Index
L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §39 Abs2 idF 1998/I/158;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Dr. Waibelstraße 10, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 14. September 2001, Zl. I-2- 6/2001, betreffend Nachbareinwendungen gegen die Bewilligung von nachträglichen Planabweichungen (mitbeteiligte Parteien: 1. G in G, vertreten durch Dr. Reinhard Weber, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Dr. Anton Schneider Straße 11, und 2. Gemeinde G), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 19. Februar 1999 wurde der Erstmitbeteiligten die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf dem Grundstück Nr. 427/5 KG G rechtskräftig erteilt (Bauansuchen vom 25. Januar 1999). Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der an das Baugrundstück nordwestlich angrenzenden Liegenschaft Grundstück Nr. 423.
Mit Eingabe vom 31. Juli 2000 suchte die Erstmitbeteiligte unter gleichzeitiger Vorlage von Deckplänen um die (nachträgliche) Bewilligung von Abweichungen gegenüber den seinerzeit bewilligten Bauplänen an, und zwar im Wesentlichen (neben hier nicht mehr interessierenden weiteren Abweichungen) in folgenden Punkten:
1. Erhöhung der Bodenplatte und damit des Gesamtgebäudes um 0,37 m;
2. Ausbildung der Außenwand im Nordwesteck gemäß Detailschnitt A lt. Deckplan vom 31. Juli 2000 mit einem 14 cm breiten und 7 cm tiefen Versatz (Aussparung);
3. Belassung des Blocksteinverbaus bei der Böschungsschüttung nordwestseitig zur Liegenschaft des Beschwerdeführers und
4. Belassung der Böschungsschüttung südseitig auf 2,19 m über dem Urgelände bei gleichzeitiger Belassung der nordwestseitigen Böschungsschüttung gegenüber dem Grundstück des Beschwerdeführers mit 1,64 m.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 16. November 2000 wurden diese Planabweichungen unter Erteilung von Auflagen gemäß § 35 Abs. 1 iVm § 31 Vbg. BauG nachträglich bewilligt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der zweitmitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juni 2001 wurde der Berufung hinsichtlich der Oberflächenwässerentsorgung teilweise stattgegeben und der Bauwerberin nachstehende Auflage erteilt, jedoch im Übrigen keine Folge gegeben:
Zwischen der Steinschlichtung und der Grundgrenze zum Nachbarn (Beschwerdeführer) sei der Humus anzuheben; entlang der Grundgrenze zum Grundstück des Beschwerdeführers sei der Einbau einer stehenden Diele aus Holz oder gleichwertigem Material mit stabiler Verankerung mit einem Überstand von ca. 10-15 cm über dem Urgelände des Nachbargrundstücks vorzunehmen; der Raum zwischen Dielen und Steinschlichtung sei bis 5 cm unter Oberkante der Dielen mit Sickerkies zu füllen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde, in welcher er im Wesentlichen das Unterbleiben einer neuerlichen Bauverhandlung und damit die Behinderung in seinen Verfahrensrechten, insbesondere in der Geltendmachung von Mängeln der Oberflächenentwässerung, die Unzulässigkeit der zwischenzeitig erteilten Benützungsbewilligung sowie die Rechtswidrigkeit der Bewilligung einer 1,64 m übersteigenden Höhe der Böschungsschüttung sowie diesbezüglich unklare Planangaben rügt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Vorstellung keine Folge. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte sie - soweit dies im Beschwerdeverfahren noch von Relevanz ist - aus, die nachträgliche Bewilligung einer Projektsänderung sei zulässig, es sei auch das Parteiengehör des Beschwerdeführers gewahrt worden. Eine Verhandlungspflicht bestehe im vorliegenden Fall nicht. Unrichtig sei, dass ein gänzlich anderes Bauwerk errichtet worden sei, die Mindestabstände würden auch bei Anhebung des gesamten Bauwerks um 0,37 m eingehalten. Durch die sonstigen Projektsänderungen werde der Beschwerdeführer nicht betroffen. Hinsichtlich der Behauptung der "Vernässung" der Liegenschaft des Beschwerdeführers entlang der gemeinsamen Grundgrenze habe dieser nur ein eingeschränktes Mitspracherecht, abgesehen davon, dass durch die von der Behörde zweiter Instanz erteilte und bereits ausgeführte Auflage zur Verbesserung der Situation auch bei Starkniederschlägen eine geeignete Maßnahme darstelle. Vernässungen bei sehr starken Niederschlägen aufgrund von Bodenunebenheiten seien allenfalls ein zivilrechtliches Problem.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Unterbleiben der in Rede stehenden Bewilligung verletzt erachtet.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Auch die Erstmitbeteiligte hat eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Beschwerdeabweisung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zunächst macht der Beschwerdeführer geltend, die Gemeindebehörden hätten gemäß § 29 Abs. 1 Vbg. BauG zwingend eine mündliche Bauverhandlung durchzuführen gehabt, da es sich bei den gegenständlichen Projektsänderungen um bewilligungspflichtige Maßnahmen gehandelt habe.
