Index
L10017 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Tirol;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die namens der Gemeinde Radfeld durch Dr. Karl Heinz Klee, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 38, eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. Jänner 2003, Zl. Ib-17153/4, betreffend Vorstellung in Angelegenheit eines Erschließungsbeitrages (mitbeteiligte Partei: D KG in S), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde sowie den vorgelegten Urkunden ergibt sich Folgendes:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Radfeld vom 18. April 2002 wurde der Mitbeteiligten ein Erschließungsbeitrag nach dem Tiroler Verkehrsaufschließungsgesetz vorgeschrieben.
Die Mitbeteiligte erhob Berufung.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Radfeld vom 7. Oktober 2002 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen.
Dagegen erhob die Mitbeteiligte Vorstellung an die belangte Behörde.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 14. Jänner 2003 gab die belangte Behörde der Vorstellung der Mitbeteiligten Folge und hob den angefochtenen Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Radfeld vom 7. Oktober 2002 auf.
Die Zustellung dieses Bescheides an die Gemeinde Radfeld erfolgte am 17. Jänner 2003.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, von Rechtsanwalt Dr. Karl Heinz Klee namens der Gemeinde Radfeld eingebrachte Beschwerde. Der einschreitende Beschwerdevertreter berief sich auf dem Rubrum des Beschwerdeschriftsatzes auf eine erteilte Vollmacht ("Vollmacht erteilt") und führte auf Seite 2 der Beschwerde näher aus, der Gemeinderat von Radfeld habe in seiner Sitzung vom 6. Februar 2003 unter Tagesordnungspunkt 9 beschlossen, die vorliegende Beschwerde zu erheben und ihn hiermit zu bevollmächtigen.
Mit Berichterverfügung vom 3. April 2003 erging gemäß § 10 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG die Aufforderung, die Vollmacht des einschreitenden Beschwerdevertreters dem Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen vorzulegen.
Der Beschwerdevertreter legte sodann mit Schriftsatz vom 19. Mai 2003 eine mit 14. Mai 2003 datierte Vollmacht der Gemeinde Radfeld vor, in welcher es heißt, diese erteile ihm Prozessvollmacht und ermächtige ihn überdies, die Gemeinde in allen Angelegenheiten sowohl vor Gerichts-, Verwaltungs- und Finanzbehörden als auch außerbehördlich zu vertreten, Prozesse anhängig zu machen und davon abzustehen. Die Vollmacht ist vom Bürgermeister der Gemeinde Radfeld sowie von zwei weiteren Gemeindevertretern unterfertigt. Sie trägt einen Hinweis auf den Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Radfeld in seiner Sitzung vom 6. Februar 2003.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:
Gemäß § 62 Abs. 1 VwGG gilt, soweit das VwGG nicht anderes bestimmt, in Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das AVG.
§ 10 Abs. 1 und 2 AVG lauten:
"§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen."
§ 30 Abs. 1 erster und zweiter Satz der Tiroler Gemeindeordnung 2001 - TGO, LGBl. Nr. 36, lautet:
"§ 30
Aufgaben des Gemeinderates
(1) Der Gemeinderat ist das oberste Organ der Gemeinde. Er hat über alle Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden und die Geschäftsführung der übrigen Gemeindeorgane zu überwachen."
Der dritte Satz des § 30 Abs. 1 TGO enthält eine Aufzählung jener Angelegenheiten, über die der Gemeinderat insbesondere zu entscheiden hat. Die Erteilung von Vollmachten zur Erhebung von Verwaltungsgerichtshofbeschwerden ist darin nicht genannt.
§ 55 Abs. 1, 4 und 5 TGO lautet:
"§ 55
Vertretung der Gemeinde nach außen
(1) Der Bürgermeister vertritt die Gemeinde nach außen.
...
(4) Rechtsgeschäfte und sonstige Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet werden soll, bedürfen der Schriftform, sofern nicht wegen der Geringfügigkeit oder der Art der Angelegenheit die mündliche Form üblich ist. Schriftstücke sind vom Bürgermeister zu unterfertigen. Liegt der Willensbildung ein Beschluss eines Gemeindeorganes zu Grunde, so ist darauf Bezug zu nehmen. In diesen Fällen ist das Schriftstück vom Bürgermeister und von je zwei Mitgliedern des betreffenden Gemeindeorganes zu unterfertigen.
(5) Verstößt ein Rechtsakt gegen den Abs. 4 oder liegt diesem der erforderliche Beschluss eines Gemeindeorganes nicht zu Grunde, so wird die Gemeinde daraus nicht verpflichtet."
Zunächst ergibt sich aus § 55 Abs. 1 TGO, dass die Vollmachtserteilung an den Beschwerdevertreter durch den zur Vertretung der Gemeinde nach außen berufenen Bürgermeister zu erfolgen gehabt hätte. Der in der Beschwerde erwähnte Beschluss des Gemeinderates von Radfeld in seiner Sitzung vom 6. Februar 2003 bewirkte daher für sich genommen keinesfalls eine Vollmachtserteilung an den Einschreiter, weil hier nicht das nach dem Gesetz zur Außenvertretung berufene Organ der Gemeinde tätig geworden ist (vgl. hiezu das zur insofern ähnlichen Bestimmung des § 54 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4, ergangene hg. Erkenntnis vom 19. November 2002, Zl. 99/12/0166, und die dort zitierte Rechtsprechung).
Da sich der Beschwerdevertreter in seiner Beschwerde einerseits auf eine erteilte Vollmacht berufen hat ("Vollmacht erteilt"), andererseits jedoch vorbrachte, seine Vollmacht beruhe auf dem Beschluss des Gemeinderates vom 6. Februar 2003, wurde ihm gemäß § 10 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG aufgetragen, die zu Grunde liegende Vollmacht vorzulegen.
