TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/24 2001/01/0490

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2003
beobachten
merken

Index

41/02 Staatsbürgerschaft;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

FlKonv Art1 AbschnA Z2;
StbG 1985 §10 Abs5 Z4;
StbG 1985 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des C in Wien, vertreten durch Dr. Eva Roland und Dr. Manfred Roland, Rechtsanwälte in 1130 Wien, Eitelbergergasse 7, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. September 2001, Zl. MA 61/IV - C 795/2000, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß § 10 i.V. mit § 11 StbG" ab.

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer, am 2. Oktober 1969 geboren, syrischer Staatsangehöriger und "als Konventionsflüchtling anerkannt" lebe seit September 1990 in Österreich, studiere seit dieser Zeit und sei ledig. Seine Deutschkenntnisse entsprächen seinen Lebensumständen. Am 27. Juli 1999 sei der Beschwerdeführer wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu einer Geldstrafe von S 2.400,-- verurteilt worden. Diese Strafe werde erst am 27. Juli 2004 getilgt sein. Daneben fänden sich "zahlreiche Verwaltungsstrafen nach dem KFG, der StVO, der TaxiBO und dem WLSG.

In rechtlicher Hinsicht gab die belangte Behörde die von ihr angewendeten Vorschriften des Staatsbürgerschaftsgesetzes wieder und stellte allgemeine Überlegungen zur Ausübung des freien Ermessens gemäß § 11 StbG an, um dann auf den Beschwerdeführer bezogen anzumerken, dass besonders ins Gewicht falle, dass dieser trotz Anhängigkeit seines Verleihungsverfahrens straffällig geworden sei. Im Hinblick auf diesen Sachverhalt sei er im März 2000 niederschriftlich darüber informiert worden, dass eine positive Ermessensübung nicht beabsichtigt sei, weil es sich bei der gerichtlichen Vorstrafe um eine Vorsatztat gehandelt habe, die Straftat während der Anhängigkeit des Verleihungsverfahrens gesetzt worden und noch nicht getilgt sei. Die daneben bestehenden Verwaltungsstrafen - insbesondere wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitungen - hätten das sich vom Beschwerdeführer bietende Gesamtbild abgerundet. Die von ihm abgegebene Stellungnahme, wonach es sich bei der gerichtlichen Straftat um einen typischen Anwendungsfall einer Diversion im Sinne der §§ 90 a ff StPO gehandelt habe, könne "im gegenständlichen Fall nichts bringen". Der relevante Strafakt sei von der belangten Behörde eingesehen worden, die somit die näheren Umstände und den Zeitpunkt der Tatbegehung einer Prüfung und Würdigung unterzogen habe. Aber auch im Falle einer Diversion müsse davon ausgegangen werden, dass das inkriminierte Verhalten gesetzt worden sei. Der belangten Behörde stehe es im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung frei, diesen Umstand in die Entscheidung einfließen zu lassen. Im Hinblick auf das sich der Verleihungsbehörde bietende Gesamtbild sei daher eine positive Ermessensübung "nicht indiziert" gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 11 StbG in der hier anzuwendenden Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, sieht zur Ermessensübung Folgendes vor:

"§ 11.

Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."

Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG erfülle. Sie vertrat allerdings die Ansicht, dass sie das ihr damit offen stehende Ermessen im Hinblick auf die von ihm begangenen gerichtlich und verwaltungsbehördlich strafbaren Handlungen nicht zu seinen Gunsten üben könne. Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. Jänner 2001, Zl. 2000/01/0058).

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde - aus dort näher dargelegten Gründen - geltend, die belangte Behörde habe das "freie Ermessen" nicht gesetzmäßig geübt.

Dieser Einschätzung ist im Ergebnis beizutreten. Die belangte Behörde hat nämlich im Rahmen ihrer Ermessensübung - soweit erkennbar - nicht auf den Umstand Bedacht genommen, dass der Beschwerdeführer anerkannter Flüchtling ist. Dabei handelt es sich jedoch um einen wesentlich für die Einbürgerung des Beschwerdeführers sprechenden Gesichtspunkt (vgl. § 10 Abs. 5 Z 4 StbG sowie das Erkenntnis vom 25. März 2003, Zl. 2002/01/0229), sodass näher darzustellen gewesen wäre, warum ungeachtet dessen sein Fehlverhalten einer Verleihung der Staatsbürgerschaft aus den Gründen des § 11 StbG entgegenstehe. Im Übrigen fehlen Feststellungen über die näheren Umstände der im angefochtenen Bescheid erwähnten gerichtlich strafbaren Handlung und über die nur nach dem Rechtsgebiet umschriebenen verwaltungsbehördlich bestraften Taten.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 24. Juni 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001010490.X00

Im RIS seit

28.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten