TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/23 2002/17/0226

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Veröffentlicht am 23.06.2003
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Index

E3R E01600000;
E3R E03605600;
E3R E09500000;

Norm

31992R3950 ZusatzabgabeV Milchsektor Art4 Abs2;
31995R2988 SchutzV finanzielle Interessen Europäische Gemeinschaften Art4 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A S in O, vertreten durch Dr. Peter Rohracher, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Hauptplatz 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 28. Mai 2002, Zl. 17.274/141-I/7/02, betreffend Abänderung einer endgültigen Direktverkaufs-Referenzmenge und Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 17. Oktober 2000 an die Agrarmarkt Austria (AMA) den Antrag auf Anpassung (Umwandlung) einer Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge. Seinem Betrieb stehe eine Anlieferungs-Referenzmenge von Milch mit einem repräsentativen Fettgehalt von 3,73 % im Umfang von 75.175 kg und eine endgültig zugeteilte Direktverkaufs-Referenzmenge von 80.000 kg zu. Infolge des Wegfalls eines näher genannten Großverbrauchers (Landwirt U) beantrage er die befristete Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge von 36.000 kg in eine Anlieferungs-Referenzmenge.

1.1.2. In der Folge kam es zu einer Vorortkontrolle am 29. November 2000 durch ein Kontrollorgan der AMA. In dem diesbezüglichen Prüfbericht ist unter anderem festgehalten, dass

37.698 kg Milch an andere Landwirte zur Verfütterung abgegeben würden. Weiters heißt es in dem Prüfbericht, dass auf Grund der örtlichen Gegebenheiten bzw. der Kundenstruktur sowie der Produktionsgrundlagen die in der Meldung des Direktverkaufes genannte Absatzmenge als nicht plausibel erscheine, weil die geschätzte mögliche Absatzmenge ca. 35.000 Milch-Kilogramm betrage; die Lieferungen an den Landwirt U zur Verfütterung in der Höhe von 37.698 kg seien unglaubwürdig. Diese Bemerkung wird in der Zusammenfassung noch näher begründet: Der genannte Landwirt sei selbst Mutterkuhhalter, ohne A-Quote und ohne D-Quote.

1.1.3. Der Beschwerdeführer stellte mit Datum 1. Dezember 2000 einen (weiteren) Antrag auf Anpassung (Umwandlung) von Referenzmengen, und zwar einer Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge im Ausmaß von (insgesamt) 16.200 kg. Er begründete dies mit dem Storno bzw. der Reduzierung der Milchabnahme durch verschiedene näher genannte Abnehmer.

1.1.4. In einer Stellungnahme vom 4. Dezember 2000 legte der Beschwerdeführer unter anderem dar, dass er mit dem Landwirt U ein Übereinkommen abgeschlossen habe betreffend die Abstattung der Verbindlichkeiten, die der Beschwerdeführer diesem Landwirt gegenüber habe. Er habe demzufolge vom Oktober 1998 bis Juli 2000 täglich 100 Liter Rohmilch geliefert, die dieser Landwirt zur Verfütterung für die Kälbermast benötigt habe. Der Landwirt besitze im Bestandsverzeichnis März 1999 bis März 2000 ca. 60 Mutterkühe sowie die "eigene Nachzucht". Außerdem habe er in diesem Zeitraum auch über 30 Kälber hinzugekauft. Eine Kälbermast sei nur mit genügend Rohmilch wirtschaftlich; für den Landwirt U sei diese Rohmilch notwendig und erforderlich gewesen. Durch den Wegfall dieses Großabnehmers sehe sich nunmehr der Beschwerdeführer gezwungen, diese 36.000 kg Direktverkaufs-Referenzmengenquote in eine Anlieferungs-Referenzmengenquote umzuwandeln. Der Landwirt U habe im Jahr 2000 seinen Mutterkuhbestand auf ca. 100 Stück aufgestockt, weshalb die Lieferung von 100 Liter Milch nicht mehr notwendig gewesen sei.

