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L82007 Bauordnung Tirol;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der M in T, vertreten durch Dr. Anton Dierigl, Rechtsanwalt in 6063 Rum, Kugelfangweg 27, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. Juli 2001, Zl. Ve1-550-2988/-1, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Parteien: 1. Bauträger Bauprojekt ErrichtungsgesmbH D in H, 2. Gemeinde T, vertreten durch DDr. Christian C. Schwaighofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- und der mitbeteiligten Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. Juli 1998 wurde der erstmitbeteiligten Partei (in der Folge: D. GesmbH) über ihren Antrag (vom 22. Juni 1998) die Baubewilligung für die Errichtung einer aus 5 Objekten und einem Garagengebäude mit insgesamt 41 Wohneinheiten, 4 Reihenhäusern und 86 PKW-Stellplätzen bestehenden dreigeschoßigen Wohnhausanlage auf dem Grundstück Nr. 4136/3 KG T unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Der für das im als "Wohngebiet" gewidmeten Gebiet situierte Baugrundstück geltende Bebauungsplan sieht eine Geschoßflächendichte von 1,00 vor, die nach den bewilligten Plänen mit 0,957 eingehalten wurde.
Der Bescheid vom 8. Juli 1998 erwuchs in Rechtskraft.
Mit Grundbuchsbeschluss vom 28. April 1999 erfolgte die grundbücherliche Einverleibung der Wohnungseigentumsanteile u. a. auch der Beschwerdeführerin verbunden mit Wohnungseigentum an der im Bauteil VI gelegenen Wohnung top 09. Das diesem Beschluss zugrundeliegende Parifizierungsgutachten vom 2. November 1998 enthielt - gestützt auf die mit Bescheid vom 8. Juli 1998 genehmigten Baupläne - keine Hinweise auf eine Erreich- bzw. Begehbarkeit der Dachbodenräume; diese blieben somit bei der Nutzwertfeststellung auch unberücksichtigt.
Mit Bauanzeige vom 31. Mai 1999 zeigte die D. GesmbH bei der Baubehörde erster Instanz "die Abänderung zum Baubescheid" vom 8. Juli 1998 unter gleichzeitiger Vorlage von Tekturplänen an. Soweit dies die Beschwerdeführerin betrifft, war darin u.a. die Erschließung des ca. 32 m2 großen Dachraums dieses Gebäudes über der im Bauteil VI befindlichen Wohnung top 08 durch eine Wendeltreppe und Belichtung dieses Raumes durch Herstellung dreier Dachfenster enthalten. Eine Änderung der Bezeichnung als "Dachraum" erfolgte mit dieser Anzeige nicht.
Daraufhin erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde nachstehende lediglich an die D. GesmbH gerichtete Erledigung vom 12. Juli 1999:
" Sehr geehrte Herren!
Mit Ihrem Ansuchen vom 31.5.199 haben Sie um die Genehmigung der Tekturpläne für das Bauvorhaben auf Gp. 4136/3 KG T, angesucht.
Der Bürgermeister der Gemeinde T nimmt diese Planänderungen zustimmend zur Kenntnis. In der Anlage werden Ihnen die genehmigten Pläne retourniert.
Der Bürgermeister:....."
Obwohl anlässlich der Kollaudierungsbegehung der gegenständlichen Wohnhausanlage auch von Seiten der Baubehörde festgestellt wurde, dass der "Dachraum" im Bauteil VI, top 08 vom Eigentümer dieser Wohnung als Wohnraum genutzt wird, und dieser Umstand auch niederschriftlich festgehalten und hierüber auch ein Schriftverkehr abgewickelt wurde (Schreiben vom 14. September 2000 sowie vom 28. September 2000, in der Folge auch die Mitteilung an die Wohnungseigentümer vom 12. Juni 2001), wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Januar 2001 die Benützungsbewilligung für das gesamte Bauvorhaben "nur für den bewilligten Verwendungszweck als Wohnanlage" erteilt.
Mit Eingabe vom 13. Februar 2001 beantragte die Beschwerdeführerin die Zustellung des "Bewilligungsbescheides, mit dem der nachbarliche Dachbodenausbau Top VI-08" baubehördlich genehmigt worden sei.
