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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §27 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde der L in Wien, vertreten durch Dr. Günther Steiner, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Trautsongasse 6, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 13. April 2001, Zl. MA 61/III - S 70/99, betreffend Feststellung des Verlustes der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus der Aktenlage ergibt sich - unbestritten - Folgendes:
Die Beschwerdeführerin wurde am 13. August 1961 als Tochter einer österreichischen Staatsbürgerin und eines italienischen Staatsangehörigen in Italien geboren. Mit der Geburt erwarb sie die österreichische Staatsbürgerschaft.
Am 9. November 1988 erkannte der Vater der Beschwerdeführerin seine Vaterschaft zu ihr ausdrücklich an; die Beschwerdeführerin nahm seinen Familiennamen an.
Am 28. Februar 1989 langte bei der belangten Behörde ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft ein, in dem sie auf die Möglichkeit des Erwerbs der italienischen Staatsangehörigkeit und auf die dadurch für sie und auch für die österreichische Wirtschaft verbundenen Vorteile einer in Italien ausgeübten Berufstätigkeit hinwies. Zu diesem Antrag ist in einer mit der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde am 7. März 1989 aufgenommenen Niederschrift ua Folgendes festgehalten:
"Ich werde jede bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens allenfalls eintretende Änderung meiner persönlichen Verhältnisse unaufgefordert dem Amt mitteilen. Ich werde unaufgefordert und ehestmöglich noch folgende Schriftstücke dem Amt vorlegen: Ein Schreiben meines Dienstgebers über meine Leistungen, die eine Bewilligung der Beibehaltung der österr. Staatsbürgerschaft ermöglichen sollen. Ich weiß, daß ich die italienische Staatsangehörigkeit erst erwerben darf, bis ich den Bescheid über die Bewilligung der Beibehaltung in Händen habe."
In der Folge wurden der belangten Behörde die zugesagte Bestätigung des Dienstgebers der Beschwerdeführerin sowie ein Schreiben ihrer Mutter übermittelt.
Am 29. März 1989 hat die Beschwerdeführerin vor der dafür zuständigen Behörde in Mailand die Erklärung abgegeben, dass sie die italienische Staatsbürgerschaft "wähle". Einer Kopie eines Auszuges aus dem Geburtenbuch der Geburtsstadt der Beschwerdeführerin (Savona) ist aus der sie betreffenden Eintragung Nr. 894 zu entnehmen, dass im Staatsbürgerschaftsregister der Gemeinde Mailand vermerkt sei, die Beschwerdeführerin habe am 29. März 1989 erklärt, die italienische Staatsangehörigkeit "zu wählen".
Mit Bescheid vom 3. Juli 1989 bewilligte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall des Erwerbes der italienischen Staatsangehörigkeit und fügte hinzu, dass diese Bewilligung erlösche, wenn die fremde Staatsangehörigkeit nicht binnen zwei Jahren nach der Zustellung dieses Bescheides erworben werde.
Am 23. Dezember 1999 teilte die österreichische Botschaft in Italien der belangten Behörde mit, dass die Beschwerdeführerin in Rom um Ausstellung eines österreichischen Reisepasses angesucht habe. Dabei habe sie eine Bestätigung über die am 29. März 1989 erworbene italienische Staatsangehörigkeit sowie den Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 1989 über die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft vorgelegt. Es werde um "dringende Prüfung der Staatsbürgerschaftsangelegenheit" gebeten.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2000 teilte die belangte Behörde der österreichischen Botschaft in Rom mit, dass die Beschwerdeführerin durch ihre im März 1989 abgegebene Erklärung, die italienische Staatsangehörigkeit "zu wählen", nicht mehr österreichische Staatsbürgerin sei. Der Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 1989 über die Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall des Erwerbes der italienischen Staatsangehörigkeit habe daher keine Rechtswirkungen entfalten können.