1.1.5. Mit dem Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich III der AMA wurde dem Beschwerdeführer mit Wirksamkeit ab 1. April 2000 für seinen näher genannten milcherzeugenden Betrieb eine Direktverkaufs-Referenzmenge in Höhe von 80.000 kg endgültig zugeteilt (Spruchpunkt 1.) und den Anträgen des Beschwerdeführers auf befristete Umwandlung von insgesamt 52.200 kg endgültig zugeteilter Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge mit Wirksamkeit für den 12 Monatszeitraum 2000/2001 (nur) im Ausmaß von 16.200 kg Folge gegeben; der repräsentative Fettgehalt für diese Menge wurde mit 3,8 % festgesetzt (Spruchpunkt 2.).

Voraussetzung für die endgültige Zuteilung einer provisorisch zugeteilten Direktverkaufs-Referenzmenge nach Ablauf nur eines einzigen 12 Monatszeitraumes ab Wirksamkeitsbeginn der provisorischen Zuteilung sei, dass gemäß § 33 Abs. 2 der Milch-Garantiemengen-Verordnung 1999, BGBl. II Nr. 28/1999 in der geltenden Fassung (in der Folge: MGV 1999) bereits im ersten 12 Monatszeitraum, in dem die Direktverkaufs-Referenzmenge als provisorisch zugeteilt gelte, ein Ausmaß von mindestens 80 % der provisorisch zugeteilten Direktverkaufs-Referenzmenge nachweislich direkt vermarktet worden sein müsse. Gelinge dieser Nachweis nicht, bleibe die Direktverkaufs-Referenzmenge für einen weiteren (zweiten) 12 Monatszeitraum vom Wirksamkeitsbeginn der provisorischen Zuteilung an provisorisch zugeteilt. Eine vom Beschwerdeführer für den 12 Monatszeitraum 1998/1999 gemeldete direkt vermarktete Menge von 39.382 kg bedeute daher, dass die mit Wirksamkeit ab 1. April 1998 zugeteilte Direktverkaufs-Referenzmenge auch noch im 12 Monatszeitraum 1999/2000 als provisorisch zugeteilt zu beurteilen sei.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer für den 12 Monatszeitraum 1999/2000 als direkt vermarktet gemeldeten Mengen (71.835 Milch-Kilogramm) sei zwar vom Prüfer der AMA im Prüfbericht vom 29. November 2000 angezweifelt worden, dass der Beschwerdeführer in der Lage gewesen sei, diese Menge direkt zu vermarkten, andererseits aber seien die vom Beschwerdeführer in dem an die AMA ergangenen Schreiben vom 4. Dezember 2000 vorgebrachten Argumente diesbezüglich nicht von der Hand zu weisen, sodass die AMA trotz der Bedenken des Prüfers von der Richtigkeit der für den 12 Monatszeitraum 1999/2000 als direkt vermarktet gemeldeten Mengen ausgehe. Somit sei die ab 1. April 1998 provisorisch zugeteilte Direktverkaufs-Referenzmenge in Höhe von 80.000 kg mit Wirksamkeit ab 1. April 2000 als endgültig zugeteilt zu betrachten.

Nach Auffassung der AMA spielten im Falle eines Antrages auf Zuteilung einer Direktverkaufs-Referenzmenge infolge der Abgabe von Milch zur Verfütterung spekulative Überlegungen des Milcherzeugers mit, nämlich auf diese Weise zunächst zu einer relativ hohen Direktverkaufs-Referenzmenge zu kommen und in Folge durch Umwandlung zu einer spürbar höheren Anlieferungs-Referenzmenge. Da durch die Europäischen Gemeinschaften das Recht auf Anpassung der Referenzmengen sicher nicht dahingehend eingeräumt worden sei, dass es sich auch auf Referenzmengen zu erstrecken habe, die offensichtlich auf spekulative Überlegungen hin von einem Milcherzeuger beantragt und aus der (mengenmäßig begrenzten) einzelstaatlichen Reserve heraus zugeteilt worden seien (mit dem Ziel der Erlangung eines einzelbetrieblichen Vorteils durch Erreichung einer zusätzlichen Anlieferungs-Referenzmenge zum Nulltarif im Wege über eine als solche lediglich kurze Zeit zu nutzende Direktverkaufs-Referenzmenge) und infolge dieser Überlegungen den Milchmarkt zusätzlich belasteten (im Gegensatz zu einer in der einzelstaatlichen Reserve verbliebenen Referenzmenge), könne im Falle eines Antrages auf Umwandlung einer durch Verfütterung genutzten Direktverkaufs-Referenzmenge keine ausreichende Begründung vorgebracht werden, die geeignet wäre, einen derartigen Antrag zu bewilligen. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge in Höhe von 36.000 kg infolge des Ausfalls des Landwirtes U als Kunden könne daher keine Folge gegeben werden. Dem weiteren Antrag des Beschwerdeführers auf Umwandlung von insgesamt 16.200 kg Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge mit auf den 12 Monatszeitraum 2000/2001 befristeter Wirksamkeit werde hingegen Folge gegeben.

1.2. In seiner Berufung führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, dass der Landwirt U im Oktober 2000 massive Probleme mit dem Absatz seiner Rinder gehabt habe; er habe daher seinen Viehstand stark reduziert. Dies sei der Grund gewesen, warum für den Beschwerdeführer dieser Großverbraucher weggefallen sei. Der Preisverfall auf dem Rindfleischsektor verstärkte derartige Tendenzen immer mehr, wogegen die Nachfrage an Milchprodukten zunehme.

1.3.1. Die belangte Behörde holte eine schriftliche Stellungnahme des Landwirtes U ein. Dieser führte entscheidungswesentlich aus, er habe mit dem Beschwerdeführer 1998 eine Vereinbarung dahin getroffen, dass dieser ihm täglich 100 Liter Rohmilch für die Kälberaufzucht, beginnend mit 1. Oktober 1998 zu einem Preis von S 4,-- (offenbar pro Liter) zuzustellen habe. Der Beschwerdeführer habe dann bis Juli 1999 diese Vereinbarung erfüllt. Die Entwicklung der Kälber sei in dieser Zeit deutlich besser als zuvor gewesen. Von den 69 Mutterkühen des Landwirtes U im Jahr 1999 habe damals mehr als die Hälfte dieser Kühe täglich kaum 3 bis 4 Liter Milch gegeben. Er habe daher beschlossen, dem Beschwerdeführer weiterhin täglich 100 Liter Rohmilch zum Preis von S 10.000,-- pro Monat bis einschließlich Juli 2000 abzunehmen. Danach sei es ihm nicht mehr möglich gewesen, Rohmilch zuzukaufen, da der Absatz von Jungrindern und Rindern "total" stagniert habe und in weiterer Folge sich ein großer Preisverfall auf dem Rindfleischsektor abzeichnete.

1.3.2. In einer Stellungnahme vom 25. April 2002 führte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang aus, der Landwirt U habe die "Verabreichung von 100 Liter Milch täglich zusätzlich an seine Kälber" vereinbart, "da er selbst zu wenig Milch" gehabt habe. Die Angaben des Kontrollors der AMA, dass der Landwirt U Probleme gehabt habe, seine eigene Milch unterzubringen, treffe nicht zu; die Kälber des Landwirts hätten täglich zusätzlich 500 Liter ohne Probleme aufgenommen, überdies sei der Kontrollor niemals bei einer Fütterung anwesend gewesen. Der Beschwerdeführer vertrat weiters in der genannten Stellungnahme die Ansicht, dass durch die Direktvermarktung von 100 Litern Milch an den Landwirt U im angegebenen Zeitraum sicherlich nicht künstlich und willkürlich die Voraussetzungen für die Erlangung eines Vorteils geschaffen worden seien.

1.3.3. In einer weiteren Stellungnahme vom 20. Mai 2002 brachte der Beschwerdeführer vor, wenn auch der belangten Behörde die Lieferung von 100 Litern Milch pro Tag für die Aufzucht von Kälbern unglaubwürdig erscheinen möge, so könne dennoch jeder erfahrene Landwirt bestätigen und versichern, dass sich diese Investition lohne. Der Landwirt U sei für seine Kälberzucht auf die Rohmilch aus dem Betrieb des Beschwerdeführers angewiesen gewesen, da der Großteil seiner 69 Mutterkühe damals kaum 3 bis 4 Liter Milch gegeben habe. Jeder Bauer wisse, dass diese Kälber zusätzlich noch 500 Liter Milch täglich aufgenommen hätten; es sei auch zu berücksichtigen, dass der Landwirt U 30 Kälber zugekauft habe. Erst mit dem rapiden Sinken der Rindfleischpreise sei diese Investition unrentabel geworden, sodass der Landwirt U gezwungen gewesen sei, den Viehbestand stark zu reduzieren und der Beschwerdeführer diese Abnahmequelle verloren habe. Die Abgabe an den Landwirt U sei überdies die einzige Möglichkeit gewesen, die Milch von euterkranken Kühen des Beschwerdeführers, die von der Molkerei nicht mehr akzeptiert worden sei, zu vermarkten.