Die nunmehr vorgelegte schriftliche Vollmacht wurde nun zwar von dem zur Vertretung der Gemeinde nach außen berufenen Bürgermeister erteilt, sie nimmt auch - offenbar im Hinblick auf § 55 Abs. 4 dritter und vierter Satz TGO (2001) - auf den Beschluss des Gemeinderates von Radfeld in seiner Sitzung vom 6. Februar 2003 Bezug und enthält die Unterschriften zweier Gemeindevertreter.
Freilich datiert diese Vollmacht vom 14. Mai 2003. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber für die Wirksamkeit einer durch einen Vertreter vorgenommenen fristgebundenen Verfahrenshandlung das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Verfahrenshandlung erforderlich (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1982, Zl. 577/80, Slg. Nr. 10.641A/1982, vom 30. Jänner 1992, Zlen. 91/17/0101, 0102, und vom 25. Februar 1993, Zl. 92/18/0496). Erfolgt hingegen die Begründung des Vollmachtsverhältnisses zur Vertretung bei einer fristgebundenen Verfahrenshandlung erst nach Fristablauf, so bewirkt dies nicht die Rechtswirksamkeit der von dem noch nicht Bevollmächtigten seinerzeit gesetzten Verfahrenshandlungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1986, Zl. 86/08/0016). Da im VwGG und in den Verwaltungsverfahrensgesetzen eine dem § 38 ZPO vergleichbare Regelung nicht getroffen ist, kommt die nachträgliche Genehmigung einer (bis dahin) von einem Scheinvertreter gesetzten fristgebundenen Verfahrenshandlung nicht in Frage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1989, Zl. 88/08/0290, sowie die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1997, Zl. 95/19/1825, und vom 26. Juni 2002, Zl. 2001/04/0209).
Daraus folgt aber, dass die erst am 14. Mai 2003, also nach Ablauf der Beschwerdefrist vom hiezu berufenen Organ der Gemeinde erteilte Vollmacht nicht geeignet war, die Vertretungsbefugnis des Beschwerdevertreters zur Einbringung der vorliegenden Beschwerde namens der Gemeinde Radfeld zu begründen.
Schließlich ist dem Text der vorgelegten Vollmacht auch nicht zu entnehmen, dass damit eine dem Beschwerdevertreter durch den Bürgermeister schon vorher etwa mündlich erteilte Vollmacht beurkundet werden sollte.
Darüber hinaus wäre aber - und dadurch unterscheidet sich § 55 TGO (2001) von der Rechtslage nach § 54 Abs. 2 TGO 1966, welche insofern vergleichbare Regelungen lediglich für privatrechtliche Verpflichtungen der Gemeinde vorsah - eine bloß mündlich erteilte Vollmacht vorliegendenfalls im Hinblick auf § 55 Abs. 4 erster Satz TGO (2001) im Zusammenhalt mit § 55 Abs. 5 leg. cit. unwirksam. Nach der erstgenannten Bestimmung bedürfen nämlich Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet werden soll, der Schriftform, sofern nicht wegen der Geringfügigkeit oder der Art der Angelegenheit die mündliche Form üblich ist. Verstößt ein Rechtsakt gegen den Abs. 4, so wird die Gemeinde daraus gemäß § 55 Abs. 5 TGO nicht verpflichtet. Die hier in Rede stehende Vollmachtserteilung ist einer Erklärung, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, gleichzuhalten, weil sie zur Folge hätte, dass alle von der Vollmacht erfassten, vom Beschwerdevertreter namens der Gemeinde gesetzten Prozesshandlungen, also auch solche, die zu Verpflichtungen der Gemeinde führten, Letzterer zuzurechnen wären. Es ist auch nicht erkennbar, dass in Ansehung einer Vollmachtserteilung wie der gegenständlichen - welcher sogar eine Beschlussfassung durch den Gemeinderat zu Grunde lag - wegen der Geringfügigkeit oder der Art der Angelegenheit die mündliche Form üblich wäre. Daraus wiederum folgt, dass eine durch die vorgelegte Vollmacht etwa bloß beurkundete vorangegangene mündliche Vollmachtserteilung durch den Bürgermeister an den Beschwerdevertreter mangels Einhaltung der in § 55 Abs. 4 erster Satz TGO vorgesehenen Schriftform deswegen unwirksam wäre, weil ihr Inhalt untrennbar ist und daher in sich schließt, dass die Gemeinde im gedachten Falle ihrer Wirksamkeit durch Handlungen des Bevollmächtigten auch verpflichtet würde. Stand aber § 55 Abs. 4 erster Satz TGO der Wirksamkeit einer mündlichen Vollmacht solcherart entgegen, so bedeutet dies für den vorliegenden Fall, dass die Rechtshandlungen des namens der Gemeinde einschreitenden Rechtsanwaltes auf Grund einer diesem - allenfalls - vom Bürgermeister zwar rechtzeitig, jedoch bloß mündlich erteilten Vollmacht eben nicht zurechenbar wären, weil jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könnte, dass der Gemeinde hieraus Pflichten (und nicht bloß Rechte) erwüchsen.
Die namens der Gemeinde erhobene Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 23. Juni 2003
Schlagworte
Formgebrechen behebbare Bevollmächtigung Formgebrechen behebbare Vollmachtsvorlage Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters nachträgliche VollmachtserteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003170096.X00Im RIS seit
12.11.2003