Gemäß § 35 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes - Vbg. BauG, LGBl. Nr. 39/1972 in der Fassung LGBl. Nr. 72/1997, darf vom bewilligten Plan ohne Bewilligung der Behörde nur abgegangen werden, wenn die Abweichung Änderungen betrifft, die nicht gemäß § 23 Abs. 1 bewilligungspflichtig sind. Der Behörde sind solche Planabweichungen jedoch spätestens mit der Meldung über die Fertigstellung (§ 44 Abs. 1) unter Vorlage berichtigter oder neuer Pläne anzuzeigen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bedürfen andere als im Abs. 1 genannte Planabweichungen vor ihrer Ausführung der Bewilligung der Behörde. Dabei gelten die Vorschriften der §§ 25 bis 27, 30 bis 32 und 36a bis 36d sinngemäß.
Bei Gebäuden sind insbesondere alle Planabweichungen bewilligungspflichtig, die einer Änderung nach § 23 Abs. 1 lit. b Vbg. BauG gleichzusetzen sind (vgl. dazu Feurstein, Vorarlberger Baugesetz, 2. Aufl., S. 79, Anm. 2 zu § 35 Abs. 1 leg. cit.).
Gemäß § 23 Abs. 1 lit. b Vbg. BauG, LGBl. Nr. 39/1972, in der angeführten Fassung, bedürfen einer Baubewilligung die Änderung von Gebäuden, sofern es sich um Zu- oder Umbauten oder sonstige wesentliche Änderungen handelt.
Nach § 23 Abs. 4 lit. b leg. cit. gelten als wesentliche Änderungen u.a. "Änderungen, durch die Interessen der Sicherheit oder Gesundheit oder die Rechte der Nachbarn beeinträchtigt werden können".
In diesem Sinne ist unzweifelhaft (und wurde auch nicht in Abrede gestellt), dass im Beschwerdefall bewilligungspflichtige Planabweichungen vorliegen.
§ 29 Abs. 1 Vbg. BauG normiert, dass über Anträge um Erteilung einer Baubewilligung für Neu-, Zu- oder Umbauten von Gebäuden - ausgenommen im Falle des § 28 Abs. 4 und des § 31 Abs. 2 - eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, die mit einem Augenschein zu verbinden ist, und zu der jedenfalls der Antragsteller, der Grundeigentümer bzw. Bauberechtigte, der Planverfasser, der allenfalls schon bestellte Bauführer, die beteiligten öffentlichen Dienststellen, ein bautechnischer Sachverständiger und die sonst erforderlichen Sachverständigen sowie die Nachbarn zu laden sind.
Dieser Bestimmung ist jedoch durch § 39 Abs. 2 AVG zweiter und dritter Satz in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 (wonach die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung im gebundenen Ermessen der Behörde liegt) als abweichende Regelung gemäß § 82 Abs. 7 AVG in der angeführten Fassung ab dem 1. Januar 1999 derogiert worden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2000, Zl. 99/06/0197). Da das verfahrensgegenständliche Bauansuchen vom 25. Januar 1999 bei der Behörde am selben Tag eingelangt ist, kam § 39 Abs. 2 AVG in der angeführten Fassung zur Anwendung.