1.4. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Vorstands für den Geschäftsbereich III der Agrarmarkt Austria vom 23. Februar 2001 betreffend Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge für den 12 Monatszeitraum 2000/2001 gemäß § 289 BAO in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 und § 39 Abs. 1 der MGV ab (Spruchpunkt 1.). Gemäß § 103 Abs. 1 des Marktordnungsgesetzes, BGBl. Nr. 210/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 108/2001, änderte die belangte Behörde weiters (im Spruchpunkt 2.) den genannten Bescheid des Vorstands für den Geschäftsbereich III der Agrarmarkt Austria dahin ab, dass dessen Spruchpunkt 1. wie folgt laute:

"Gemäß § 33 Abs. 2 Milch-Garantiemengen-Verordnung 1999, BGBl. II Nr. 28/1999, wird Ihnen zum 1. April 2000 eine endgültige Direktverkaufs-Referenzmenge in Höhe von

34.137 kg zugeteilt.

2. Ihrem Antrag auf befristete Umwandlung von

45.720 kg Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge mit Wirksamkeit für den Zwölfmonatszeitraum 2000/01 wird gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Milch-Garantiemengen-Verordnung 1999, BGBl. II Nr. 28/1999, keine Folge gegeben."

Nach Wiedergabe insbesondere der ergänzenden Erhebungen der belangten Behörde und der nach Ansicht der belangten Behörde maßgeblichen Rechtsnormen führte die belangte Behörde begründend u. a. wie folgt aus:

"Im gegenständlichen Fall ist nach Ansicht der Berufungsbehörde eine künstliche und willkürliche Schaffung der Voraussetzungen für die Erlangung des Vorteils (Zuteilung der Direktverkaufs-Referenzmenge) dadurch gegeben, dass unter anderem Milch an Großverbraucher vermarktet wurde, obwohl der Abnehmer der Milch schon mit der eigenen Erzeugung ausreichend Milch zur Verfütterung gehabt hätte und die Eigenversorgung der von den Mutterkühen geborenen Kälber mit der Milch dieser Mutterkühe zu einem wesentlichen Bestandteil der Mutterkuhregelung gehört. Die vermarktete Menge diente nicht einem sinnvollen Ernährungszweck, sondern alleine der Schaffung einer ausreichenden Vermarktungsgrundlage für die Zuteilung einer höheren Direktverkaufs-Referenzmenge an Sie. Im abgegebenen Ausmaß und unter Berücksichtigung eines eigenen Mutterkuhbestands konnte die Milch nicht mehr in der allgemein üblichen Dosierung verfüttert werden, sie musste faktisch 'verschleudert' werden. Die gesamte Vertragsgestaltung und -abwicklung ist unter dem Aspekt der Verwendung der Milch zur Verfütterung an die Tiere des Betriebs U so offensichtlich sinnlos, sodass als einziger Sinn für diese Vermarktung nur die willkürliche Schaffung der Voraussetzungen für die Zuteilung der Direktverkaufs-Referenzmenge gewesen sein kann. Die Anforderungen des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2988/95 liegen daher vor, sodass die Direktverkaufs-Referenzmenge im entsprechend niedrigeren Ausmaß zuzuteilen ist."

Im 12 Monatszeitraum 2000/2001, in dem der Beschwerdeführer erstmals eine befristete Umwandlung beantragt habe, sei jedoch der Direktverkauf höher als die endgültig zugeteilte Direktverkaufs-Referenzmenge gewesen, sodass für eine Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge keine Restmenge mehr zur Verfügung gestanden sei. Schon aus diesem Grunde habe dem Antrag des Beschwerdeführers auf Anpassung der Referenzmengen keine Folge gegeben werden können.

