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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FSG 1997 §26 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in H, vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft (OEG) Dr. Karl Claus & Mag. Dieter Berthold, 2130 Mistelbach, Hauptplatz 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 11. Februar 2003, Zl. RU6-St-Ö-0300, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 25. Oktober 2002 wurde der Berufung des Beschwerdeführers "gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 6. September 2001, Zl. 3- 5271-01, betreffend Bestrafung nach § 20 Abs. 2 i.V.m. § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960" gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben, der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides jedoch dahingehend abgeändert,
"dass der Berufungswerber am 13. 5. 2001 gegen 00.34 Uhr als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen X nicht ein Delikt, sondern 2 Verwaltungsübertretungen gemäß § 20 Abs. 2 i.V.m. § 99 Abs. 3 lit. a StVO begangen hat, nämlich
1. auf der B 303 bei Strkm 17,6 in Fahrtrichtung Kleinhaugsdorf auf der Freilandstraße schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gefahren ist und
2. auf der B 303 bei Strkm 23,5 in Fahrtrichtung Kleinhaugsdorf schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gefahren ist,
wobei das Ausmaß der verhängten Strafe für jedes Delikt jeweils mit EUR 363,36 (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 1 Woche festzusetzen war."
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 11. Dezember 2002 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Kraftfahrzeuge der Klassen A und B für die Dauer von zwei Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides entzogen. Als Rechtsgrundlagen wurden angeführt, § 24 Abs. 1 Z. 1, § 26 Abs. 3, § 7 Abs. 3 Z. 4 und § 29 Abs. 3 FSG. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 13. Mai 2001 gegen 00.34 einen näher bezeichneten PKW auf der Freilandstraße B 303 in Fahrtrichtung Kleinhaugsdorf bei Straßenkilometer 17,6 sowie bei Straßenkilometer 23,5 mit einer Geschwindigkeit von 185 bzw. 210 km/h trotz einer gemäß § 20 Abs. 2 StVO erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gelenkt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Entziehungsbescheid wie folgt abgeändert:
"Die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A und B wird Ihnen für die Dauer von 8 Wochen, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 11. Dezember 2002, 10E-2001/153, entzogen."
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer bestreite zwar nicht, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit massiv überschritten zu haben, vertrete jedoch die Auffassung, das Entziehungsverfahren sei nicht innerhalb der Jahresfrist eingeleitet worden. Die Erstbehörde habe auch nicht den Rechtfertigungsgrund nach § 86 Abs. 2 StVO berücksichtigt. Der Beschwerdeführer sei mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 25. Oktober 2002 für schuldig erkannt worden, am 13. Mai 2001 zwei Verwaltungsübertretungen gemäß § 20 Abs. 2 i. V. m. § 99 Abs. 3 lit. a StVO gesetzt zu haben. Der Beschwerdeführer habe daher zwei bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG gesetzt, welche eine Entziehung der Lenkberechtigung jedoch dann nicht mehr rechtfertigten, wenn zwischen der Tat und der Einleitung des Entziehungsverfahrens mehr als ein Jahr verstrichen und die betreffende Person in dieser Zeit im Verkehr nicht nachteilig in Erscheinung getreten sei. Eine bestimmte Art von Ermittlungen oder eine bestimmte Form für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens sei nicht vorgeschrieben. Die Beischaffung des Strafaktes stelle einen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bewirkenden Ermittlungsschritt dar, und zwar auch dann, wenn der Strafakt bei derselben Behörde geführt werde. Im Beschwerdefall sei das Ermittlungsverfahren rechtzeitig durch Erhebungen der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn am 7. November 2001 zum Stand des Verwaltungsstrafverfahrens eingeleitet worden. Da hier zwei bestimmte Tatsachen gemäß § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG vorlägen, betrage die Entziehungsdauer im Beschwerdefall gemäß § 26 Abs. 3 FSG 8 Wochen (2 Wochen und 6 Wochen).
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. März 2003, B 385/03-5, nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 14. März 2003, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes von Bedeutung:
"Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder (...)
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
4. die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;
...
Sonderfälle der Entziehung
§ 26. ...
(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs. 3 Z. 4 genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder nicht mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z. 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs. 1, 2 oder 4 vorliegt - hat die Entziehungsdauer zwei Wochen, bei der zweiten Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren ab der ersten Begehung sechs Wochen zu betragen.
...
(7) Eine Entziehung gemäß Abs. 3 und 4 darf erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist. Bei erstmaligen Entziehungen gemäß Abs. 3 und 4 darf die Behörde keine begleitenden Maßnahmen anordnen, es sei denn, die Übertretung erfolgte durch einen Probeführerscheinbesitzer."
Das Vorliegen eines Strafbescheides ist gemäß § 26 Abs. 7 FSG zwar Voraussetzung dafür, dass eine Entziehung der Lenkberechtigung nach § 26 Abs. 3 leg. cit. in Betracht kommt, entbindet aber die Entziehungsbehörde nicht von ihrer Verpflichtung zur Überprüfung, ob die bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 98/11/0233, m. w. N.). Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG ist für die Annahme einer bestimmten Tatsache nach dieser Gesetzesstelle aber auch die Feststellung der Überschreitung der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit einem technischen Hilfsmittel (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2000, Zl. 98/11/0267) gefordert. Die Angabe des Lenkers eines Kraftfahrzeuges über die gefahrene Geschwindigkeit reicht für die Annahme einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 4 FSG nicht. In einem solchen Fall erfolgte die Feststellung der Überschreitung der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht mit technischen Hilfsmitteln.
Schon aus diesem Grund belastete die belangte Behörde ihren auf § 26 Abs. 3 FSG gestützten Entziehungsbescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 24. Juni 2003
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003110064.X00Im RIS seit
17.07.2003