In einer an die belangte Behörde gerichteten Stellungnahme vom 14. Februar 2001 wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sie zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt hätte, ausschließlich die italienische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Sie sei von den positiven Zusagen des damaligen Sachbearbeiters der belangten Behörde betreffend "Beibehaltung" bestärkt worden und überzeugt gewesen, bereits die italienische Staatsbürgerschaft - zusätzlich zur österreichischen - annehmen zu können. Dies sei knapp einen Monat nach dem Antrag auf Beibehaltung, nämlich am 29. März 1989 erfolgt. Die Beschwerdeführerin habe damit die italienische Staatsangehörigkeit durch Abstammung vom Vater angenommen. In der Folge habe sie dann den Bewilligungsbescheid vom 3. Juli 1989 erhalten, der sie bis Dezember 2000 Glauben gemacht habe, weiterhin österreichische Staatsbürgerin zu sein. Unstrittig sei die italienische Staatsangehörigkeit bereits vor Erlassung des Bescheides vom 3. Juli 1989 erworben worden. Die hier vorliegende Willenserklärung zur Annahme auch der italienischen Staatsangehörigkeit habe klar die Ermöglichung des Zusammenlebens sowohl mit dem Vater als auch mit der Mutter in unterschiedlichen Staaten zum Ziel gehabt, keinesfalls aber den exklusiven Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit.
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, die Beschwerdeführerin habe "durch den Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit am 29. März 1989 die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren". Sie sei nicht österreichische Staatsbürgerin. Nach Wiedergabe der von der belangten Behörde angewendeten staatsbürgerschaftsrechtlichen Bestimmungen traf sie Feststellungen im Sinne des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Beschwerdeführerin durch ihre Erklärung vom 29. März 1989 die italienische Staatsangehörigkeit erworben habe. Dadurch habe sie gleichzeitig gemäß § 27 Abs. 1 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft verloren, weil ihr vorher nicht deren Beibehaltung bewilligt worden sei. Der Bescheid vom 3. Juli 1989 über die Bewilligung der Beibehaltung der Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin für den Fall des Erwerbes der italienischen Staatsangehörigkeit habe keine Rechtswirkungen mehr entfalten können, weil die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides nicht mehr im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft gewesen sei. Zu der von der Beschwerdeführerin im Zuge des Ermittlungsverfahrens abgegebenen Stellungnahme vom 14. Februar 2001 hielt die belangte Behörde fest, dass die Willenserklärung zum Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit unstrittig vor Erlassung des Bewilligungsbescheides von der Beschwerdeführerin abgegeben worden sei. Argumente, die gegen die Freiwilligkeit dieses Staatsangehörigkeitserwerbes sprächen, lägen nicht vor. Die Motive des Erwerbs der fremden Staatsangehörigkeit - etwa das Zusammenleben mit dem Vater - seien dabei ohne Belang. Der Verlust der Staatsbürgerschaft wäre nur dann gehindert worden, wenn vor dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden wäre. Eine nachträgliche Bewilligung der Beibehaltung der bereits verlorenen österreichischen Staatsbürgerschaft sei rechtlich nicht möglich. Der Bewilligungsbescheid vom 3. Juli 1989 habe daher keine Rechtswirkungen entfalten können.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattet hat, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) lauten auszugsweise:
"Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit
§ 27. (1) Die Staatsbürgerschaft verliert, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist. ...
§ 28. (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 124)
(1) Einem Staatsbürger ist für den Fall des Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit (§ 27) die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft zu bewilligen, wenn
1. sie wegen der von ihm bereits erbrachten oder von ihm noch zu erwartenden Leistungen oder aus einem besonders berücksichtigungswürdigen Grunde im Interesse der Republik liegt;
2. der fremde Staat, dessen Staatsangehörigkeit er anstrebt, der Beibehaltung zustimmt, sofern eine solche Zustimmung in zwischenstaatlichen Verträgen vorgesehen ist, und
3. die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 4 sowie 6 und 8 sinngemäß erfüllt sind.
(2) Die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft darf nur auf schriftlichen Antrag und unter der Bedingung bewilligt werden, dass die fremde Staatsangehörigkeit binnen zwei Jahren erworben wird.
(3) ...
(4) Der Bescheid, mit dem die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt wird, ist schriftlich zu erlassen."