Der erstinstanzliche Bescheid sei wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben gewesen; bei der Zuteilung der endgültigen Direktverkaufs-Referenzmenge sei nicht berücksichtigt worden, dass für einen Großteil der Menge die Voraussetzungen für die Erlangung der Direktverkaufs-Referenzmenge künstlich und willkürlich geschaffen worden sei. Auf Basis der nunmehr endgültig zugeteilten Direktverkaufs-Referenzmenge sei auch die Änderung des Vermarktungsverhaltens im 12 Monatszeitraum 2000/2001, für den der Beschwerdeführer eine befristete Umwandlung beantragt habe, zu beurteilen. Da der Direktverkauf in diesem 12 Monatzeitraum höher als die dem Beschwerdeführer zustehende Direktverkaufs-Referenzmenge gewesen sei, habe dem Umwandlungsantrag des Beschwerdeführers keine Folge gegeben werden können, der erstinstanzliche Bescheid sei in diesem Punkt ebenfalls aufzuheben gewesen. Unter Berücksichtigung der durchzuführenden Bescheidaufhebung habe der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben werden können.

1.5. Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er erachtet sich erkennbar in seinen Rechten insoweit verletzt, als seinen Anträgen auf Umwandlung von Direktverkaufs-Referenzmengen in Anlieferungs-Referenzmengen nicht Folge gegeben worden sei.

1.6. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat hierauf repliziert.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor, ABl. L 405 vom 31. Dezember 1992, Seite 1, in der hier auf Grund ihres Art. 4 zweiter Satz anzuwendenden Fassung durch die Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor, ABl. Nr. L 160, vom 26. Juni 1999, Seiten 0073- 0079, lautet (auszugsweise):

"Artikel 4

...

(2) Einzelbetriebliche Referenzmengen werden auf begründeten Antrag der Erzeuger erhöht oder festgesetzt, um Änderungen bei ihren Lieferungen und/oder Direktverkäufen Rechnung zu tragen. Voraussetzung für die Erhöhung oder Festsetzung einer Referenzmenge ist die entsprechende Senkung oder Aufhebung der jeweiligen anderen Referenzmenge des Erzeugers. Diese Anpassungen dürfen für den betreffenden Mitgliedstaat keine Erhöhung der im Artikel 3 genannten Gesamtmengen für Lieferungen und Direktverkäufe bewirken. ..."

Art. 4 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, ABl. L 312 vom 23. Dezember 1995, Seiten 0001-0004, lautet (auszugsweise):

"Artikel 4

(1) Jede Unregelmäßigkeit bewirkt in der Regel den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils

-

durch Verpflichtung zur Zahlung des Geschuldeten oder Rückerstattung des rechtswidrig erhaltenen Geldbetrags;

-

durch vollständigen oder teilweisen Verlust der Sicherheit, die für einen Antrag auf Gewährung eines Vorteils oder bei Zahlung eines Vorschusses geleistet wurde.

...

(3) Handlungen, die nachgewiesener Maßen die Erlangung eines Vorteils, der den Zielsetzungen der einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften zuwiderläuft, zum Ziel haben, in dem künstlich die Voraussetzungen für die Erlangung dieses Vorteils geschaffen werden, haben zur Folge, dass der betreffende Vorteil nicht gewährt bzw. entzogen wird."

§ 33 MGV, BGBl. II Nr. 28/1999 in der Fassung durch BGBl. II Nr. 246/1999, lautet wie folgt (auszugsweise):

"§ 33. (1) Die Direktverkaufs-Referenzmenge entspricht mit Beginn des 1. April 1995 der dem Milcherzeuger, der Milch oder Milcherzeugnisse an Verbraucher abgibt (Direktverkäufer), mit 31. März 1995 auf Grund der Milch-Referenzmengen-Zuteilungsverordnung, BGBl. Nr. 226/1995, von der AMA mitgeteilten Direktverkaufs-Referenzmenge.