Dass die belangte Behörde das ihr gemäß § 39 Abs. 2 AVG (vgl. insbesondere dessen letzter Satz) u.a. betreffend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung eingeräumte Ermessen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, Zl. 88/08/0269) nicht im Sinne des Gesetzes (siehe Art. 130 Abs. 2 B-VG) geübt hätte, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet und ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar. Eine Verletzung des geltend gemachten Rechtes auf mündliche Verhandlung gemäß § 29 Abs. 1 Vbg. BauG kommt daher schon mangels Geltung dieser Bestimmung im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht.
Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, aus dem eingeholten Gutachten vom 12. März 2001 gehe hervor, dass bei sehr starken Regenfällen mit einer Lachenbildung auf seinem Grundstück entlang der gemeinsamen Grundgrenze zu rechnen sei, dies sei aber unzulässig. Das von ihm beantragte Ergänzungsgutachten sei von der obersten Gemeindebehörde nicht eingeholt, sondern lediglich darauf verwiesen worden, er habe dem Sachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegnet. Die Feststellung der Berechtigung von Nachbareinwendungen treffe aber die Behörde amtswegig.
Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass nach dem Inhalt des Sachverständigengutachtens durch die eingebaute Drainage ein Abrinnen von Regenwässern auf das Grundstück des Beschwerdeführers (Pkt. 2.1 des Gutachtens) und selbst bei sehr starken Niederschlägen die Gefahr des Abrinnens der Stauwässer durch die vorgeschlagenen und der Bauwerberin auferlegten Auflagen verhindert wird (Pkt. 2.2 des Gutachtens).
Gemäß § 4 Abs. 1 erster Satz Vbg. BauG müssen Baugrundstücke für Gebäude eine solche Lage, Form und Größe haben, dass auf ihnen den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Gebäude errichtet werden können.
Nach § 31 Abs. 1 lit. a Vbg. BauG ist über Einwendungen des Nachbarn, die sich auf § 4 stützen, soweit mit Auswirkungen auf das Nachbargrundstück zu rechnen ist, in der Erledigung über den Bauantrag zu entscheiden.
Es ergibt sich aus den gutachterlichen Äußerungen zu der aufgeworfenen Problematik aber auch, dass bei sehr starkem Regen allenfalls - durch Geländeunebenheiten bedingt - auf dem Grundstück des Beschwerdeführers stauende Niederschlagswässer durch die zum Schutz vor den auf das Grundstück des Beschwerdeführers vom Baugrundstück abfließenden Niederschlagswässer an der Grenze zu errichtende Diele nicht auf jenes der Bauwerberin abfließen können und es dadurch zu einer Lachenbildung entlang der Grundgrenze kommen könne. Der Beschwerdeführer, der diesen Teil des Gutachtens in seiner Beschwerde insofern unrichtig zitiert, übersieht also, dass es sich bei diesen Niederschlags- bzw. Stauwässern um auf seiner Liegenschaft niedergehendes bzw. sich stauendes Wasser handelt und nicht um solches, das von der Liegenschaft der Bauwerberin abfließt.
Ein Mitspracherecht gemäß § 30 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Vbg. BauG kommt im Hinblick auf die Frage der Beschaffenheit des Bauplatzes dem Nachbarn insoweit zu, als sich für seine Liegenschaft eine von der zu verbauenden Liegenschaft ausgehende Gefahr durch die Bauführung ergibt. Diese Bestimmung erfasst auch nicht jede Bauausführung, sondern nur die Errichtung von Gebäuden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2001, Zl. 99/06/0175). Dass sich auf dem Grundstück des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Schutzmaßnahmen vor den vom Baugrundstück abfließenden Niederschlagswässern bei starkem Regen Lachen bilden können, stellt schon deshalb keine durch die Errichtung des Gebäudes mit den verfahrensgegenständlichen Planabweichungen ausgehende Auswirkung auf das Nachbargrundstück dar, weil es sich bei der in Rede stehenden Diele nicht um ein Gebäude handelt. Ein Nachbarrecht auf Vermeidung der fraglichen Lachenbildung kommt dem Beschwerdeführer somit nicht zu.
Insgesamt erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 18. Juni 2003
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001060148.X00Im RIS seit
01.08.2003