Nach Art. 1 Z 1 des Gesetzes Nr. 555 vom 13. Juni 1912 über die italienische Staatsangehörigkeit ist das Kind eines staatsangehörigen Vaters (italienischer) Staatsbürger auf Grund Geburt. Gemäß Art. 2 leg. cit. behält ein volljähriges Kind eines Vaters mit italienischer Staatsangehörigkeit die eigene Staatsangehörigkeit, kann jedoch binnen eines Jahres nach der Anerkennung (der Vaterschaft) erklären, dass es die durch die Abstammung bestimmte (italienische) Staatsangehörigkeit wähle.
Im Hinblick auf diese Rechtslage kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie der - oben wiedergegebenen - Erklärung der Beschwerdeführerin vom 29. März 1989 die Bedeutung beigemessen hat, dass die Beschwerdeführerin dadurch die italienische Staatangehörigkeit erworben habe. Auch die Beschwerdeführerin selbst hält in ihrer Beschwerde daran fest, dass sie unter Zugrundelegung der hiefür in Betracht kommenden ausländischen Rechtsnormen am 29. März 1989 die italienische Staatsbürgerschaft durch Erklärung rechtswirksam erworben hat. Mit einer solchen Erklärung ist gemäß § 27 Abs. 1 StbG ex lege der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft verbunden (vgl. das Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 91/01/0213).
Die Beschwerdeführerin bringt nun - wie bereits im Verwaltungsverfahren - in ihrer Beschwerde vor, durch die Annahme der italienischen Staatsangehörigkeit sei es zu keinem Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft gekommen, weil sie die italienische Staatsangehörigkeit nur unter der Voraussetzung habe annehmen wollen, dass ihr die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft bewilligt werde. Dem ist entgegen zu halten, dass der Irrtum über die Auswirkungen des gewollten Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit auf die österreichische Staatsbürgerschaft - selbst wenn er unverschuldet wäre - die Rechtswirksamkeit eines auf den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Antrages im Sinne des § 27 Abs. 1 StbG nicht zu beseitigen vermag. Die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG soll klar stellen, dass der Verlust eintritt, wenn der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtete Willenserklärung abgibt (vgl. das Erkenntnis vom 11. Juni 2002, Zl. 2000/01/0169). Der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft tritt unabhängig davon ein, ob er beabsichtigt war, auch wenn die/der Betroffene die österreichische Staatsbürgerschaft beibehalten wollte (vgl. das Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0722).
Zudem - so die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde weiter -
sei auch deshalb kein Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft eingetreten, weil es erklärter Wille der belangten Behörde gewesen sei, ihr die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu bewilligen. Dabei übersieht die Beschwerdeführerin jedoch, dass der "Wille der Behörde" erst im Bescheid vom 3. Juli 1989 seien Ausdruck fand, während die Erklärung zum Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit bereits am 29. März 1989 abgegeben worden ist. Nun ergibt sich aus dem Gesetz, dass mit dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft verbunden ist, ausgenommen im Fall der Bewilligung ihrer Beibehaltung, und es entspricht auch dem allgemeinen Sprachgebrauch und den Denkgesetzen, dass die "Beibehaltung" der Staatsbürgerschaft nach einem Verlust nicht mehr möglich ist (vgl. das Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 91/01/0213; aus der Literatur vgl. Mussger/Fessler/Szymanski, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht5, S 105, nach denen eine nachträgliche Bewilligung der Beibehaltung ins Leere geht und den bereits eingetretenen Verlust der Staatsbürgerschaft nicht rückgängig zu machen vermag; nach Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, II, S. 305 f, ist dieses Verständnis durch den eindeutigen Gesetzeswortlaut, wonach die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft vorher bewilligt worden sein muss, gedeckt).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die belangte Behörde die Rechtslage richtig beurteilt hat, wenn sie mit dem Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit durch die Beschwerdeführerin den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft verbunden und dem danach ergangenen Bewilligungsbescheid keine Bedeutung für dieses Ergebnis beigemessen hat.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels, die Beschwerdeführerin sei mit den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht konfrontiert worden, nicht dargestellt wurde, weshalb sich eine nähere Behandlung der Verfahrensrüge erübrigt.
Da sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 24. Juni 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001010588.X00Im RIS seit
28.07.2003