(2) Die Direktverkaufs-Referenzmenge wird für die Dauer von höchstens zwei aufeinander folgenden Zwölfmonatszeiträumen provisorisch zugeteilt. Kann der Milcherzeuger auf Grund der gemäß den im § 1 genannten Rechtsakten erforderlichen Meldungen belegen, dass er seit mindestens 12 Monaten vom Beginn der provisorischen Zuteilung an im Ausmaß von mindestens 80 % der provisorisch zugeteilten Direktverkaufs-Referenzmenge Milch und Milcherzeugnisse direkt abgegeben hat, erhält er die ihm mitgeteilte Direktverkaufs-Referenzmenge endgültig zugewiesen. Nach Ablauf von zwei Jahren ab der provisorischen Zuteilung hat die AMA bei allen Milcherzeugern, denen noch keine endgültige Direktverkaufs-Referenzmenge zugeteilt wurde, zu überprüfen, ob im Ausmaß von mindestens 80 % der provisorischen Direktverkaufs-Referenzmenge Milch und Milcherzeugnisse als direkt abgegeben gemeldet wurden, und die Referenzmenge im jeweils zutreffenden Ausmaß endgültig zuzuteilen. Bei der Zuteilung der endgültigen Referenzmenge auf Grund des tatsächlichen Ausmaßes des Direktverkaufes ist der Direktverkauf des letzten Zwölfmonatszeitraums heranzuziehen.

(3) Stellt sich im Zuge einer Vorortkontrolle heraus, dass insbesondere an Hand der vorhandenen Aufzeichnungen und Produktionsgrundlagen die als direkt abgegeben gemeldete Menge nicht plausibel ist, erfolgt eine endgültige Zuteilung der Direktverkaufs-Referenzmenge im nachgewiesenen tatsächlichen Ausmaß des Direktverkaufs mit Wirkung ab dem laufenden Zwölfmonatszeitraum.

(4) ..."

§ 39 MGV 1999 regelt die "Anpassung der Referenzmengen" wie folgt:

"(1) Anträge auf befristete Umwandlung von endgültig zugeteilten Referenzmengen nach Art. 4 Abs. 2 erster Unterabsatz der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 sind für den laufenden Zwölfmonatszeitraum jeweils bis 31. Dezember bei der AMA zu stellen. In dem Antrag sind anzugeben:

1.

Name, Anschrift und Betriebsnummer des Milcherzeugers,

2.

die Höhe der dem Milcherzeuger zustehenden Referenzmengen, getrennt nach Anlieferungs-Referenzmengen und Direktverkaufs-Referenzmengen,

3.

die Art und Höhe der begehrten Umwandlung sowie

4.

die Tatsachen, Ziel zu Änderungen bei den Anlieferungen oder Direktverkäufen geführt haben.

(2) Direktverkaufs-Referenzmengen auf Almen können vor ihrer endgültigen Zuteilung in Anlieferungs-Referenzmengen umgewandelt werden, wenn sich insbesondere auf Grund der Witterungsbedingungen eine Änderung des Vermarktungsverhaltens mit höherer Anlieferung ergeben hat.

(3) Endgültige Umwandlungen sind mit den gemäß Abs. 1 geforderten Angaben bei der AMA zu beantragen. Eine endgültige Umwandlung ist frühestens nach zweimaliger unmittelbar vorangehender befristeter Umwandlung möglich. Die Umwandlung erfolgt nach Anpassung der Gesamtmengen.

(4) Die AMA entscheidet über die Umwandlung durch Bescheid. Sofern bereits zugeteilte Anlieferungs-Referenzmengen durch die Umwandlung erhöht oder vermindert werden, erhält der Abnehmer eine Durchschrift des Bescheides."

2.2. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung darauf, dass der Beschwerdeführer Milch an Großverbraucher (den Landwirt U) abgegeben habe, obwohl der Abnehmer der Milch schon mit der eigenen Erzeugung ausreichend Milch zur Verfütterung gehabt hätte und die Eigenversorgung der von den Mütterkühen geborenen Kälber mit der Milch dieser Mütterkühe zu einem wesentlichen Bestandteil der Mutterkuhregelung gehöre. Die vermarktete Menge diene daher nicht einem sinnvollen Ernährungszweck, sondern allein der Schaffung einer ausreichenden Vermarktungsgrundlage für die Zuteilung einer höheren Direktverkaufs-Referenzmenge an den Beschwerdeführer. Rechtlich sei dies im Sinne des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2988/95 zu beurteilen.

