TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/24 2003/11/0046

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Veröffentlicht am 24.06.2003
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AVG §19;
AVG §56;
B-VG Art130 Abs2;
SGG §9 Abs1 impl;
SGG §9 impl;
SMG 1997 §12 Abs1;
SMG 1997 §12;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 10. Februar 2003, Zl. VI-35/1, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem Suchtmittelgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Ladungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 10. Februar 2003 wurde der Beschwerdeführer (unter Verwendung des Formulars 2 zu § 19 AVG) unter Angabe des Gegenstandes "amtsärztliche Untersuchung wegen Übertretung des Suchtmittelgesetzes gemäß § 12 SMG " für den 6. März 2003 um

14.30 Uhr zur belangten Behörde vorgeladen. Es wurde ihm mitgeteilt, dass er persönlich kommen müsse, für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung wurde eine Zwangsstrafe von EUR 100,-- angedroht.

Diesem Ladungsbescheid gemäß § 19 AVG lag zu Grunde, dass der Gendarmerieposten Götzis eine mit 18. Jänner 2003 datierte Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet habe, worin angeführt werd, dass C. M. (offenbar die Freundin des Beschwerdeführers) am 20. November 2002 auf der A 14, Autobahnparkplatz Dornbirn-Nord, von der Zollwache kontrolliert worden sei. Bei dieser Kontrolle sei ein Marihuana-Joint gefunden worden. Den Angaben der C. M. zufolge stamme der Joint vom Beschwerdeführer, der manchmal Cannabis konsumiere. Der Beschwerdeführer sei im Jahre 1998 wegen § 27 Abs. 1 SMG bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch angezeigt worden ("Schmuggel von 3 Gramm C-Kraut").

In der dieser Anzeige zu Grunde liegenden Niederschrift der Zollwachebeamten des Zollamtes Höchst vom 21. November 2002 wurde festgehalten, dass im Zuge der Zollkontrolle der C. M. beim Öffnen der Wagentür aus dem Wageninneren Marihuanageruch gedrungen sei. Auf dem Beifahrersitz sei zwischen einer Decke ein bereits angerauchter Joint gelegen. C. M. habe bestritten, Cannabis zu konsumieren. Der ihrer Mutter gehörige PKW werde von ihr, manchmal auch vom Beschwerdeführer verwendet. Zuletzt habe der Beschwerdeführer, der manchmal Cannabis konsumiere, den PKW am Morgen des Kontrolltages verwendet. Auf Grund des sehr nervösen und unsicheren Verhaltens der C. M. sei anzunehmen, dass auch sie Cannabiskonsumentin ist.

Gegen den genannten Ladungsbescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Suchmittelgesetzes (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, lauten auszugsweise:

"2. Abschnitt

Gesundheitsbezogene Maßnahmen bei Suchtgiftmissbrauch

§ 11. (1) Personen, die wegen Suchtgiftmissbrauchs oder der Gewöhnung an Suchtgift gesundheitsbezogener Maßnahmen gemäß Abs. 2 bedürfen, haben sich den notwendigen und zweckmäßigen, ihnen nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu unterziehen. ...

(2) Gesundheitsbezogene Maßnahmen sind

1.

die ärztliche Überwachung des Geisteszustandes,

2.

die ärztliche Behandlung einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung,

3.

die klinisch-psychologische Beratung und Betreuung,

4.

die Psychotherapie sowie

5.

die psychosoziale Beratung und Betreuung

durch qualifizierte und mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertraute Personen.

...

§ 12. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine Person Suchtgift missbraucht, so hat sie die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde der Begutachtung durch einen mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertrauten Arzt, der erforderlichenfalls mit zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten Angehörigen des klinischpsychologischen oder psychotherapeutischen Berufes zusammen zu arbeiten hat, zuzuführen. Die Person hat sich den hiefür notwendigen Untersuchungen zu unterziehen.

(2) Ergibt die Begutachtung, dass eine gesundheitsbezogene Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 notwendig ist, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darauf hinzuwirken, dass sich die Person einer solchen zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen Maßnahmen unterzieht. ... .

...

§ 14. (1) Steht eine Person, die Suchtgift missbraucht, im Verdacht, eine nach § 27 Abs. 1 mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde nur dann Strafanzeige zu erstatten, wenn sich die Person den notwendigen, zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen gemäß § 11 Abs. 2 nicht unterzieht.

...

(2) Die Sicherheitsbehörden haben der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde die von ihnen wegen des Verdachts einer nach den §§ 27 oder 28 mit Strafe bedrohten Handlung an die Staatsanwaltschaft erstatteten Anzeige unverzüglich mitzuteilen.

§ 19 AVG lautet (auszugsweise):

"§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. ... .

(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekannt zu geben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.

(3) Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.

(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."

Im Hinblick auf die in der angefochtenen Erledigung enthaltene Androhung von Zwangsstrafen für den Fall des Nichterscheinens vor der Behörde zum angegebenen Zeitpunkt besteht kein Zweifel, dass es sich dabei um einen Ladungsbescheid im Sinne des § 19 AVG handelt. Gemäß § 19 Abs. 4 AVG war dagegen kein Rechtsmittel zulässig. Die Voraussetzungen für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof liegen vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit § 12 SMG bereits mehrfach die Auffassung vertreten, dass dann, wenn der Verdacht gegeben ist, eine Person missbrauche Sichtgift, im Hinblick auf allenfalls zu setzende ärztliche Maßnahmen Raschheit geboten sei. Im Regelfall könne daher nicht gesagt werden, dass es gleichgültig sei, ob der Betreffende früher oder später bei der Behörde erscheine, weshalb der Behörde eine Überschreitung des Auswahlermessens hinsichtlich der Form der Ladung nicht vorzuwerfen sei, wenn sie sich für einen Ladungsbescheid entscheidet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 2001, Zl. 2001/11/0134, und vom 26. Februar 2001, Zl. 2001/11/0348). Zutreffend führt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang aus, dass Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Ladungsbescheides zur Verfolgung der im § 12 Abs. 1 SMG umschriebenen gesundheitspolizeilichen Zwecke ist, dass bestimmte Tatsachen zur Annahme zwingen, dass "eine Person Suchtgift missbraucht", wobei im Hinblick auf den Regelungsgegenstand als tatbestandsmäßig anzusehen ist, dass der Suchtgiftmissbrauch in der Person des Betreffenden selbst gelegen sein muss. Das Vorhandensein derartiger "bestimmter Tatsachen" muss im Zeitpunkt der Ladung (hier: Erlassung des Ladungsbescheides) gegeben sein (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall jedoch nicht erfüllt.

Die belangte Behörde beruft sich für die Annahme, dass der Beschwerdeführer Suchtgift missbraucht, auf die Aussage von C. M., die jedoch selbst im Verdacht des Suchtgiftmissbrauches steht. Den Angaben von C.M. können jedoch keine konkreten Hinweise bezüglich des behaupteten Suchtgiftkonsums des Beschwerdeführers (insbesondere betreffend den Zeitpunkt) entnommen werden, weshalb diese Aussage für die Annahme, der Beschwerdeführer habe in jüngerer Zeit Suchtgift missbraucht, nicht geeignet ist. Daran ändert auch der Hinweis der belangten Behörde auf die gegen den Beschwerdeführer erhobene Strafanzeige des Gendarmerieposten Götzis vom 25. August 1998 nichts, und zwar schon im Hinblick auf die mittlerweile verstrichene Zeit. Im Übrigen kann dieser Anzeige nicht entnommen werden, dass der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt selbst Suchtgift missbraucht hat.

In Ermangelung bestimmter Tatsachen im Sinne des § 12 Abs. 1 SMG durfte daher die belangte Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht annehmen, dass in diesem Zeitpunkt ein Suchtgiftmissbrauch stattfinde oder aber nur kurze Zeit zurückliegend Suchtgift missbraucht wurde. Fehlte aber die entscheidende Voraussetzung für einen Ladungsbescheid, so erweist sich die vorgenommene Ladung als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. Juni 2003

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003110046.X00

Im RIS seit

24.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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