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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2001/01/0511 E 24. Juni 2003Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des O in G, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. September 2001, Zl. 2- 11. O/194 - 01/9, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau sowie auf die zwei gemeinsamen Kinder gemäß §§ 10 Abs. 1, 10a, 11, 16, 17 und 18 in Verbindung mit § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) "i.d.g.F." ab.
Begründend traf sie nach Darstellung der Rechtslage und einem Hinweis auf die mangelhaften und unzureichenden Deutschkenntnisse der Ehefrau des Beschwerdeführers die Feststellung, der Beschwerdeführer lebe seit Juli 1991 in Österreich und könne somit einen zehnjährigen Inlandswohnsitz nachweisen. Weiters stehe fest, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers seit Jänner 1996 in Österreich lebe und dass die gemeinsamen minderjährigen Kinder in Österreich geboren worden seien. Da gemäß § 10a StbG unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache Voraussetzung jeglicher Verleihung seien, sei zu prüfen gewesen, ob der Beschwerdeführer und seine Ehefrau entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache hätten. Bei der ersten Vorsprache am 31. Mai 2001 sei festgestellt worden, dass die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers den Lebensumständen entsprechend, jene seiner Ehefrau jedoch noch mangelhaft und unzureichend gewesen seien. Bei einer neuerlichen Vorsprache am 30. Juli 2001 sei abermals versucht worden, mit der Ehefrau des Beschwerdeführers ein informelles Gespräch zu führen, indem ihr einfache Fragen über das tägliche Leben gestellt worden seien. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe Fragen, die ihr bereits beim ersten Gespräch gestellt worden seien, scheinbar verstanden, andere Fragen habe sie erst nach mehreren Wiederholungen und Umformulierungen verstanden; sie habe teilweise nur in unvollständigen Sätzen bzw. mit - teilweise unverständlichen - Wortbrocken antworten können. Ihr Wortschatz sei noch so gering, dass ein fließendes Gespräch - trotz Formulierung einfachster Sätze und des Gebrauches einer einfachen Sprache - mit ihr nicht möglich sei.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass bei der Ermessensausübung gemäß § 11 StbG die Behörde nicht nur Sachverhalte heranziehen dürfe, in denen ein strafbares Verhalten des Einbürgerungswerbers gelegen sei, sondern darüber hinaus alle Vorfälle berücksichtigen könne, aus denen Anhaltspunkte für die Beurteilung seiner Persönlichkeit gewonnen werden könnten. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit zehn Jahren in Österreich lebe und sonst nicht negativ in Erscheinung getreten sei, werde zu seinen Gunsten in die Beurteilung des Gesamtverhaltens miteinbezogen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers lebe bereits seit mehr als fünf Jahren in Österreich und habe es bisher verabsäumt, sich entsprechende Deutschkenntnisse anzueignen. Diese seien Voraussetzung jeglicher Verleihung und sollten schon vor Verleihung der Staatsbürgerschaft erworben werden. Es stehe fest, dass die Deutschkenntnisse der Ehefrau des Beschwerdeführers unzureichend seien, wobei ihre Tätigkeit als Hausfrau berücksichtigt worden sei. Sprachkenntnisse seien ein wesentliches Indiz einer erfolgreichen Integration in Österreich. Nach der Absicht des Gesetzgebers sei § 10a StbG nicht nur auf die Ermessenstatbestände eingeschränkt, sondern auch bei Verleihungen nach den §§ 11a bis 14 sowie den §§ 16 und 17 StbG zu berücksichtigen. So gesehen sei es ohne Bedeutung, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzung des zehnjährigen Inlandswohnsitzes erfülle, da auch im Fall des § 10 Abs. 1 StbG entsprechende Deutschkenntnisse Voraussetzung einer Verleihung seien. Auch die Erstreckung der Verleihung könne nur bei entsprechenden Deutschkenntnissen erfolgen. Insbesondere auf Grund der unzureichenden Deutschkenntnisse der Ehefrau des Beschwerdeführers sei zu erkennen, dass die Integration des Beschwerdeführers und seiner Familie noch nicht in ausreichendem Maße gegeben bzw. abgeschlossen sei und somit die Ermessensentscheidung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers getroffen werden könne. Die Erstreckungsanträge seien ebenfalls abzuweisen gewesen, da die Erstreckung der Verleihung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden dürfe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lauten auszugsweise:
"Verleihung
§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn...
§ 10a. Voraussetzungen jeglicher Verleihung sind unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache.
§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen.
...
§ 16. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 auf seinen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zu erstrecken, wenn ...
...
§ 17. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 zu erstrecken auf
1. die ehelichen Kinder des Fremden,
...
§ 18. Die Erstreckung der Verleihung darf nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden."
Bei den Sprachkenntnissen gemäß § 10a StbG handelt es sich um eine Verleihungsvoraussetzung, die - ebenso wie die Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z 1 bis 8 StbG - in "gebundener " Entscheidung zu beurteilen ist. Liegen alle sachverhaltsbezogen notwendigen Verleihungsvoraussetzungen vor, ist in einem nächsten Schritt eine Ermessensentscheidung gemäß § 11 StbG zu treffen.
Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft auf § 11 StbG gestützt und hat damit zu erkennen gegeben, dass für den Beschwerdeführer die genannten Verleihungsvoraussetzungen gegeben seien; das Vorliegen der Voraussetzung des zehnjährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet bejahte sie ausdrücklich. Das Ermessen gemäß § 11 StbG hat die belangte Behörde im Hinblick auf den Beschwerdeführer aber insofern rechtswidrig geübt, als sie in unzulässiger Weise von den angeblich mangelhaften Deutschkenntnissen der Ehefrau des Beschwerdeführers (als Erstreckungswerberin) auf die fehlende "Integration des (Beschwerdeführers) und seiner Familie" geschlossen hat.
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann nämlich allein daraus, dass es einem Familienmitglied des Beschwerdeführers an entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache fehlt, ohne Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Falles nicht darauf geschlossen werden, dass beim Beschwerdeführer persönlich keine ausreichende Integration gegeben wäre (vgl. das Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2001/01/0357). Zur Beantwortung dieser Frage sind vielmehr Feststellungen erforderlich, die eine Beurteilung erlauben, in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer selbst beruflich und persönlich integriert ist (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 2002, Zl. 2002/01/0214).
Der belangten Behörde war es daher verwehrt, ihre Ermessensübung an Umständen zu orientieren, die allein in der Person der Erstreckungswerberin begründet waren. Damit hat die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die im Betrag von S 2.500,-- angefallene Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am 24. Juni 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001010502.X00Im RIS seit
21.07.2003