2.3. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Oktober 2000, Zl. 2000/17/0058, ausführte, ist Art. 4 Abs. 3 der genannten Verordnung nicht nur im Falle von Beihilfenregelungen im engeren Sinn, sondern auch im Zusammenhang mit Marktordnungsregelungen, bei denen die Wirtschaftstätigkeit im Falle der Referenzmengen für Milch und die für Überlieferungen zu zahlende Abgabe reglementiert sind, anwendbar.

Geht man nun davon aus, dass das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 im Beschwerdefall nicht bestritten wird, käme eine Versagung der Anwendung des Art. 4 Abs. 2 der genannten Verordnung nur in Betracht, wenn die "künstliche Schaffung der Voraussetzungen für die Erlangung des Vorteils" im Sinne des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2988/95 nachgewiesen wäre.

Insoweit nun die belangte Behörde - wie dargestellt - dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid vorwirft, die Anlieferung der Milch an den Landwirt U sei von vornherein vor allem deshalb erfolgt, um letztlich die Anlieferungs-Referenzmenge auszuweiten, entbehrt diese Annahme allerdings - ausgehend vom Akteninhalt - einer schlüssigen Begründung. Der Beschwerdeführer hat nämlich mehrfach vorgebracht, der Landwirt U habe zu den von ihm gehaltenen Mutterkühen - im hier in Betracht kommenden Zeitraum - noch 30 Kälber zusätzlich gehalten. Für diese habe die im Betrieb des Landwirts U anfallende (überschüssige) Milch nicht ausgereicht.

Die belangte Behörde traf jedoch keine diesbezüglichen Feststellungen und setzte sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit diesem Vorbringen des Beschwerdeführers, dessen Relevanz unmittelbar einsichtig ist, nicht weiter auseinander. Dadurch aber blieben die Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Bescheides ergänzungsbedürftig und ist dem Verwaltungsgerichtshof eine abschließende nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Bescheides nicht möglich.

Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vorbringt, auch die zusätzlichen 30 Kälber, die sich auf den Zeitraum Oktober 1998 bis Juli 2000 verteilten und damit ca. zwei bis drei zusätzliche Kälber je Tag zu den eigenen Kälbern des Landwirtes U ergäben, bedürften nicht einer zusätzlichen Lieferung von 100 Liter Milch pro Tag, ist zunächst darauf zu verweisen, dass eine fehlende Begründung des angefochtenen Bescheides in der Gegenschrift nicht mehr nachgetragen werden kann. Darüber hinaus führt der Beschwerdeführer in seiner Replik zu diesem Vorbringen aus, dass die von der belangten Behörde hier angenommene Anzahl von zwei bis drei zusätzlich gehaltenen Kälbern "grundsätzlich als falsch anzusehen" sei. Bei einer Anzahl von 30 gehaltenen Kälbern im Zeitraum von Oktober 1998 bis Juli 2000, somit durch 22 Monate, gelange man bei Anwendung einer "einfachen Schlussrechnung" zum Ergebnis, dass für einen Zeitraum von 10 Monaten täglich zusätzlich 13,64 Kälber "verfüttert" worden seien und nicht - wie von der Behörde angenommen - zwei bis drei Kälber. Gehe man nun von einem täglichen Milchbedarf eines Kalbes von 20 Litern aus, errechne sich ein tatsächlicher Gesamtbedarf für 30 gehaltene Kälber im Ausmaß von 270 Litern, welchen Bedarf aus näher dargelegten Gründen der Großabnehmer U nicht habe decken können. Die angelieferte Menge von 100 Litern täglich sei daher eine sinnvolle Direktvermarktung, die nicht auf die Erlangung eines nach den betreffenden Vorschriften ungerechtfertigten Vorteiles gerichtet gewesen sei.

2.4. Aus den dargelegten Erwägungen war daher der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer in Höhe von EUR 181,60; ein unter diesem Titel geltend gemachter Ersatz neben dem verzeichneten Schriftsatzaufwandpauschale steht nicht zu. Im Übrigen war eine Eingabengebühr von EUR 180,-- (nicht wie verzeichnet von EUR 181,--) zu entrichten.

2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 23. Juni 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002170226.X00

Im RIS seit

31.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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