TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/24 2001/01/0560

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.06.2003
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §45 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs4 Z1;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde der T in F, vertreten durch Dr. Arnulf Summer, Dr. Nikolaus Schertler und Mag. Nicolas Stieger, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 31. Oktober 2001, Zl. Ia 370-1180/2000, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 22. November 2000 beantragte die Beschwerdeführerin die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. In ihrem Antrag führte sie unter Anderem aus, sie habe bis 1995 in Izmir/Türkei gewohnt und sei in diesem Jahr nach Österreich gezogen; seitdem halte sie sich ununterbrochen in Österreich auf.

Der im Zuge des Ermittlungsverfahrens bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch am 19. April 2001 aufgenommenen Niederschrift folgend gab die Beschwerdeführerin an, keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe (als Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft) geltend zu machen. Es sei ihr bekannt, "dass ich erst seit dem Jahre 1995 in Österreich bin und deshalb derzeit den zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt nicht nachweisen kann".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.

Begründend führte sie aus, die am 15. September 1981 geborene Beschwerdeführerin sei türkische Staatsangehörige und habe seit 21. März 1995 ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz in Österreich. Sie habe in Österreich drei Jahre die Hauptschule und ein Jahr den Polytechnischen Lehrgang besucht; Beruf habe sie keinen erlernt. Zunächst sei sie von Juli bis September 2000 beschäftigt gewesen, danach habe sie den Arbeitgeber gewechselt. Sie verfüge über gute Deutschkenntnisse; ihre Eltern und ihre minderjährigen Geschwister hätten ebenfalls um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht. Umstände, die auf bereits erbrachte oder zu erwartende außerordentliche Leistungen der Beschwerdeführerin hinweisen könnten, seien im Verfahren nicht geltend gemacht worden und auch nicht hervorgekommen. Die Beschwerdeführerin habe für die Verleihung der Staatsbürgerschaft keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorgebracht, derartige Umstände seien im Verfahren auch nicht hervorgekommen.

Anschließend an den Sachverhalt gab die belangte Behörde die Rechtslage wieder und führte resümierend aus, dass mangels zehnjähriger ununterbrochener Wohnsitzdauer für die Verleihung der Staatsbürgerschaft lediglich der Tatbestand des § 10 Abs. 4 Z 1 StbG in Frage komme, der - bei Vorliegen aller sonstiger Voraussetzungen - einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erfordere. Einen solchen Grund habe die Beschwerdeführerin aber nicht geltend gemacht, sodass ihr Antrag abzuweisen gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst ist der Behauptung der Beschwerdeführerin, sich bereits seit 21. September 1990 rechtmäßig in Österreich aufzuhalten, zu entgegnen, dass dieses dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren widersprechende Argument entgegen dem Neuerungsverbot erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebracht wurde, sodass die auf dieser - unzulässigen - Behauptung aufbauende Rechtsrüge insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.

Den auf eine unrichtige Ermessensübung abzielenden Beschwerdeargumenten ist entgegen zu halten, dass die belangte Behörde kein Ermessen geübt, sondern das Vorliegen einer Verleihungsvoraussetzung verneint hat.

In ihrer Beschwerde behauptet die Beschwerdeführerin aber auch, die belangte Behörde habe nicht darauf Bedacht genommen, dass ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 4 Z 1 StbG vorliege. So lebten auch die Eltern und die Geschwister der Beschwerdeführerin in Österreich, wobei dem Vater von der belangten Behörde bereits die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert worden sei. Mit diesem Vorbringen hat die Beschwerdeführerin erkennbar das Vorliegen des besonders berücksichtigungswürdigen Grundes der nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration im Auge (§ 10 Abs. 5 Z 3 StbG).

Die belangte Behörde hat zwar Feststellungen zu dieser Verleihungsvoraussetzung getroffen; allerdings lassen diese eine abschließende Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerin nachhaltig persönlich und beruflich in Österreich integriert ist, noch nicht zu. Während die Feststellungen über den Schulbesuch und die anschließende Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin einer für sie positiven Beurteilung zugänglich wären, fehlen für eine Gesamtbeurteilung weitere Feststellungen zum zweiten Teilaspekt der Integration, nämlich der persönlichen Verankerung in Österreich. Die Feststellungen über die Deutschkenntnisse und die Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin deuten - iVm dem 4- jährigen Schulbesuch in Österreich - allerdings darauf hin, dass auch insoweit die Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 Z. 3 StbG erfüllt seien. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hätte die belangte Behörde auch ohne ausdrückliche Geltendmachung des genannten Tatbestandes durch die Beschwerdeführerin prüfen müssen (vgl. das Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2000/01/0216).

Nach dem Gesagten bedarf der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 24. Juni 2003

Schlagworte

Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001010560.X00

Im RIS seit

30.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten