TE Vfgh Erkenntnis 2000/3/15 G141/99 ua

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Veröffentlicht am 15.03.2000
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
EStG 1988 §30 Abs8

Leitsatz

Zulässigkeit von Individualanträgen auf Aufhebung von Bestimmungendes EStG 1988 betreffend die Verpflichtung von Kreditinstituten zurEinbehaltung und Abfuhr der Spekulationsertragsteuer wegen aktuellerBetroffenheit bereits vor dem eigentlichen Anwendungszeitpunkt durchdie Notwendigkeit umfangreicher Vorbereitungen; keine sachlicheRechtfertigung der Verpflichtung zur Steuerabfuhr außerhalb derEffektengeschäfte mangels Verfügbarkeit der für die Abfuhrerforderlichen Daten und/oder der für die Steuerentrichtung inBetracht kommenden finanziellen Mittel für das Kreditinstitut; keineFristsetzung im Hinblick auf die Legisvakanz

Spruch

I. 1.a) In §30 Abs8 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 idF BGBl. Nr. I 106/1999, werden Z7 erster und dritter Satz sowie im zweiten Satz das Wort "anderen", Z8 erster Satz sowie im zweiten Satz das Wort "anderen" und Z9 als verfassungswidrig aufgehoben.

b) Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

2. Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt I kundzumachen.

II. Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, den antragstellenden Gesellschaften die mit je ATS 29.500,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit ihren auf Art140 Abs1, letzten Satz, B-VG gestützten, zu G141/99 bis G150/99 protokollierten Anträgen begehren die antragstellenden Gesellschaften - es sind dies zehn Kreditinstitute - hinsichtlich §30 Abs8 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. 400/1988 idF des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl. I 106/1999,

"1. Z7 Satz 1 und Satz 3, Z8 Satz 1 und Z9, in eventu

2.

nur Z7 Satz 1 und Z8 Satz 1 und Z9, in eventu

3.

nur Z7 Satz 1 und Satz 3 und Z8 Satz 1, in eventu

4.

nur Z7 Satz 1 und Z8 Satz 1, in eventu

5.

nur Z7 Satz 1, in eventu

6.

nur Z7 Satz 1 und Z9, in eventu

7.

diesen Absatz (Abs8) in seiner Gesamtheit, in eventu

8.

diesen Absatz (Abs8) in seiner Gesamtheit und im §124b Z37 Satz 1 EStG 1988 (gleichfalls idF SteuerreformG 2000, BGBl I 1999/106) die Wortfolge ', Abs8', in eventu

9.

lediglich die Wortfolge 'oder der Entnahme aus dem Depot' in Z7 Satz 3, in eventu

10.

lediglich Z8 Satz 1, in eventu

11.

lediglich Z9"

als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Zu den Gesetzesprüfungsanträgen hat die Bundesregierung aufgrund ihres Beschlusses vom 11. Jänner 2000 eine Äußerung erstattet, in welcher sie den Antrag stellt, diese Gesetzesprüfungsanträge zurückzuweisen bzw. die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung wird beantragt, gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.

3. Die antragstellenden Gesellschaften haben zur Äußerung der Bundesregierung jeweils eine Replik erstattet.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat die Normprüfungsverfahren in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VerfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

II. Zur Rechtslage:

1.1. Die in den Anträgen angefochtenen und die mit ihnen inhaltlich zusammenhängenden gesetzlichen Bestimmungen des §30 Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. 400/1988 idF des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl. I 106/1999 (im folgenden: EStG 1988), haben folgenden Wortlaut (die mit den Hauptanträgen angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Spekulationsgeschäfte

§30. (1) Spekulationsgeschäfte sind:

1.

Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:

a)

Bei Grundstücken und anderen Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, nicht mehr als zehn Jahre. Für Grundstücke, bei denen innerhalb von zehn Jahren nach ihrer Anschaffung Herstellungsaufwendungen in Teilbeträgen gemäß §28 Abs3 abgesetzt wurden, verlängert sich die Frist auf fünfzehn Jahre.

b)

Bei Wertpapieren im Sinne des §1 Abs1 des Depotgesetzes, bei sonstigen Beteiligungen und Forderungen nicht mehr als zwei Jahre.

c)

Bei anderen Wirtschaftsgütern nicht mehr als ein Jahr.

2.

Termingeschäfte einschließlich Differenzgeschäfte, weiters innerhalb von zwei Jahren abgewickelte Optionsgeschäfte einschließlich geschriebene Optionen und Swaphandelsgeschäfte.

Wurde das Wirtschaftsgut oder die rechtliche Stellung aus einem Geschäft im Sinne der Z2 unentgeltlich erworben, so ist auf den Anschaffungszeitpunkt oder den Eröffnungszeitpunkt des Geschäftes beim Rechtsvorgänger abzustellen.

...

(8) In den Fällen des Abs1 Z1 litb sowie in den Fällen des Abs1 Z2 wird die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen durch Abzug erhoben (Spekulationsertragsteuer):

1.

Die Spekulationsertragsteuer beträgt 25%.

2.

Der Spekulationsertragsteuer unterliegt der Veräußerungserlös, insoweit er die Anschaffungskosten übersteigt, ohne jeden Abzug (Spekulationsertrag).

3.

Im Sinne der folgenden Ziffern sind

a)

Kreditinstitute alle Kreditinstitute sowie sonstige zur Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere berechtigte Unternehmen mit Sitz im Inland oder Ausland hinsichtlich ihrer inländischen Betriebsstätten, von denen eine Depotführung durchgeführt oder veranlaßt wird,

b)

Depots alle Depots, deren Führung durch inländische Betriebsstätten von Kreditinstituten im Sinne der lita durchgeführt oder veranlaßt wird,

c)

Depotgeschäfte alle für die Erzielung eines Spekulationsertrages in Betracht kommenden Geschäfte mit Wertpapieren im Sinne des §1 Abs1 des Depotgesetzes, die sich auf dem Depot (litb) eines Kreditinstitutes (lita)

befinden.

4.

Für Depotgeschäfte gilt folgendes:

a)

Liegt dem Depotzugang eine tatsächliche Anschaffung zugrunde, sind die tatsächlichen Anschaffungskosten anzusetzen. Liegt dem Depotzugang keine tatsächliche Anschaffung zugrunde, sind die tatsächlichen Anschaffungskosten und der tatsächliche Zeitpunkt der Anschaffung anzusetzen, wenn sie durch geeignete Unterlagen nachgewiesen sind. Liegt kein derartiger Nachweis vor, gilt der Zeitpunkt der Zuführung zum Depot als Anschaffungszeitpunkt; die Anschaffungskosten sind mit Null anzusetzen.

b)

Liegt der Entnahme aus dem Depot eine tatsächliche Veräußerung zugrunde, ist der tatsächliche Veräußerungserlös anzusetzen. In allen anderen Fällen gilt die Entnahme als Veräußerung; als Veräußerungserlös ist der gemeine Wert des Wertpapiers im Zeitpunkt der Entnahme anzusetzen. Die Entnahme gilt nicht als Veräußerung, wenn das Wertpapier nachweislich auf ein demselben Steuerpflichtigen zuzurechnendes Depot desselben oder eines anderen

Kreditinstitutes übertragen wird oder ein sonstiger Nachweis erbracht wird, daß keine Veräußerung vorliegt.

c)

Wird ein Wertpapier ohne Entnahme aus dem Depot veräußert, hat der Veräußerer dies dem Kreditinstitut mitzuteilen. Die Veräußerung gilt für den Veräußerer als Entnahme aus dem Depot und für den Erwerber als Depotzugang.

5.

Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die steuerliche Behandlung der Veräußerung in zeitlicher Aufeinanderfolge angeschaffter gleicher Wertpapiere (zB gleicher Aktien) mit Verordnung festzulegen.

6.

Schuldner der Spekulationsertragsteuer ist der Veräußerer.

7.

Bei einem Depotgeschäft ist das Kreditinstitut zum Abzug der Spekulationsertragsteuer verpflichtet. In allen anderen Fällen kann der Veräußerer die Spekulationsertragsteuer abführen. Das zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut hat die Spekulationsertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens des Veräußerungserlöses oder der Entnahme aus dem Depot abzuziehen.

8.

Das zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut hat die in einem Kalendermonat einbehaltenen Steuerbeträge unter der Bezeichnung 'Spekulationsertragsteuer' spätestens am 15. Tag nach Ablauf des folgenden Kalendermonates abzuführen. In allen anderen Fällen kann der Veräußerer die Spekulationsertragsteuer spätestens im Zuge der Veranlagung des Einkommens für das Jahr des Zufließens des Veräußerungserlöses abführen. Hat der Veräußerer keine Spekulationsertragsteuer abgeführt, sind die Einkünfte im Wege der Veranlagung zu erfassen. Die Z1 bis 4 und 6 bis 10 sind dabei unbeachtlich.

9.

Das nach Z7 zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Spekulationsertragsteuer.

10.

Die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) gilt durch den Steuerabzug als abgegolten. Soweit die Steuer abgegolten ist, sind die Spekulationserträge weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§2 Abs2) zu berücksichtigen. Dies gilt nur bei Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen.

11.

Das zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut hat in folgenden Fällen keine Spekulationsertragsteuer abzuziehen:

a)

Der Veräußerer erklärt dem zum Abzug

verpflichteten Kreditinstitut bei Nachweis seiner Identität schriftlich, daß die Veräußerungserlöse als Betriebseinnahmen eines in- oder

ausländischen Betriebes zu erfassen sind (Befreiungserklärung). Der Veräußerer leitet eine Gleichschrift der Befreiungserklärung unter Angabe seiner Steuernummer im Wege des zum Abzug verpflichteten Kreditinstitutes dem zuständigen Finanzamt zu. Der Veräußerer hat dem zum Abzug Verpflichteten und dem zuständigen Finanzamt im Wege des zum Abzug Verpflichteten unverzüglich alle Umstände mitzuteilen, die dazu führen, daß die Veräußerungserlöse nicht mehr zu den Einnahmen eines in- oder ausländischen Betriebes gehören (Widerrufserklärung).

b)

Es treffen die Voraussetzungen des §21 Abs2 Z5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 zu.

c)

Der Spekulationsertrag geht einem Kapitalanlagefonds im Sinne des Investmentfondsgesetzes 1993 zu.

12.

Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die technische Umsetzung der steuerlichen Behandlung von Depotgeschäften einschließlich jener im Zusammenhang mit Anteilen an ausländischen Kapitalanlagefonds (§42 des Investmentfondsgesetzes 1993) sowie eine damit im Zusammenhang stehende behördliche Auskunftspflicht mit Verordnung festzulegen.

13.

Ist die nach dem Steuertarif für Spekulationserträge zu erhebende Einkommensteuer geringer als die Spekulationsertragsteuer, ist die Spekulationsertragsteuer auf Antrag auf die zu erhebende Einkommensteuer anzurechnen und mit dem übersteigenden Betrag zu erstatten. Der Antrag kann innerhalb von fünf Kalenderjahren ab dem Ende des Veranlagungsjahres gestellt werden. Bei der Veranlagung sind die Z1 bis 4 und 6 bis 12 unbeachtlich."

Der ua. die Anwendung des §30 Abs8 EStG 1988 regelnde §124b Z37 EStG 1988, eingefügt durch das Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I 106/1999, lautet:

"37.

§6 Z5, §30 Abs1, Abs2, Abs8 und §37

Abs4 Z2 lita, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 106/1999, sind anzuwenden, wenn die Anschaffung des eingelegten oder veräußerten Wirtschaftsgutes nach dem 30. September 2000 erfolgt ist. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, diesen Zeitpunkt nach Maßgabe der Möglichkeiten zur Schaffung der technischen Rahmenbedingungen bis spätestens 30. September 2001 zu verschieben."

1.2. Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1766 BlgNR 20. GP, 40) zum nachmaligen Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I 106/1999, ist zu entnehmen, daß die Verlängerung der Spekulationsfrist bei Finanzanlagen und ähnlichen Wirtschaftsgütern sowie die Einführung einer Spekulationsertragsteuer zum Anlaß genommen wurde, auch die Spekulationsgewinne, die im Rahmen von Investmentfonds erzielt werden, für ab 1. Oktober 2000 angeschaffte Finanzanlagen einer pauschalen Besteuerung zu unterziehen. Das Investmentfondsgesetz 1993, BGBl. 532/1993 wurde daher durch das Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I 106/1999, ArtXIII (im folgenden: InvFG 1993), wie folgt - es werden nur jene Bestimmungen wiedergegeben, die im Zusammenhang mit der Spekulationsertragsteuer stehen - novelliert:

§40 Abs1, zweiter Satz, InvFG 1993 lautet:

"Bei nicht in einem Betriebsvermögen gehaltenen Anteilscheinen gelten Ausschüttungen aus Substanzgewinnen, soweit diese nicht aus Forderungswertpapieren gemäß §93 Abs3 Z1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 und aus damit im Zusammenhang stehenden Produkten im Sinne des §21 resultieren, im Ausmaß von einem Fünftel als Einkünfte im Sinne der §30 Abs1 Z1 litb oder §30 Abs1 Z2 des Einkommensteuergesetzes 1988; die übrigen Ausschüttungen aus Substanzgewinnen bleiben sowohl bei Einkünften aus Kapitalvermögen als auch bei Einkünften im Sinne des §30 des Einkommensteuergesetzes 1988 außer Ansatz."

§40 Abs2 Z1, erster bis vierter Satz, InvFG 1993 lauten:

"1. Spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres gelten die nach Abzug der dafür anfallenden Kosten vereinnahmten Zinsen, Dividenden, ausschüttungsgleiche Erträge von im Fondsvermögen befindlichen Anteilen an anderen in- oder ausländischen Kapitalanlagefonds, Substanzgewinne bei nicht in einem Betriebsvermögen gehaltenen Anteilscheinen, und sonstige Erträge an die Anteilinhaber in dem aus dem Anteilsrecht sich ergebenden Ausmaß als ausgeschüttet (ausschüttungsgleiche Erträge). Dabei können bei den nach Abs1 mit einem Fünftel zu erfassenden Wertpapieren die Substanzverluste bis zur Höhe der Substanzgewinne des laufenden oder eines späteren Geschäftsjahres abgezogen werden. Werden nachweislich diese Erträge später tatsächlich ausgeschüttet, so sind sie steuerfrei. In den Fällen des §13 dritter und vierter Satz gelten die nicht ausgeschütteten Jahreserträge für Zwecke der Kapitalertragsteuer und der Spekulationsertragsteuer als ausgeschüttet."

In §40 Abs3 InvFG 1993 wurde nach dem zweiten Satz nachfolgender Satz eingefügt:

"Bei der Veräußerung ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten um tatsächlich ausgeschüttete steuerfreie Substanzgewinne zu erhöhen sowie um im Veräußerungserlös enthaltene als zugeflossen geltende ausschüttungsgleiche Erträge insoweit zu kürzen, als diese beim Veräußerer steuerpflichtige Einnahmen gebildet haben."

§42 Abs1, erster Satz, InvFG 1993 lautet:

"Die Bestimmungen des §40 sind auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden."

§42 Abs3 InvFG 1993 lautet:

"(3) Substanzgewinne ausländischer Kapitalanlagefonds gelten als Einkünfte im Sinne des §30 des Einkommensteuergesetzes 1988. §40 Abs1 zweiter Satz ist nur bei Nachweis sowie bei Zulassung und der tatsächlichen Auflage zur öffentlichen Zeichnung anzuwenden. Bei in einem Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen gelten Substanzgewinne als sonstige Erträge im Sinne des §40 Abs2 Z1."

In §42 InvFG 1993 wurde als Abs4 angefügt:

"(4) Bei der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalanlagefonds ist - auch nach Ablauf des in §30 Abs1 Z1 litb des Einkommensteuergesetzes 1988 festgesetzten Zeitraumes - ein Abzug von Spekulationsertragsteuer vom Unterschiedsbetrag zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten vorzunehmen. Der Abzug unterbleibt, wenn der Steuerpflichtige dem Kreditinstitut eine Bestätigung der Abgabenbehörde vorlegt, daß er seiner Offenlegungspflicht in bezug auf den Anteil nachgekommen ist."

§49 Abs9 InvFG 1993 hat folgenden Wortlaut:

"(9) Die §§41 und 42 Abs1 sind in bezug auf die Börsenumsatzsteuer in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 106/1999 noch auf Vorgänge vor dem 1. Oktober 2000 anzuwenden. Im übrigen tritt §41 am 1. Jänner 2000 in Kraft. §40 Abs1 zweiter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 106/1999 ist anzuwenden, wenn die Anschaffung des veräußerten Wirtschaftsgutes nach dem 30. September 2000 erfolgt ist. §42 Abs3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 106/1999 ist nicht anzuwenden, wenn die Anschaffung des veräußerten Wirtschaftsgutes nachweislich vor dem 1. Oktober 2000 erfolgt ist. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, diese Zeitpunkte nach Maßgabe der Möglichkeiten zur Schaffung der technischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Spekulationsertragsteuer bis spätestens 1. Oktober 2001 bzw. 30. September 2001 zu verschieben."

III. 1.1. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führen die antragstellenden Gesellschaften aus, daß ein nach Art und Umfang eindeutig bestimmter Eingriff in ihre Rechtssphäre vorliege, welcher unmittelbar auf das Gesetz (= den Gesetzesbefehl) zurückzuführen sei.

Die ihnen auferlegten Pflichten (wobei namentlich genannt werden: "ermitteln - berechnen - abziehen - einbehalten - abführen - haften") ergäben sich eindeutig aus dem Gesetz. Zur aktuellen Betroffenheit führen die antragstellenden Gesellschaften aus, daß eine solche bereits während der Legisvakanz vorliege, weil die Bestimmungen für sie bereits tatsächlich wirksam geworden seien: "Uns treffen schon jetzt - also eben aktuell und nicht bloß potentiell - unausweichlich Aufwendungen, die weit über das hinausgehen, was üblicherweise und (nur) insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich während einer Legisvakanz für den Normunterworfenen erforderlich ist, daß er sich mit der Neuregelung vertraut macht und sich auf sie einstellt."

Vorarbeiten seien notwendig, da ansonsten ab dem Anwendungsstichtag weder sachverhaltsbezogen noch rechnerisch festgestellt werden könne, was abzuziehen, einzubehalten und abzuführen sei. Ohne umfangreiche, kosten- und zeitaufwendige technische Vorarbeiten und ohne ebensolchen Personalaufwand seien sie außerstande, den gesetzlichen Vorgaben ab Anwendbarkeit zu entsprechen. Es sei für sie daher schon nunmehr notwendig, das Gesetz zu befolgen und ihnen nicht zumutbar, mit der Antragstellung auf Gesetzesprüfung bis zur Anwendbarkeit des Gesetzes zuzuwarten, da bis dahin die kostenaufwendigen technischen Vorarbeiten sowie Einschulungsmaßnahmen abgeschlossen sein müßten. An der aktuellen Betroffenheit ändere auch die Ermächtigung des Bundesministers für Finanzen, den in §124b Z37 genannten Zeitpunkt hinsichtlich §30 Abs8 EStG 1988 nach Maßgabe der Möglichkeit zur Schaffung der technischen Rahmenbedingungen bis spätestens 30. September 2001 zu verschieben, nichts. Die ausschließlich durch die gesetzliche Neuregelung des §30 Abs8 EStG 1988 bedingten Vorarbeiten seien bereits in Angriff genommen worden, sodaß die antragstellenden Gesellschaften schon derzeit finanzielle Nachteile erlitten hätten. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Eventualanträge, §30 Abs8 EStG 1988 zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben, führen die antragstellenden Gesellschaften aus, daß sie durch die obgenannte Bestimmung - aufgrund der ihnen in §30 Abs8 Z9 leg.cit. auferlegten Haftung für die Einhebung und die Abfuhr der Spekulationsertragsteuer - in ihrer Gesamtheit unmittelbar betroffen seien.

1.2. Für verfassungswidrig erachten die antragstellenden Gesellschaften die angegriffenen Vorschriften des §30 Abs8 EStG 1988 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz, das Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit, der Erwerbsausübungsfreiheit sowie das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums. Zudem liege ein Verstoß gegen die Verfassungsbestimmung des §38 Abs5 Bankwesengesetz vor.

1.3. Die antragstellenden Gesellschaften legen zunächst ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die ihnen auferlegte Verpflichtung, nämlich die Spekulationsertragsteuer "abzuziehen", "einzubehalten" sowie "abzuführen" dar:

Das zwischen dem Abgabengläubiger und dem Abgabenschuldner bestehende Steuerschuldverhältnis sei von wenigen Ausnahmen abgesehen zwischen diesen beiden Personen auf Verwaltungsebene abzuwickeln. Eine Überwälzung der grundsätzlich den Abgabenbehörden in ihrer Funktion als Gläubiger zukommenden Aufgaben, wie beispielsweise der Abgabenerhebung, -festsetzung und -einhebung, auf einen außerhalb des Schuldverhältnisses stehenden Dritten sei grundsätzlich gleichheitswidrig. Ausnahmen seien nur in einem eng umgrenzten Bereich zulässig und müßten sachlich gerechtfertigt sein. Eine solche sachliche Rechtfertigung lasse sich nicht finden.

Speziell wenden sich die antragstellenden Gesellschaften dagegen, daß sie Spekulationsertragsteuer auch in Fällen einzubehalten hätten, in denen kein Geldfluß erfolgt, vor allem bei der Entnahme aus dem Depot:

"Die 'Entnahme aus dem Depot' ist für den Gesetzgeber das Gegenstück zum 'Zufließen des Veräußerungserlöses' (vgl Z7 Satz 3), der Gesetzgeber hat also insoweit den Fall im Auge, daß kein Entgelt fließt. Die (Ausnahms-)Fälle, in denen die Entnahme spekulationsertragsteuerfrei erfolgen kann, sind hier nicht von Interesse, entscheidend sind die Fälle, in denen ohne Fließen eines Veräußerungsentgelts eine Spekulationsertragsteuer anfällt und von uns - ohne zivilrechtliche Möglichkeit aus einem Geldfluß, auf den wir Zugriff hätten - etwas einzubehalten, haftungsbedroht ein 'Abzug' und eine 'Abfuhr' verlangt wird, nur weil die Entnahme aus dem Depot (gem Z4 litb Satz 2 - wenn nicht ohnedies eine Veräußerung vorliegt) als Veräußerung 'gilt' (sofern nicht Satz 3 Platz greift).

Es ist bar jeder sachlichen Rechtfertigung und verstößt daher jedenfalls gegen den Gleichheitssatz, uns auch in diesem Fall (ohne unmittelbare Zugriffsmöglichkeit) eine Abzugspflicht aufzuerlegen (wie soll der Abzug erfolgen?) und uns haftungsbedroht zur Abfuhr einer fremden Abgabe zu verpflichten."

Zum Bankgeheimnis bringen die antragstellenden Gesellschaften folgendes vor:

Die gemäß §140 Bundesabgabenordnung (im folgenden: BAO) mit der Einbehaltungspflicht verbundene Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nach §119 BAO stehe im Widerspruch mit der aus dem Depotgeschäft erfließenden Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses (§1 Abs1 Z5 iZm §38 Bankwesengesetz). §38 Abs2 Bankwesengesetz beinhalte diesbezüglich auch keine Ausnahme vom Bankgeheimnis. Die Verfassungsbestimmung des §38 Abs5 Bankwesengesetz, wonach die Absätze 1 bis 4 des §38 leg.cit. vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Abgeordneten und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen geändert werden könne, beziehe sich jedenfalls auf den in den Absätzen 1 bis 4 der genannten Bestimmung enthaltenen Regelungsgegenstand und schaffe somit einen qualifizierten Bestandschutz des Bankgeheimnisses in seiner aktuellen gesetzlichen Ausgestaltung. Ein Gesetz, welches entgegen dieser Verfassungsbestimmung die geltende gesetzliche Regelung des Bankgeheimnisses durchlöchere - etwa die in §38 Abs2 Bankwesengesetz normierten Ausnahmen von der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses erweitere - ohne den verfahrensrechtlichen Vorgaben der Verfassungsbestimmung hinsichtlich der Quoren zu entsprechen, sei selbst verfassungswidrig.

Dies sei gegenständlich der Fall: Die angefochtenen Bestimmungen verstießen gegen die Verfassungsbestimmung des §38 Abs5 Bankwesengesetz, weil sie materiell gesehen eine Änderung der in §38 Abs1 bis 4 leg.cit. enthaltenen Regelungen über das Bankgeheimnis - ohne die dafür erforderlichen Quoren erreicht zu haben - bewirkten.

§30 Abs8 Z11 lita, dritter Satz, EStG 1988, welcher nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaften nichts anderes bedeute, als "daß das zum Abzug verpflichtete Kreditinstitut dem zuständigen Finanzamt alle Umstände mitteilt", bewirke auch dann eine gesetzliche und vom Schutzbereich des §38 Abs5 Bankwesengesetz umfaßte Änderung des aktuellen Umfangs des Bankgeheimnisses, wenn darin eine Bevollmächtigung des Kreditinstitutes zur Übermittlung der Daten durch den Veräußerer gesehen werde.

Den Verstoß gegen Art4 EMRK - Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit - begründen die antragstellenden Gesellschaften folgendermaßen:

Die gegenständliche Verpflichtung zum Abzug der Spekulationsertragsteuer unterscheide sich schon allein aufgrund des damit im Zusammenhang stehenden Arbeitsumfanges wesentlich von der gesetzlichen Inpflichtnahme zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben wie der Einhebung der Lohnsteuer. Die Einbehaltung der Spekulationsertragsteuer sei gravierend aufwendiger. Es könne daher auch nicht mehr von einer "normalen Bürgerpflicht" iSd Art4 Abs3 litd EMRK gesprochen werden. Schon allein die im Art4 Abs3 litd EMRK verwendete Formulierung "normale Bürgerpflichten" erweise, daß solcherart ein größerer Kreis von Betroffenen angesprochen werden müsse. Die den Kreditinstituten auferlegte Berechnungs-, Einbehaltungs- und Abfuhrpflicht könne auch keineswegs mit der Mitwirkung der Arbeitgeber bei der Erhebung der Lohnsteuer verglichen werden. Dies deshalb, da die antragstellenden Gesellschaften keineswegs Vertragspartner des "Veräußerungsgeschäftes" seien, aus dem der spekulationsertragsteuerpflichtige Veräußerungsgewinn erfließe. Außerhalb der normalen Bürgerpflichten erhielte aber derjenige, dem die Einhebung einer fremden Abgabe obliege, idR 4 % des Gesamtbetrages der eingehobenen Abgabe als Aufwandersatz.

1.4. In weiterer Folge bringen die antragstellenden Gesellschaften ihre verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der in Z9 des §30 Abs8 EStG 1988 normierten Haftung vor:

Sie verweisen auf die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, nach der dem Gesetzgeber bei der Umschreibung der für eine Steuer haftenden Personen insoweit eine Grenze gesetzt sei, als er nur solche Personen für haftpflichtig erklären könne, bei denen eine Haftung sachlich begründet sei, und vertreten die Auffassung, daß das zwischen ihnen und dem Abgabenschuldner bestehende (zivilrechtliche) Depotverhältnis ihre Haftung für die Einbehaltung und Abfuhr der Spekulationsertragsteuer nicht zu rechtfertigen vermöge. Das zivilrechtliche Rechtsverhältnis des Depotvertrages betreffe nämlich die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere und nicht den abgabepflichtigen Tatbestand des Spekulationsgeschäftes. Der Bezug der antragstellenden Gesellschaften zum abgabepflichtigen Rechtsgeschäft bestehe lediglich darin, daß sich das Objekt des die Abgabepflicht auslösenden Rechtsgeschäftes auf einem ihrer Depots befinde. Dieser Umstand reiche jedenfalls nicht aus, um den antragstellenden Gesellschaften eine Haftung für die aus diesem Rechtsgeschäft erwachsende Spekulationsertragsteuer aufzuerlegen. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die antragstellenden Gesellschaften fallweise als Bevollmächtigte im Rahmen des Veräußerungsgeschäftes tätig seien, gelte doch diese Regelung genauso für reine Eigengeschäfte (sogenannte "Privatgeschäfte") des Kunden.

Weiters - so die antragstellenden Gesellschaften zu G141/99, G146/99 und G148/99 bis G150/99 - sei die ihnen auferlegte Haftung eine solche für Unmögliches, nämlich für Anordnungen, die mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht umzusetzen seien. Sie verweisen diesbezüglich auf §40 Abs3, dritter Satz, InvFG 1993, wonach bei der Veräußerung der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten um tatsächlich ausgeschüttete steuerfreie Substanzgewinne zu erhöhen sowie um im Veräußerungserlös enthaltene, als zugeflossen geltende ausschüttungsgleiche Erträge insoweit zu kürzen sei, als diese beim Veräußerer steuerpflichtige Einnahmen gebildet hätten. Die Ermittlung der Differenz zwischen Anschaffungskosten und Veräußerungserlös sei noch relativ leicht zu bewerkstelligen. Der nächste Schritt, nämlich die Hinzurechnung von bereits ausgeschütteten Substanzgewinnen des betreffenden Fonds, fordere bereits eine Evidenzhaltung von derartigen Gewinnen in unbeschränktem Ausmaß. Der Gesetzgeber ordne aber nicht nur eine Hinzurechnung, sondern auch eine Kürzung um ausschüttungsgleiche Erträge an. Dazu komme, daß diese Kürzungsbestimmung nur insoweit gelte, als die ausschüttungsgleichen Erträge beim Veräußerer steuerpflichtige Einnahmen gebildet hätten. Solcherart werde auf die persönlichen steuerlichen Verhältnisse des Anlegers abgestellt und sei demzufolge auch das Vorliegen von Informationen erforderlich, welche die antragstellenden Gesellschaften im Regelfall vom Anleger kaum erhielten. Zwecks Ermittlung der richtigen Bemessungsgrundlage sei eine Anfrage beim Veräußerer hinsichtlich der dem Bank- bzw. Steuergeheimnis unterliegenden Daten (z.B. Höhe der tatsächlich ausgeschütteten steuerfreien Substanzgewinne; Höhe der im Veräußerungserlös enthaltenen, als zugeflossen geltende ausschüttungsgleiche Erträge, etc.) erforderlich. Selbst wenn nun ein Anleger die für ihn mit einem Aufwand verbundenen entsprechenden Informationen liefere, sei die Richtigkeit dieser Informationen nicht sichergestellt.

1.5. Des weiteren wird von den antragstellenden Gesellschaften die Kostenbelastung der Kreditwirtschaft dem geschätzten Ertrag der Spekulationsertragsteuer gegenübergestellt:

Den "einmaligen Einrichtungskosten" in Höhe von (geschätzt) ATS 1,5 Mrd. und den laufenden Kosten von ca. ATS 0,5 Mrd. pro Jahr stünde ein Steueraufkommen von ca. ATS 500 Mio. pro Jahr (ab dem zweiten Jahr), selbst nach optimistischen Schätzungen letztlich nur von ATS 700 Mio. pro Jahr gegenüber.

Den inländischen Kreditinstituten würden demnach erhebliche Lasten bei der Erhebung der Spekulationsertragsteuer aufgebürdet werden, welche sich der Bund erspare. Dieser von den Kreditinstituten zu tragende Aufwand entspreche dem zu erwartenden Aufkommen an Spekulationsertragsteuer. Berücksichtige man noch die einmaligen Umstellungsaufwendungen in Höhe der zu erwartenden ATS 1,5 Mrd., so übersteige der Aufwand das erwartete Aufkommen sogar noch. Zur Einführung der Spekulationsertragsteuer wäre es nie gekommen, wenn den Bund der Erhebungsaufwand selbst träfe. Der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Steuerertrag sei jedenfalls unverhältnismäßig. Wenn der Erhebungsaufwand der Steuer das aus dieser Steuer gezogene Gesamtaufkommen fast oder zum großen Teil aufzehre, stehe nicht nur die Verfassungswidrigkeit der Steuer selbst fest, sondern auch die Unverhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffes, der den inländischen Kreditinstituten auferlegt werde.

Schließlich führe die vorliegende Regelung zu einer gleichheitswidrigen Wettbewerbsverzerrung gegenüber ausländischen Kreditinstituten.

Alle antragstellenden Gesellschaften verweisen in diesem Zusammenhang auf ein beigelegtes von einem Universitätsprofessor in einem während des Gesetzwerdungsprozesses erstatteten Gutachten sowie einer Stellungnahme einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft.

2.1. Die Bundesregierung hält die Anträge für unzulässig und tritt in ihrer Äußerung dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaften entgegen:

Eine aktuelle Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaften liege nicht vor, weil es eine solche durch erst später in Kraft tretende Rechtsvorschriften nicht geben könne. §124b EStG 1988 normiere, daß §30 Abs8 leg.cit. erst auf Vorgänge nach dem 30. September 2000 anzuwenden sei. Es könne daher auch deshalb in bezug auf §30 Abs8 leg.cit. nicht vom Vorliegen einer Rechtssphäre gesprochen werden, weil nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ein Eingriff durch das Gesetz selbst zu erfolgen habe bzw. nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt sein müsse. Aufgrund der Legisvakanz seien die antragstellenden Gesellschaften im Zeitpunkt der Antragstellung aber weder vom Gesetzesbefehl noch von der Haftungsregelung aktuell in ihren Rechten betroffen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes müsse es sich um einen Eingriff in "Rechte" und nicht (bloß) um faktische Auswirkungen zum Beispiel auf "wirtschaftliche Interessen" handeln, um eine Antragslegitimation nach Art140 B-VG zu konstituieren. Ein Eingriff in Rechte könne aber im hier gegebenen Fall nicht vorliegen. Daran vermöge auch das Vorbringen der antragstellenden Gesellschaften - es handle sich um mit der Regelung in Zusammenhang stehende wirtschaftliche Folgen und nicht um wirtschaftliche Reflexwirkungen - nichts zu ändern. Es handle sich dabei nämlich gerade um solche wirtschaftlichen Folgen, welche die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung im Auge habe. Darüber hinaus sei zu bemerken, daß die angeblich so enorme Kostenbelastung lediglich für die gesamte österreichische Kreditwirtschaft angegeben worden sei, ohne auch nur ansatzweise die behauptete Kostenbelastung für die jeweilige antragstellende Gesellschaft im einzelnen zu konkretisieren. Dies stelle insofern auch einen rechtlich erheblichen Mangel der Anträge dar, da es den antragstellenden Gesellschaften obläge, das Vorliegen eines unmittelbaren Eingriffes darzulegen.

Hinsichtlich der Eventualanträge, §30 Abs8 EStG 1988 in seiner Gesamtheit als verfassungswidrig aufzuheben, fehle es an der erforderlichen Begründung, worin die antragstellenden Gesellschaften die Verfassungswidrigkeit der Spekulationsertragsteuerpflicht als solche erblickten, bzw. seien diese Anträge auch zu weitgehend und daher per se als unzulässig zurückzuweisen.

Zur Frage der technischen Vorbereitung des Steuerabzuges und zur Plausibilität der dafür geschätzten Kosten führt die Bundesregierung über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1999 aus, daß die diesbezüglich in den Anträgen enthaltenen Behauptungen einer schlüssigen Begründung bzw. der Darlegung ihres sachlichen Gehaltes entbehrten. Weder das behauptete Ausmaß der Vorlaufzeit noch die Kompliziertheit der Implementierung der Spekulationsertragsteuer seien nachvollziehbar. Die wenigen für die Ermittlung der Spekulationsertragsteuer erforderlichen Parameter seien den Kreditinstituten ohnedies bekannt. Lediglich in Fällen, in denen die Anschaffung oder die Veräußerung nicht unmittelbar über das Depot abgewickelt werde, sehe das Gesetz Ersatzwerte vor, welche aber klar und eindeutig definiert seien. Auch in der den Anträgen beigelegten "Stellungnahme zur Plausibilität der geschätzten Kosten der Kreditwirtschaft aus einer Einführung der geplanten Spekulationsertragsteuer" seien keinerlei Angaben zu einzelnen Kostenpositionen wie Personalaufwand, Sachaufwand uä. enthalten.

2.2. Die Bundesregierung schildert sodann ausführlich die allgemeinen Motive für die Einführung der Spekulationsertragsteuer:

Seit einigen Jahren seien deutliche Veränderungen im Verhalten der Kapitalanleger erkennbar. Der Trend gehe weg vom traditionellen Sparbuch und auch vom festverzinslichen Wertpapier in Richtung höherwertige Anlageformen, wie z.B. Aktien und Investmentfonds mit höheren Aktienanteilen. Diese Entwicklung werde auch in besonderem Maße durch das niedrige Zinsniveau der letzten Jahre bestimmt und könne mittel- und langfristig Auswirkungen auf den Staatshaushalt zeitigen, weil Steuereinnahmen im Bereich der Besteuerung von Erträgen aus den traditionellen Sparformen verloren gingen. Es gehe also einerseits Steueraufkommen bei den Erträgen aus den traditionellen Sparformen verloren, andererseits könne dieser Verlust "bei den Renditen aus den höherwertigen Veranlagungsformen nicht im verlorenen Umfang wieder hereingebracht werden". Dies führe zur Gefahr einer Erosion des Steueraufkommens, welche gleichzeitig eine Gefahr für den Staatshaushalt darstelle. Das Steuerreformgesetz 2000 wirke dieser Gefahr "sowohl durch eine Ausweitung des Besteuerungstatbestandes bei den Spekulationseinkünften als auch durch Einführung einer der Kapitalertragsteuer vergleichbar sicheren Einhebungsform wie der Spekulationsertragsteuer entgegen". Bei der Einführung der Spekulationsertragsteuer handle es sich jedenfalls um eine längerfristige Weichenstellung zur Absicherung des Staatshaushaltes. Schon aus diesem Grund seien die im Antrag angestellten Vergleiche zwischen dem erwarteten Steueraufkommen der nächsten Jahre und den behaupteten Kosten der Einführung bzw. den laufenden Kosten der "Wartung" der Steuer unzulässig.

Abgesehen von den unmittelbaren Aufkommenseffekten vollziehe die Spekulationsertragsteuer die Marktentwicklungen bei der Vermögensveranlagung nach und wirke zudem marktausgleichend. Es müsse dem Gesetzgeber freistehen, mit einer bestimmten Besteuerungsform sachlich gerechtfertigte Zielsetzungen auch dann umzusetzen, wenn diese Besteuerungsform einen gewissen administrativen Aufwand fordere. Die der Spekulationsertragsteuer innewohnenden Zielsetzungen rechtfertigten nach Ansicht der Bundesregierung schon für sich allein die damit verbundenen Lasten.

Zur Kostenbelastung speziell der Kreditinstitute hebt die Bundesregierung zunächst hervor, daß gerade die Kreditinstitute von den Steuerreformen der letzten Jahre besonders profitiert hätten. Die Einführung der allgemeinen Beteiligungsertragsbefreiung nach §10 Körperschaftsteuergesetz 1988 und die Abschaffung der Vermögensteuer ab 1994 seien in besonderem bzw. überdurchschnittlichem Maße den Kreditinstituten zugute gekommen. Ferner sei die vom Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 10.001/1984) als sachlich gerechtfertigt anerkannte "Sonderabgabe von Banken" im Zuge der zweiten Etappe der Steuerreform mit 1. Jänner 1994 abgeschafft worden. An der Sonderstellung der Kreditinstitute, die der Verfassungsgerichtshof seinerzeit für geeignet gehalten habe, diese Sonderbelastung zu rechtfertigen, habe sich im Grundsatz nichts geändert. Sei es damals zulässig gewesen, Kreditinstitute mit einer besonderen Abgabe zu belasten, mit der sowohl fiskalische als auch ordnungspolitische Zielsetzungen verfolgt worden seien, so müsse es nun umso mehr zulässig sein, die Kreditinstitute mit "sehr viel geringeren Kosten der Einhebung einer Abgabe zu belasten, die mit im Verhältnis zur Belastung der Kreditinstitute weitaus bedeutenderen Zielsetzungen verbunden ist, als dies seinerzeit die Sonderabgabe war".

Weiters trete die aus der Einhebung der Spekulationsertragsteuer entstehende Kostenbelastung (nur) im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Vorteilen der Kreditinstitute auf, worin die Bundesregierung einen wesentlichen Unterschied zu der seinerzeitigen Sonderabgabe erblickt. Wenn nun die ohne Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Vorteil eintretende sehr viel höhere Kostenbelastung durch die Sonderabgabe zulässig gewesen sei, dann sei dies bei der mit einem wirtschaftlichen Vorteil verbundenen sehr viel geringeren Kostenbelastung durch die Spekulationsertragsteuer umso eher der Fall.