Nach Zustellung der Erledigung des Bürgermeisters der mitbeteiligen Gemeinde vom 12. Juli 1999 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht gegen diese Berufung, welche mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligen Gemeinde vom 31. Mai 2001 als unzulässig zurückgewiesen wurde, weil 1. die bekämpfte Erledigung keinen Bescheid darstelle, 2. eine Wohnnutzung der Dachräumlichkeiten ohnedies nicht geduldet würde und 3. der "Berufungswerberin" selbst durch Vollmachtserteilung an den "Einschreiter" der Antrag auf Tekturänderung und die damit zusammenhängende Bauanzeige zugerechnet werden müsse, sie sich aber nicht mit Berufung gegen die Stattgebung ihres eigenen Ansuchens wehren könne.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die belangte Behörde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde diese Vorstellung als unbegründet abgewiesen.
Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Zitierung der in Anwendung gebrachten Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, die Erledigung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 12. Juli 1999 stelle keinen Bescheid dar. In welchen Fällen im Zusammenhang mit einer Bauanzeige eine bescheidmäßige Erledigung zu erfolgen habe, sei im § 22 Abs. 3 TBO 1998 ausdrücklich und abschließend geregelt. Die Zustimmung der Baubehörde zu einem angezeigten Bauvorhaben stelle lediglich die Mitteilung dar, dass eine bescheidmäßige Erledigung im Sinne dieser Bestimmung nicht erfolgen werde. Damit erweise sich aber die Zurückweisung der Berufung als zu Recht erfolgt. Selbst wenn die Erledigung vom 12. Juli 1999 als Bescheid zu qualifizieren gewesen wäre, mangle es der Beschwerdeführerin an der Parteistellung, weil im bloßen Anzeigeverfahren die Vorschriften der §§ 21 Abs. 2 und 25 TBO 1998 keine Anwendung fänden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Mitwirkung als Wohnungseigentümerin im Bauverfahren verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte. Auch die mitbeteiligte Gemeinde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Beschwerdeabweisung beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 der im Beschwerdefall anzuwendenden Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998 (TBO 1998) bedürfen einer Baubewilligung, soweit sich aus den Abs. 2 und 3 nichts anderes ergibt:
a)
der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden;
b)
die sonstige Änderung von Gebäuden oder Gebäudeteilen, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt werden;
c) die Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden oder Gebäudeteilen, wenn sie auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein kann; hierbei ist vom bewilligten Verwendungszweck bzw. bei Gebäuden, für die auf Grund früherer baurechtlicher Vorschriften ein Verwendungszweck nicht bestimmt wurde, von dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck auszugehen....
Nach Abs. 2 erster Satz dieser Bestimmung sind die sonstigen Änderungen von Gebäuden sowie die Errichtung und die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen, sofern sie nicht nach Abs. 1 lit. b oder e einer Baubewilligung bedürfen, der Behörde anzuzeigen.
Nach § 22 Abs. 3 TBO 1998 hat die Behörde das angezeigte Bauvorhaben zu prüfen. Ergibt sich dabei, dass das angezeigte Bauvorhaben bewilligungspflichtig ist, so hat die Behörde dies innerhalb von zwei Monaten nach Vorliegen der vollständigen Bauanzeige mit schriftlichem Bescheid festzustellen. Ist das angezeigte Bauvorhaben nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften unzulässig, so hat die Behörde dessen Ausführung innerhalb derselben Frist mit schriftlichem Bescheid zu untersagen.
Gemäß § 22 Abs. 4 TBO 1998 darf das Bauvorhaben ausgeführt werden, wenn innerhalb der im Abs. 3 genannten Frist weder das angezeigte Bauvorhaben als bewilligungspflichtig festgestellt noch dessen Ausführung untersagt wird oder die Behörde der Ausführung des angezeigten Bauvorhabens ausdrücklich zustimmt. In diesen Fällen hat die Behörde dem Bauwerber eine mit einem entsprechenden Vermerk versehene Ausfertigung der Planunterlagen auszuhändigen.
Das Gesetz sieht in dieser Bestimmung nur für zwei Fälle die Erlassung von Bescheiden vor, nämlich im Falle der Bewilligungspflicht des angezeigten Bauvorhabens und im Falle der Untersagung.
Im vorliegenden Fall hat die Baubehörde erster Instanz weder das Vorliegen einer Bewilligungspflicht noch die Untersagung der angezeigten Bauausführung bescheidmäßig ausgesprochen. In der bekämpften Erledigung hat sie vielmehr im Sinne des Abs. 4 leg. cit. ausdrücklich zugestimmt. Daran vermag der Umstand, dass nach dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten erhebliche Zweifel daran angebracht sind, dass die von der D. GesmbH mit Eingabe vom 31. Mai 1999 der Baubehörde angezeigten Tekturpläne ausschließlich Änderungen enthielten, bei deren Ausführung bautechnische Erfordernisse nicht wesentlich berührt wurden, nichts zu ändern.
Bei dieser Erledigung handelt es sich nicht um einen Bescheid:
Gemäß § 58 Abs. 1 des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Nach Abs. 2 leg. cit. sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Im übrigen gilt auch für Bescheide § 18 Abs. 4 (Abs. 3 leg. cit.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, die ausdrückliche Bezeichnung für den Bescheidcharakter essentiell. Nur dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut oder ihre sprachliche Gestaltung, keinen Zweifel darüber aufkommen lässt, dass die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für das Vorliegen eines Bescheides nicht wesentlich; das bedeutet mit anderen Worten, dass auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden kann, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinn auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Bei Zweifel über den Inhalt kommt auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, etwa dem Gebrauch der Höflichkeitsfloskel "Sehr geehrter Herr". Aus einer solchen Form einer Erledigung ist dann zu schließen, dass kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2002, Zl. 97/12/0372, und die dort angeführte Judikatur).
Im Beschwerdefall ist die auf ihre Bescheidqualität zu prüfende Erledigung der Baubehörde erster Rechtsstufe weder als Bescheid bezeichnet, noch weist sie sonst den Aufbau eines Bescheides (Spruch, Begründung, Rechtsmittelbelehrung) auf. Sie beginnt und endet jeweils mit einer im (allgemeinen) Schriftverkehr üblichen Höflichkeitsfloskel. Inhaltlich handelt es sich nicht um eine Entscheidung, Verfügung oder Feststellung, sondern um die Mitteilung, dass die Behörde dem angezeigten Vorhaben "ausdrücklich zustimme". Dieser Erledigung mangelt es daher an den Wesensmerkmalen eines Bescheides im Sinne des § 58 AVG.
Wie bereits oben ausgeführt, kann zwar auch ein bloßes Schreiben einer Behörde Bescheidcharakter aufweisen, wenn darin ein normativer Abspruch über Rechte oder Rechtsverhältnisse des Adressaten enthalten ist. Bei der Beurteilung dieser Frage ist auch das von der Behörde (materiell) angewendete Gesetz insoweit als Deutungsschema für das konkrete Schriftstück maßgebend, als sich aus diesem ergibt, ob die Behörde von Rechts wegen verpflichtet war, einen Bescheid zu erlassen.
Im Beschwerdefall lässt das von der Beschwerdeführerin bekämpfte Schreiben seinem Inhalt nach keinen Zweifel daran, dass es sich dabei um keinen Bescheid handelt, mit dem eine Baubewilligung nach § 20 TBO 1998 erteilt wurde, sondern lediglich die Mitteilung an den Anzeiger, dass dessen Bauanzeige "zustimmend zur Kenntnis" genommen worden sei. Angesichts des klaren Fehlens einer behördlichen Entscheidung über einen der in § 22 Abs. 3 TBO 1998 genannten bescheidmäßig zu erledigenden Fälle kann diesem Schreiben ein anderer Sinn auch nicht unterstellt werden, zumal nach der angewendeten Bestimmung überhaupt kein Bescheid zu erlassen war.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht, hinsichtlich der mitbeteiligten Gemeinde im Rahmen des gestellten Begehrens, auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 18. Juni 2003
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Baurecht Planungswesen Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Gemeinderecht und Baurecht Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Mitteilungen und RechtsbelehrungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001060165.X00Im RIS seit
09.07.2003