auch nicht dar, welches Tatsachenvorbringen dem Beschwerdeführer zu diesen Bestrafungen verwehrt worden wäre. In keiner Weise wird bestritten, dass ihm im Berufungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zur Frage der Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG eingeräumt worden ist.

Zutreffend durfte die belangte Behörde somit die Verwirklichung des genannten Tatbestandes annehmen; ebenso zutreffend durfte sie aus dem Fehlverhalten des Beschwerdeführers auf dessen Gefährlichkeit im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG schließen. Bei Beurteilung seines Fehlverhaltens war sie nicht gehindert, den Umstand der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung in ihre Überlegungen einzubeziehen, auch wenn diese Eheschließung schon ca. sieben Jahre zurücklag und - wie bereits erwähnt - allein darauf ein Aufenthaltsverbot nicht hätte gegründet werden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 2001, Zl. 98/21/0335).

In Ansehung des § 37 FrG bringt die Beschwerde vor, dass der Beschwerdeführer nunmehr nahezu acht Jahre ständig in Österreich lebe, seinen gesamten Privatbereich in Österreich aufgebaut und den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich gefunden habe. Diese Umstände habe die belangte Behörde nicht entsprechend berücksichtigt.

Mit diesem Vorbringen vermag er jedoch keine Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde nach § 37 FrG getroffenen Beurteilung aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer verfügt nämlich über keine familiären Bindungen in Österreich; weiters kommt dem öffentlichen Interesse sowohl an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften als auch an der Unterbindung des Lenkens von Kraftfahrzeugen in einem alkoholisierten Zustand ein so großes Gewicht zu, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich zurückzutreten haben. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns des zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG führenden Fehlverhaltens im Jahr 1996 - das Eingehen der Scheinehe kann außer Betracht bleiben - hat sich der Beschwerdeführer erst etwa 5 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten, weshalb der hier allenfalls relevante Aufenthaltsverfestigungstatbestand des § 35 Abs. 2 iVm § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG (achtjährige Niederlassung) noch lange nicht erfüllt war. Die im Wesentlichen aus dem längeren inländischen Aufenthalt abzuleitenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers erreichen somit nicht jenes Gewicht, das nach den gesetzgeberischen Intentionen zu einem Hintanstellen der öffentlichen Interessen an einem Aufenthaltsverbot führen würde.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 17. Juni 2003

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999210020.X00

Im RIS seit

25.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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