2.3. Den Bedenken der antragstellenden Gesellschaften hinsichtlich der (verfassungswidrigen) Einschränkung des Bankgeheimnisses tritt die Bundesregierung mit folgenden Argumenten entgegen: Die in §30 Abs8 Z11 EStG 1988 vorgesehene Regelung über die Befreiungserklärung sei derjenigen des §94 Z5 EStG 1988 im Zusammenhang mit der Kapitalertragsteuer nachgebildet. Schon aus der Entstehungsgeschichte der letzteren Vorschrift ergebe sich, daß damit eine Einschränkung des Bankgeheimnisses nicht verbunden gewesen sei. Gleiches müsse aber dann auch für §30 Abs8 Z11 EStG 1988 gelten. Dazu komme, daß es dem Steuerpflichtigen freistehe, eine Befreiungserklärung abzugeben (um auf diese Weise den Abzug einer Quellensteuer bei ohnehin der Veranlagung unterliegenden Einkünften zu vermeiden). Es liege somit ein Fall vor, der dem Ausnahmetatbestand des §38 Abs2 Z5 Bankwesengesetz entspreche (Zustimmung zur Geheimnisoffenbarung). Auch andere Einschränkungen des Bankgeheimnisses seien nicht ersichtlich.

2.4. Zu punktuellen Argumenten der Anträge führt die Bundesregierung - zusammengefaßt - aus:

Es existiere kein im Verfassungsrang verankerter Grundsatz, der eine Aufwandsüberwälzung auf außerhalb des Steuerschuldverhältnisses stehende Dritte verbiete. Die Aufwandsüberwälzung dürfe allerdings nicht schrankenlos sein, sie müsse sachlich gerechtfertigt sein. Eine sachliche Rechtfertigung ist nach Ansicht der Bundesregierung insbesondere dann gegeben, wenn die Aufwandsüberwälzung zu einer erheblichen Einsparung der gesamtwirtschaftlichen Belastung führt. Dies sei hier der Fall, da sich eine Vielzahl jener Sachverhalte, an die §30 Abs1 Z1 litb EStG 1988 anknüpfe, bei den Kreditinstituten ereigne. Überdies erschwere das Bankgeheimnis den Abgabenbehörden eine effiziente Abgabeneinhebung. Wegen des speziell den Kreditinstituten zugute kommenden Geheimnisschutzes sei es gerechtfertigt, die Kosten der Abgabeneinhebung nicht der Allgemeinheit, sondern den Kreditinstituten selbst anzulasten.

Im Zusammenhang mit Art4 EMRK führt die Bundesregierung aus, daß es sich bei der Mitwirkung der Kreditinstitute an der Einhebung der Spekulationsertragsteuer auch nach ihrer Ansicht weder um eine "normale Bürgerpflicht" noch um eine mit der Einbehaltung der Lohnsteuer zu vergleichende Belastung handle. Die Bezugnahme des Antrages auf Art4 EMRK hält die Bundesregierung dennoch für verfehlt, "weil die Mitwirkung der Kreditinstitute nicht als unverhältnismäßig und übermäßig im Verhältnis zu den Vorteilen der ausgeübten Tätigkeit angesehen werden kann (vgl. EGMR, Van der Mussele, EuGRZ 1985, 477 ff (481))".

Ein Grundsatz, daß eine Abzugssteuer nur vom Vertragspartner eines dem Steuertatbestand zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes erhoben werden dürfe, existiere nicht. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf den Parallelfall der Kapitalertragsteuer, die im Bereich der festverzinslichen Wertpapiere auf dem Zahlstellenprinzip beruhe, somit nicht unbedingt ein Vertragsverhältnis zwischen Gläubiger der Kapitalerträge und Entrichtungspflichtigem voraussetze.

Die Pflicht zur Abfuhr der Spekulationsertragsteuer ohne Geldfluß bestreitet die Bundesregierung nicht, hält es aber für zumutbar, daß das Kreditinstitut wegen seiner besonderen Situation in diesem Fall besondere Vorsorgen für die besonderen Konstellationen trifft; sie nennt dabei beispielhaft Kautionszahlungen und verweist auf die vergleichbare Situation bei der Lohnsteuer.

Dem Argument der Wettbewerbsverzerrung hält die Bundesregierung entgegen, es liege in der Natur der Sache, daß die Einhebung einer Abzugssteuer bei Fehlen eines inländischen Anknüpfungspunktes unmöglich ist.

3.1. In ihren Repliken bestreiten die antragstellenden Gesellschaften das Vorbringen der Bundesregierung. Dem Vorwurf der Bundesregierung, die antragstellenden Gesellschaften hätten es unterlassen, genaue Kostenangaben der einzelnen antragstellenden Kreditinstitute vorzulegen, entgegnen sie, daß bei Prüfung der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit die Gesamtbelastung sämtlicher in die Pflicht genommenen Kreditinstitute entscheidend sei. Spezielle Kostenangaben für die einzelnen Kreditinstitute erschienen ihres Erachtens nicht notwendig, es wäre auch rechtlich verfehlt, auf solche bei der Prüfung der Verfassungskonformität abzustellen.

3.2. In dem zu G144/99 protokollierten Gesetzesprüfungsverfahren enthält die Replik der antragstellenden Gesellschaft eine genaue Kostenkalkulation zur technischen Umstellung auf die Spekulationsertragsteuer, in welcher die Gesamtkosten mit ATS 7.039.295,-- beziffert werden.

3.3. In der Replik der antragstellenden Gesellschaft zu G145/99 werden deren Kosten mit einer Gesamtsumme von ATS 1.280.000,-- veranschlagt.

3.4. In der Replik zu G146/99 führt die antragstellende Gesellschaft ihren Sachaufwand mit rund ATS 23 Mio. und den Personalaufwand mit rund ATS 10,4 Mio. an, wobei lediglich die Kosten der Analysephase und der EDV-technischen Umsetzung berücksichtigt seien.

3.5. Die in der Replik zu G148/99 von der antragstellenden Gesellschaft angeführten Kosten setzen sich zusammen aus:

Personalaufwand mit ATS 20,387 Mio., Sachaufwand mit ATS 56,446 Mio. sowie laufenden Kosten (Investitionen, Personalaufwand und Sachaufwand) mit insgesamt ATS 15,094 Mio.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage der Zulässigkeit erwogen:

1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar ein

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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